Wenn die (Taschen-)Tage nie gezählt sind…

  /  03.06.2022

Den Lastwagen von hinten aufzäumen – das hat sich das Label Freitag vorgenommen und ist dabei, eine kreislauffähige Alternative zur LKW-Plane, aus der die Taschen der Marke kreiert werden, zu entwickeln. Der allererste Planenprototyp wurde jetzt auf Testfahrt geschickt!

Ihr kennt sie alle, die ausgefallenen Unikat-Taschen aus LKW-Planen vom Label Freitag – jetzt geht die Marke noch einen Schritt übers Recycling hinaus und entwickelt zusammen mit verschiedenen Industriepartnern eine Lastwagenplane, die auch nach einem langen, nächsten Leben als Freitag-Bag nicht im Müll, sondern wieder im Kreislauf landen soll. Dabei wird an verschiedenen Materialkombinationen geforscht und gearbeitet – jede mit ihren ganz eigenen Vorzügen, die Anforderungen in punkto Kreislauffähigkeit und Robustheit zu erfüllen. Was kürzlich noch eine Idee war, nimmt jetzt schon erste Formen an: Der erste Prototyp einer zirkulären Plane ist auf einer Testrunde. Die Planen müssen zuerst den harten Bedingungen auf der europäischen Transitstrecke standhalten, später sollen sich daraus langlebige Freitag-Unikate kreieren lassen und letztlich soll am Ende der (Taschen-)Tage wieder etwas Neues entstehen können.

Für den abenteuerlichen Ausflug in die dem Taschenunternehmen vorgelagerte Industrie hat sich Freitag intern mit Material- und Kreislaufexpertinnen und -experten verstärkt. Verschiedenste Industriepartner mit Know-how im Material-, Chemie- und Verbundbereich wurden gesucht, gefunden und an einem runden Tisch mit den deutschen Circularity-Experten der EPEA sowie langjährigen Partnern aus dem Planengeschäft zusammengebracht – ganz im Sinne der Planenrevolution. Wie die konventionelle wird wohl auch die neue kreislauffähige Plane aus einem robusten Gewebe und einer wasser- und schmutzabweisenden Beschichtung aufgebaut sein. Im Laufe des Projektes sind mehrere Entwicklungsstränge entstanden. Aktuell liegen vier vielversprechende Teilprojekte auf dem großen, runden Tisch – in unterschiedlichen Entwicklungsstadien:

Die (noch kleine) Monolithische

Zusammen mit einem Partner aus der Freitag Zubehör- und Materialentwicklung wird an einer Plane aus PET gewerkelt. Das Ziel – und auch die technische Herausforderung dabei – ist, dass die Plane nur aus einem einzigen Material besteht und deshalb am Ende des Lebenszyklus ohne aufwendige Trennung von Gewebe und Beschichtung rezykliert werden kann. Die ersten Testverbindungen werden ganz bald in Zürich eintreffen.

Die Biobasierte

Zusammen mit dem deutschen Fraunhofer Institut, der Firma Linotech und der Planenproduzentin Heytex sind verschiedene biobasierte Planenprototypen entstanden. Die Verbindungen von biobasierten Kunstfasern und einer Beschichtung aus stärkebasierten Kunststoffen sind jedoch noch nicht bereit für eine erfolgversprechende Testfahrt auf einem Lastwagen. Kommt Zeit, kommt Rat…

Die vielleicht Revolutionäre

Das Beschichtungsmaterial aus TPU (thermoplastischer Kunststoff) des dritten Entwicklungsstrangs hat die Materialgesundheitsprüfung bereits bestanden. „Als Chemieunternehmen stellen wir mit unseren Materialien die Basis Tausender Produkte und sehen uns in der Pflicht, den Weg zu einer Circular Economy zu beschleunigen. Daher war für uns sofort klar, dass wir bei einem so interessanten Kooperationsprojekt wie dem von Freitag von Anfang an dabei sein wollen“, sagt Mark Scheller von Covestro, zusammen mit Planenproduzentin Heytex Haupttreibende dieses Teilprojekts. Aktuell wird das Beschichtungsmaterial aus TPU noch mit einem Gewebe aus PES (Polyester) getestet. Da es noch einige Jahre dauern kann, bis Verbindungen von PES und TPU wieder getrennt werden können, arbeitet das Projektteam parallel an einem neuartigen Planenaufbau, der diese Hürde einfach umfahren könnte.

Die Quereinsteigerin

Einen großen Schritt weiter ist die vierte und jüngste Entwicklung, die eigentlich mehr eine Entdeckung ist: In der Recherchephase wurde das Projektteam auf ein bereits fertig entwickeltes Material des niederländischen Unternehmens Rivertex aufmerksam. Bei diesem sind Gewebe und Beschichtung aus Polypropylen, das als einer der nachhaltigsten unter den erdölbasierten Kunststoffen gilt. Die Entwickler von Rivertex sind ebenfalls zum Projektteam gestoßen. „Es hat uns sehr gefreut, dass der Product Circularity Passport der EPEA unserem Produkt höchste Materialgesundheit und Rückgewinnbarkeit bescheinigt, denn wir arbeiten seit Jahren an einer robusten, preislich interessanten und rezyklierbaren Planenalternative. Und wir sind überzeugt, dass sich unsere nächste Produktgeneration noch besser als Lastwagenplane eignen wird – auch dank den Erkenntnissen aus den Testfahrten“, erklärt Roef Gaasbeek von Rivertex.

Weil eine Plane eben noch lange keine LKW-Plane ist, kam der Schweizer Planenkonfektionär Bieri ins Spiel: Hier wurde das Material von Rivertex bedruckt und mit Gurten und Ösen ausgerüstet, damit die potenzielle Planenrevolution auch auf den kleinen Lastwagen geschnallt werden kann. Jetzt dreht sie bei Sonne, Wind und saurem Regen ihre Runden. Dabei wird sich zeigen, wie gut sich das Material als LKW-Plane behauptet.

Welches der vier Teilprojekte mit welchen Materialien einmal zur ersten kommerziellen, kreislauffähigen LKW-Plane wird, lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht voraussagen. Vielleicht wird es auch mehr als nur eine Alternative zur bestehenden PVC-Plane geben, denn schließlich führen viele Autobahnen nach Milano und niemand weiß, auf welcher man gerade am schnellsten und am günstigsten nach Rom kommt. Vom Know-how, das man jetzt mit dem ersten Prototyp gewinnt, werden auch die anderen Entwicklungen bald profitieren. Es bleibt spannend…

Kristina Arens