„Früher waren wir intelligenter!“

  /  28.03.2011

In der Lobby des Weinmeister-Hotels in Berlin traf sich 1st-blue mit den bestens gelaunten Jungs von Revolverheld. Die Fünf berichteten, wie sich eine Echo-Nominierung anfühlt, wie es mit der Familienplanung aussieht und dass sie auch mit Ü30 noch durchaus gerne feiern gehen.

v.li.: Jakob Sinn, Florian Speer, Johannes Strate, Niels Grötsch, Kristoffer Hünecke

Revolverheld mit Redakteurin Kristina Arens

Wenige Stunden vor der Echo-Verleihung habe ich einen Interviewtermin mit der Band Revolverheld, die zum ersten Mal für einen Echo nominiert ist. Das Treffen findet im Weinmeister-Hotel in Berlin statt, wo die Jungs während ihrer Zeit in der Hauptstadt ihre Zelte aufschlagen. Fast gleichzeitig mit den Revolverhelden komme ich im Hotel an und bevor Johannes, Kristoffer, Jakob, Niels und Flo auspacken, habe ich 20 Minuten Zeit, ihnen ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Nachdem Tische gerückt und Sessel verschoben wurden, finden wir in der Lobby schließlich ein Eckchen, an dem wir zu sechst Platz haben. Auf geht’s in ein unterhaltsames Interview, gespickt mit ironischen Bemerkungen und Witzen, und begleitet von der ein oder anderen Unterbrechung, da die Fünf wirklich alles und jeden zu kennen scheinen.

Jungs, ihr seid zum ersten Mal für einen Echo nominiert - in der neu geschaffenen Rubrik „Radio-Echo“ - wie fühlt sich's an?


Johannes: „Großartig! Wir machen jetzt seit acht Jahren gemeinsam Musik und es ist das erste Mal, das wir für den größten deutschen Musikpreis nominiert sind. Wir freuen uns total! Wir waren schon oft beim Echo, aber immer nur zum Feiern – jetzt sind wir nominiert und haben somit eigentlich erstmals die Berechtigung, dort zu sein (lacht).“

Gibt es jemanden, auf den ihr euch beim Echo besonders freut?

Kris: „Ehrlich gesagt, sind wir noch gar nicht so gut darüber informiert, wer alles nominiert ist und wer an internationalen Acts dort sein wird. Aber für uns ist der Echo immer eine Art Familientreffen und wir freuen uns, alte Bekannte wie zum Beispiel Philipp Poisel zu treffen.“

Natürlich wollt ihr den Radio-Echo selbst gewinnen, aber wem würdet ihr den Preis von den anderen Nominierten – Unheilig, Silbermond, Lena und Ich + Ich – am meisten gönnen?

Hier sind sich die Jungs einig: „Wir haben in letzter Zeit sehr häufig den Graf von Unheilig getroffen, ein sehr netter, sympathischer Mann, der auch schon seit 15 Jahren Musik macht. Er räumt zwar gerade sowieso schon ziemlich viele Preise ab, er hätte es aber auf jeden Fall verdient, auch den Echo zu gewinnen. Wir würden es Silbermond natürlich auch gönnen, Adel von Ich + Ich ist ebenfalls ein netter Kerl und Lena ein tolles Mädchen. Eigentlich wollen wir aber schon selbst gewinnen und gönnen keinem anderen Künstler einen Preis (lachen).“

Wie wichtig sind euch denn Preise und Auszeichnungen?


Kris: „Preise sind natürlich immer eine schöne Anerkennung unserer Leistung, aber wir machen nicht Musik, um Auszeichnungen zu bekommen. Uns ist es wichtig, Songs zu schreiben und auf der Bühne zu stehen – das ist das, was uns Spaß macht. Aber wir feiern sehr gerne und das kann man auf solchen Veranstaltungen immer ziemlich gut.“

Johannes: „Preise sind sozusagen das Sahnehäubchen.“

Ihr seid aktuell ja noch auf Tour – spielt ihr am liebsten in kleinen Clubs, im großen Rahmen oder auf Festivals?

Niels: „Alles hat seine Vor- und Nachteile, aber es ist toll, das wir das alles erleben dürfen. Kleinere Konzerte haben schon ihren Charme. Sie sind natürlich etwas intimer und die Leute sind meist sehr textsicher, da sie ja nur kommen, um uns zu sehen. Es ist aber auch toll, auf Festivals neben anderen großen, zum Teil internationalen Künstlern aufzutreten.“

Habt ihr eine unterhaltsame Anekdote eurer aktuellen „In Farbe“-Tour auf Lager?


Johannes: „Die Tour war bislang eigentlich sehr harmonisch und ohne besondere Vorkommnisse. Sie steht ein wenig unter dem Motto ‚Die alten Recken wollen es noch einmal wissen' (lacht).“

Kris: „Einen Vorfall gab es aber doch. Wir mussten zum ersten Mal in unserer Bandgeschichte ein Konzert mittendrin abbrechen, weil Johannes' keine Stimme mehr hatte. Ich glaube, diese Tour war auch die kälteste, die wir je hatten und ein bisschen angeschlagen waren wir alle. Aber wenn der Sänger keine Stimme mehr hat, ist das natürlich eher schlecht.“

Ihr seid ja zu fünft, gibt es auch manchmal Stress bei euch, gerade wenn ihr wie bei einer Tour so viel zusammen seid? Oder Konkurrenzdenken? Meistens ist es bei einer Band ja so, dass der Sänger schon immer im Mittelpunkt steht...

Johannes: „Wir kennen uns jetzt alle schon sehr lange und haben damals zusammengefunden, weil wir menschlich auf einer Wellenlänge sind, deshalb gibt es eigentlich selten Grund für Stress. Wenn einer von uns mal etwas Zeit für sich braucht, geht man sich einfach etwas aus dem Weg.“

Niels: „Also ich kenne die Jungs eigentlich gar nicht, und wer ist dieser Johannes? Der ist mir irgendwie unsympathisch (lacht).“

Ihr habt ja vor kurzem mit Marta Jandovà zusammengearbeitet und den Song „Halt dich an mir fest“ aufgenommen. Habt ihr weitere Kooperationen mit anderen Künstlern in Aussicht? Oder habt ihr vielleicht einen bestimmten Wunsch Kandidaten?

Kris: „In Aussicht haben wir gerade keine Kooperationen, aber Wünsche haben wir ziemlich viele. Wir versuchen schon lange, die Telefonnummer von Eddie Vedder herauszubekommen, das haben wir bis jetzt aber leider nicht geschafft. (an dieser Stelle macht Johannes den ziemlich guten Witz: „Bei dem ist immer schlechtes Vedder.“) Wir arbeiten aber allgemein gerne mit anderen Künstlern zusammen, die müssen gar nicht unbedingt berühmt sein.“

Johannes: „Marta war schon ein ziemlich Glückstreffer, sie ist ein wirklich gute Sängerin und noch dazu schön anzusehen.“

Es gibt euch jetzt ja bereits seit gut acht Jahren. Worin unterscheiden sich Revolverheld von damals und Revolverheld von heute?


Kris: „Damals waren wir intelligenter, dünner und hatten noch keine grauen Haare (lacht).“

Johannes ergänzt: „Im Laufe der Zeit ging die geistige Verwirrung mit dem körperlichen Zerfall einher, würde ich sagen (lacht). Nein, im Ernst, ich denke, wir waren damals zu übermotiviert und verbissen. Das hat sich mittlerweile geändert, wir sind gelassener und das tut auch dem Bandklima gut.“

Flo: „Außerdem haben sich die Song-Themen etwas verändert. Mit Anfang 20, wenn man gerade Abitur gemacht hat, beschäftigen einen schon andere Dinge als mit Anfang 30. Aber ansonsten stehen wir heute noch genauso gerne auf der Bühne wie vor acht Jahren.“

Wo wir gerade beim Alter sind: Ihr seid jetzt alle mindestens 30 – gibt es Ziele, musikalisch oder privat, die ihr bis zu diesem Alter erreichen wolltet, aber nicht erreicht habt?

Jakob: „Ich wollte bis 30 eigentlich ein Kind haben. Das hat wohl leider nicht geklappt.“

Kris: „Johannes, du hast die PGA-Tour (Anm. d. Redaktion: höchstdotierte Turnierserie der Welt im Golf-Sport) noch nicht angeführt (lacht).

Johannes: „Stimmt! Aber als ich mit dem Golf spielen angefangen habe, war mir leider auch sofort klar, dass ich damit wohl kein Geld verdienen werde.“

Was habt ihr euch denn für die nächsten fünf Jahre für Ziele gesetzt?

Johannes: „Konkrete Ziele haben wir eigentlich nicht. Für uns lief es musikalisch in den vergangenen acht Jahren wirklich sehr gut und wenn dies in den nächsten acht Jahren so bleibt, sind wir mehr als zufrieden. Wir wollen weiterhin Musik machen, Songs schreiben, Konzerte spielen, Kinder machen...“

Kris: „In fünf Jahren? Ja, ich denke, dann bin ich auch bereit für mein erstes Kind.“ (geben sich lachend die Faust)

Flo: „Den obligatorischen Fallschirmsprung, den die meisten ja einmal in ihrem Leben gemacht haben möchten, habe ich schon hinter mir. Jetzt habe ich keine Träume mehr (lacht).

Die anderen Revolverhelden sind sich einig: Ihr Ziel ist es, niemals einen Fallschirmsprung zu wagen und sich gegenseitig davon abzuhalten.

Könnt ihr euch eigentlich noch an euer allererstes Konzert als Revolverheld erinnern?

Und sie können sich alle erinnern: „Unser erstes Konzert haben wir im 'MarX' in Hamburg vor etwa 40 Zuschauern gespielt. Wie die Zeit vergeht...“

Es stellt sich heraus, dass einer der Jungs sogar noch das Plakat und Niels noch einen zerbrochenen Stick von Schlagzeuger Jakob von diesem Konzert zu Hause hat. Letzteren überlegt Jakob nun für viel Geld zurückzukaufen.


Ihr seid zwar gerade noch auf Tour, aber gibt es denn schon Pläne für ein neues Album?

Kris: „Wir haben wirklich ein sehr aufregendes Jahr hinter uns und wollen erst einmal wieder einen freien Kopf bekommen. Aber anschließend haben wir bestimmt wieder Lust, ein neues Album aufzunehmen. Konkrete Pläne haben wir bis jetzt aber noch nicht.“

Johannes und Kris, ihr seid nebenbei noch als DJ-Team unterwegs, was legt ihr auf?

Johannes: „Mittlerweile sind sogar vier von uns auch als DJs unterwegs – alle außer Flo. Jakob hat vor etwa zwei Wochen sein Debüt gefeiert.“

Jakob: „Richtig! Ich habe in einem Club in Jena aufgelegt. Am Anfang war ich schon ziemlich nervös und hatte ein wenig Angst vor der ganzen Technik, aber ich denke, ich habe mich ganz gut geschlagen und es hat Spaß gemacht.“

Kris: „In erster Linie legen wir Musik auf, die wir selbst auch gerne hören, also hauptsächlich Rock und Alternative. Wenn wir aber zwei oder drei Bier getrunken haben, kann das Ganze auch schon mal ein wenig ausarten (lacht). Da wir sowieso gerne feiern, macht uns das Auflegen als DJ wirklich Spaß.“

Sucht ihr euch die Clubs selbst aus? Am 1. April legt ihr ja beispielsweise in meiner Heimatstadt Lüdenscheid im Ballermann auf...

Johannes: „Wir bekommen meist Anfragen von den Clubs und entscheiden uns dann dafür oder dagegen. Aber oh Gott, der Club in Lüdenscheid heißt wirklich Ballermann?“ (An dieser Stelle herrscht allgemeines Gelächter.)

Johannes, du bist außerdem auch noch Mitinitiator von „Feels Like Home“ - für alle, denen das noch nichts sagt, erklär doch bitte einmal kurz, was es damit auf sich hat?

Johannes: „Gerne! ‚Feels Like Home' ist eine Benefiz-Veranstaltung, die vor etwa zwei Jahren entstanden ist. Wir waren in New York in einigen Clubs unterwegs, wo uns viele gute Sänger aufgefallen sind. So ist die Idee zu dem Projekt entstanden: Wir laden Singer-Songwriter aus der ganzen Welt ein und geben ihnen die Möglichkeit, zum ersten Mal vor deutschem Publikum aufzutreten. Außerdem lesen deutschsprachige Autoren aus ihren aktuellen Büchern. Die Erlöse der Veranstaltungen werden für einen guten Zweck gespendet.“

Wie kommt die Veranstaltung an und habt ihr anderen auch etwas damit zu tun?


Johannes: „‚Feels Like Home' kommt wirklich gut an. Es sind bisher schon zwischen zehn und 15 Singer-Songwriter bei uns aufgetreten. Mittlerweile kommen Künstler auch von selbst auf uns zu, die von dem Projekt gehört haben und Lust haben, einmal nach Europa zu reisen. Im Mai stehen übrigens die nächsten Termine an. Dann wird unter anderem Kim Frank, der ehemalige Sänger der Band Echt, Premiere feiern und aus seinem ersten Buch lesen, das wirklich gut ist.

Niels: „Wir anderen haben mit ‚Feels like Home' eigentlich nichts zu tun, das macht Johannes alleine.“

Johannes: „Doch, habt ihr. Kris hat die letzte Veranstaltung zum Beispiel aufgenommen, Jakob hilft beim Aufbau mit und die anderen am Tresen – also nicht dahinter, sondern davor (lacht).“

Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!

Den Echo haben die Jungs übrigens leider nicht gewonnen, den hat nämlich die Band Silbermond abgestaubt.

Kristina Arens