„Ich war ein unruhiges Kerlchen“

  /  22.02.2012

Kurz vor seinem Nachholkonzert in Potsdam trifft sich 1st-blue mit Bosse, um mit ihm über die Arbeit an seinem neuen Album, seinen Geburtstag und Ballettunterricht zu plaudern. Der Wahlhamburger verrät außerdem, was sein Traum wäre und wovor er Angst hat.

Axel Bosse mit Redakteurin Kristina Arens

Axel Bosse hat bereits mit 17 die Schule und sein Heimatdorf bei Braunschweig verlassen, um sich der Musik zu widmen. Nachdem er zunächst in einer Band namens Hyperchild spielte, dann als Merchandiser auf Tour ging und nach Spanien zog, entschloss er sich schließlich 2003, als Solokünstler Bosse durchzustarten. Seitdem hat er vier Alben veröffentlicht. Gerade ist Bosses „Wartesaal“-Tour zu Ende gegangen, ein paar Nachholkonzerte, die er letztes Jahr wegen einer Kehlkopfentzündung absagen musste, stehen aber noch aus und vor seinem Gig im Potsdamer Waschhaus war noch etwas Zeit für ein Interview mit dem sehr sympathischen Sänger.

Du bist seit 2003 als Solokünstler Bosse unterwegs, wie hast du dich während dieser Zeit verändert?

„Es ist alles nicht mehr halb so aufregend wie damals. Als ich mit 17 angefangen habe, Musik zu machen, war ich ein überaus unruhiges Kerlchen, habe auf allen Partys getanzt, hatte keinen festen Wohnsitz und bin von Stadt zu Stadt und von WG zu WG gezogen. Das hat sich erst so ab dem dritten Album geändert. Ich habe eine Familie gegründet, bin viel ruhiger geworden und kann das Ganze nun viel mehr genießen. Ich mache mir auch nicht mehr so viele Gedanken um die Zukunft, da Bosse mittlerweile glücklicherweise eine treue Fanbase habt, auf die man sich verlassen kann.“

Was war denn das schönste Feedback, das du im Laufe der Jahre bekommen hast?

„Ein Fan hat mir mal erzählt, dass er sich zu meiner Musik seine Vorhautverengung hat operieren lassen, das war wohl die krasseste Story. Ansonsten gibt es einige Fans, die sich meine Songtexte tätowieren lassen oder Paare, die sich auf einem unserer Konzerte kennengelernt und dann geheiratet haben; solche Geschichten sind natürlich auch immer schön zu hören.“

Dein viertes Album „Wartesaal“ ist jetzt vor ziemlich genau einem Jahr erschienen. Bist du nach so einer Zeit immer noch zufrieden mit den Songs oder hättest du jetzt – mit etwas Abstand – beispielsweise einige Lieder ausgetauscht?

„Bist jetzt finde ich noch alles gut so wie es ist. Die Unzufriedenheit kommt meist erst nach vier, fünf Jahren, wenn sich der persönliche Geschmack wieder ändert. Aber es gibt natürlich schon Songs, die man im Laufe der Zeit so oft gesungen hat, dass es irgendwann vielleicht reicht. ‚Weit weg’ habe ich im letzten Jahr bestimmt 800 Mal gesungen…“

Wie unterscheidest du dich von anderen deutschen Singer/Songwritern?

„Es gibt schon viele Parallelen, einfach von der Art und Weise, wie ich und wie beispielsweise Clueso, Thees Uhlmann, Kettcar oder Philipp Poisel unsere Songs schreiben, aber trotzdem hat jeder seinen eigenen Stil. Ich denke, meine Songs sind tanzbarer als die vieler anderer deutscher Künstler, außerdem singe ich weniger über Liebe als Philipp Poisel und finde weniger klare Worte als zum Beispiel Clueso. Ich arbeite in meinen Songs mehr mit Bildern.“

Du hast ja morgen Geburtstag, wie feierst du denn?

„Heute werden wir mit der Band und einigen Freunden, die ich noch aus meiner Zeit in Berlin kenne, ein wenig reinfeiern. Morgen wird die Runde dann größer, abends ist ja unser Nachholkonzert in Hannover, dort kommen so ziemlich alle guten Kumpels hin und nachmittags wird schon bei Kuchen und Bier angestoßen.“

Du wirst 32, hattest du auch mal eine Liste mit Dingen, die du bis zu einem bestimmten Alter getan haben wolltest?

„So etwas hatte ich nie, ich bin überhaupt kein Listen-Typ, sondern entscheide eher aus dem Bauch heraus und lasse die Dinge auf mich zukommen.“

Letztes Jahr hast du gemeinsam mit Anna Loos von Silly am Bundesvision Song Contest teilgenommen und den dritten Platz gemacht. Sind dir Wettbewerbe wichtig?

„Für den Song Contest hat man uns damals angefragt und wir haben gerne mitgemacht, aber über Platzierungen und Wettbewerbe mache ich mir keine Gedanken. Uns hat das Ganze Spaß gemacht, besonders weil ich eben zusammen mit Anna, die ich schon ewig kenne, teilnehmen konnte. Alleine wäre es sicherlich nur halb so lustig gewesen. Ich finde, es wird immer viel zu viel Aufsehen wegen dieser drei Minuten Fame gemacht…“

Du schreibst jetzt seit ein paar Wochen an deinem fünften Album. Kannst du schon sagen, in welche Richtung die Platte gehen wird?


„Noch nicht so richtig. Bis jetzt habe ich sechs, sieben Songs geschrieben, mit denen ich zufrieden bin und bestimmt 20, die ich wieder verworfen habe. Bislang habe ich aber keinen ‚Hauptsong’, deshalb weiß ich auch noch nicht, welches Thema auf dem Album im Mittelpunkt stehen wird. Es wird aber wohl grob in die Richtung der letzten Platte gehen.“

Für die hast du ja mit Anna Loos zusammengearbeitet und du hast auch schon mit Oliver Koletzki und einigen anderen Künstlern kooperiert. Wird es für das neue Album auch eine Kollaboration geben?


„Ich würde gerne mal einen Song mit Samy Deluxe aufnehmen. Wir kennen uns ziemlich gut und ich finde, er ist ein toller Künstler. Vielleicht kommt etwas in dieser Richtung.“

Wie läuft es denn ab, wenn du an einem neuen Album schreibst und wem spielst du einen fertigen Song als erstes vor?

„Man fängt für jedes Album wieder bei Null an – mit einem leeren Zettel und einem Stift. Ich mache mir keinen Plan, wann ich was schaffen will, sondern setze mich einfach hin, wenn ich Lust habe. Zuerst schreibe ich meist den Text, dann folgt die Musik und wenn ein paar Songs fertig sind, spiele ich sie zuerst zwei Freunden und meiner Frau vor. Bei denen bin ich auch ziemlich kritikfähig, da alle drei viel Ahnung von Musik haben und ich Wert auf ihre Meinung lege.“

Deine Frau ist Schauspielerin, hast du Interesse auch einmal etwas in dieser Richtung zu machen?

„Ich habe schon oft Anfragen diesbezüglich bekommen, aber immer abgelehnt. Für den Beruf des Schauspielers muss man, glaube ich, geboren sein und das bin ich definitiv nicht. Dieser Job ist so einnehmend, man hat monatelang keine Zeit für etwas anderes, das ist nichts für mich. Ich möchte mir meine Zeit selbst einteilen können.“

Du hast auch schon öfter als Produzent gearbeitet. Steht da etwas Neues an?

„Zurzeit nicht, aber ich hätte schon mal wieder Lust darauf! Es macht Spaß, jüngeren Künstlern etwas beibringen zu können. Das soll jetzt nicht überheblich klingen, aber in manchen Dingen habe ich dann ja schon mehr Erfahrung, die ich gerne weitergebe. Als ich zum Beispiel Auletta produziert habe, war das sicherlich gut für die Band, aber auch für mich.“

Schon mal vielen Dank so weit. Ich möchte dich jetzt noch bitten, die folgenden Sätze zu beenden:

Ich habe Angst vor…

„…Krankheiten.“

Das letzte Mal geweint habe ich…

„…vor langer, langer Zeit.“

Das letzte Mal aus vollem Hals gelacht habe ich…

„… heute morgen.“

Mein Traum wäre es…

„… mal für ein halbes Jahr nach Istanbul zu gehen. Ich liebe diese Stadt!“

An mir selbst mag ich am liebsten…

„… alles und nichts.“

Meine schlechteste Eigenschaft ist…

„… meine Ungeduld.“

Ich kann nicht leben ohne…

„… Zigaretten.“

Ich würde nie…

„… wieder anfangen zu rauchen.“

Wenn ich mich zwischen Familie, Freunden und Musik entscheiden müsste…

„… würde ich immer Familie wählen.“

Das Mutigste, das ich je getan habe…

„… war, in der Ballettgruppe meiner Tochter mitzutanzen.“

Das Dümmste, das ich je getan habe…

„… war, in der Ballettgruppe meiner Tochter mitzutanzen (lacht).“

Ich bereue…

„… nichts!“

Kristina Arens