„Designer sind wie Seismographen“

  /  24.08.2010

Michael Michalsky - nicht jeder kennt seinen Namen, wohl aber seine Klamotten. Denn wer elf Jahre für Adidas designt hat, dürfte nicht nur Madonna, sondern eine ganze Generation mit dem Drei-Streifen-Look versorgt haben. Seit vier Jahren hat der 43-Jährige nun sein eigenes Label. Warum es dafür Zeit wurde und was an Waschpulver so inspirierend sein kann, hat er 1st-blue im Interview erklärt.

Herr Michalsky, gehen wir etwas zurück in die Vergangenheit. Den Anstoß zu Ihrer Designer-Karriere soll Ihnen 1983 eine Fotostrecke zu Karl Lagerfeld  im „Stern“ gegeben haben. Was hat Sie daran so fasziniert?

„Ja, das ist richtig. Als Kind habe ich einen Artikel im ‚Stern’ über Karl Lagerfeld gelesen. Der Artikel hat mich damals so begeistert, weil ich die unglaubliche Kreativität und Energie von Karl bewunderte. So wollte ich auch arbeiten. Mich mit der Welt und den Menschen befassen, Themen aufgreifen und meine Gedanken dazu in schöner Mode umsetzen.“

Der Oberstudienrat Ihrer Schule sagt über Sie, Sie seien nicht sonderlich begabt gewesen, große Design-Schulen sollen Sie abgewiesen haben. Wie haben Sie es dennoch geschafft, so weit zu kommen?

„Na ja, so schlecht kann ich nicht gewesen sein. Das London College of Fashion ist eine sehr anerkannte Design-Schule. Vielleicht hat der Oberstudienrat meine echte Begabung nicht erkannt (lacht). In der Schule habe ich mich nur mit den Themen intensiver befasst, die mich auch interessiert haben. Ich mache lieber etwas richtig gut als alles Mögliche halb. Das ist auch heute noch so.“

Sie haben elf Jahre lang für Adidas gearbeitet und das Unternehmen 2006 verlassen, um Ihr eigenes Label aufzubauen. Was hat Ihnen damals gesagt „jetzt ist der richtige Zeitpunkt“?

„Die Zeit bei Adidas war wahnsinnig aufregend. 2006 war es dann aber soweit, meinen Traum vom eigenen Label zu leben. Irgendwie hat es sich richtig angefühlt und ich hatte das Gefühl, ich muss mich weiterentwickeln. Man muss seine Wünsche auch in die Tat umsetzen.“

Was macht die Marke Michalsky heute aus? Was haben Ihre Kollektionen, was andere nicht haben?

„Mein Label steht für Streetwear und High Fashion. Wir haben zwei Linien: Die Linie Michalsky bedient das High-Fashion-Segment. Hier werden klassische Styles mit Streetwear-Einflüssen kombiniert. So entstehen diskreter Luxus und Großstadtflair. Michalsky spricht weltoffene, moderne, liberale Kunden an. Diese Kunden wissen die Verbindung aus Qualität, Tradition und aktuellen Trends zu schätzen. Das ist mir wichtig. Die andere Linie heißt Michalsky Jeans Berlin. Das ist eine authentische Denim-Kollektion. Hier werden Einflüsse aus Jugendkultur und Musik aufgegriffen und mit witzigen Details kombiniert.“                  

Wie sieht es aus mit Michalsky Jeans? Soll die Linie weiter ausgebaut werden?

„Ich liebe meine Jeans-Kollektion. Die Produkte verkaufen sich gut und ich mache die Jeans mit Herzblut. Es erinnert mich an meine Zeit bei Levi’s. Eine große, umfassende Jeans-Range zu produzieren, ist eine andere Nummer. Bisher ist die Kollektion etwas für Insider und Liebhaber guter Jeans. Vielleicht gebe ich die Michalsky Jeans mal als Lizenz an einen guten Hersteller.“

Mit Ihrer Mode wollen Sie „Real Clothes for Real People“ machen. Inwiefern passt Authentizität überhaupt noch mit der Selbstinszenierung in der Modewelt zusammen?

„Das widerspricht sich nicht, denn die Übergänge sind fließend. Mode als Produkt wirkt immer nach außen. Die Menschen ziehen ihre Lieblingsklamotten an und definieren ihren Style. Gleichzeitig denken sie darüber nach, wie das wohl auf andere Menschen wirkt. Wenn jemand sich selbst inszeniert, egal ob durch Mode oder ein Auto oder einen Lifestyle, ist er gleichzeitig authentisch. Die Inszenierung gehört zur Persönlichkeit und wird Teil der Person. Ein Mensch wirkt dann nicht authentisch, wenn seine Äußerungen oder sein Auftreten nicht zu der Person passen, die er sonst vermittelt. Das hat aber immer auch mit Reflektion zu tun. Dem Bild, dass andere Menschen von der Person haben. Bilder ändern sich. Personen auch.“

Sie haben selbst einmal gesagt, sie seien ein Fan von 10 Euro-Shirts. Wieso kostet dann das preisgünstigste Shirt von Michalsky selbst im Sale noch 50 Euro?

„Weil mein Unternehmen noch eine kleine Firma ist und deshalb nicht zehntausende Stück von jedem Produkt herstellen lassen kann (lacht). Michalsky ist ein Designer-Label und kein Massenhersteller. Dazu kommt, dass unsere Produkte alle in Europa gefertigt werden, die meisten sogar in Deutschland. Ein dritter Punkt sind die hochwertigen Materialien, die ich einsetze. Alle diese Faktoren beeinflussen den Preis eines Produktes.“

Machen wir einen kleinen Sprung. Im Juni 2010 haben Sie in Zusammenarbeit mit Ariel die „7Days Michalsky for Ariel“-Kollektion herausgebracht, die Frauen für jeden Tag der Woche und jeden Anlass ein passendes Outfit bereithalten will. Wie kam es zu der ungewöhnlichen Kooperation?

„Mit Ariel arbeite ich schon seit 2009 zusammen. Für mich als Designer ist es natürlich super, für meinen Partner Ariel auch eine Kollektion entwerfen zu können. In der ‚7Days Michalsky for Ariel’-Kollektion habe ich die Ariel-Farben aufgegriffen – die haben mich einfach inspiriert. Die Arbeit hat viel Spaß gemacht und es sind schöne Produkte entstanden. Die Kooperation mit einem Waschmittelhersteller liegt für einen Fashion-Designer eigentlich auf der Hand. Ich stelle Produkte her, die regelmäßig gewaschen und gepflegt werden müssen. Da ich alles selbst wasche, weiß ich, dass die Pflege und Reinigung mit Ariel perfekt funktioniert. Die Zusammenarbeit war deshalb nur ein logischer Schritt und funktioniert sehr gut.“ 

Die Kollaboration mit Ariel ist nicht die erste ihrer Art. Sie arbeiteten schon für Sony, entwarfen Interieurdesign für Shops und kooperieren mit Mercedes. Was bewegt Sie zu Design-Projekten mit „branchenfremden“ Brands? Worin sehen Sie die Vorteile und was macht Ihnen besonders Spaß daran?

„Ich sehe die Arbeit als Bereicherung meiner eigenen Entwicklung als Designer. Ich bin gern von anderen Aufgaben gefordert. Interessant ist, dass die meisten dieser Projekte von den Unternehmen an mich herangetragen werden. Und wenn man es genau betrachtet, ist die Entwicklung eines Produkt-Designs nicht so weit von Fashion-Design entfernt. Es geht um Trends, Farben, Materialien, Designsprache und das muss mit der konkreten Zielstellung verbunden werden, die das Produkt oder die Umgebung erfüllen soll. Fashion-Designer sind Seismographen für gesellschaftliche Entwicklungen. Ich befasse mich jedes halbe Jahr neu mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und lasse das in meine Mode einfließen. Offensichtlich macht mich das zum interessanten Gesprächspartner für andere Design-Aufgaben.“

Zum Abschluss eine etwas provokante Frage: In einem Interview mit der „Süddeutschen“ haben Sie gesagt, Sie würden in der unwichtigsten Industrie der Welt arbeiten. Warum liegt Ihnen dann so viel daran, sich selbst in Szene zu setzen? Das vermittelt doch eher das Gegenteil.

„Ich hätte damals auch sagen können, ich arbeite in der wichtigsten Branche der Welt. Für beide Bewertungen finden sich überzeugende Argumente. Mode ist das Unwichtigste, weil es viele wichtigere Dinge gibt in unser aller Leben. Mode ist das Wichtigste, weil Fashion das einzige Produkt ist, dass die Persönlichkeit eines Menschen so direkt unterstützt und darstellt. Und ich rede hier nicht von Mode als Statussymbol wie ein Auto. Was mich als Person betrifft. Nun, ich bin der Designer, der Kreator meiner Produkte. Ich bin das Gesicht zum Label und darauf sehr stolz.“

Vielen Dank für das Interview!

Fanny Bock