„Das sind eher Männerphantasien“

  /  12.01.2012

Nora Tschirner prescht gerade gemeinsam mit Elyas M’Barek in „Offroad“ über die Kinoleinwände. Im Interview erzählt die Schauspielerin, was sie an ihrer Filmfigur bewundert, warum beim Dreh Flaschen flogen und weshalb Motorrad und Lederhose noch lange keine toughe Frau ausmachen.

Nora Tschirner und Elyas M'Barek

Als Meike Pelzer bricht Nora Tschirner in „Offroad“ aus ihrem öden Provinzleben in Geilenkirchen aus – dank eines ersteigerten Jeeps, 50 Kilo Kokain und der Untreue ihres Freundes. Nach Elyas M’Barek traf unsere Redakteurin Kristina Arens auch Nora im Berliner Marriot Hotel zum Interview.

Nora, warum hattest du Lust auf ein Roadmovie?

„Wenn ich ein Drehbuch lese, schaue ich gar nicht darauf, um was für ein Genre es sich handelt. Viel wichtiger ist, ob mich die Figur, die ich verkörpern soll, anspricht. Oft stellt man ja auch beim Dreh oder Schnitt fest, dass es sich doch um ein ganz anderes Genre handelt als vielleicht anfangs gedacht. Bei ‚Offroad’ hatte ich einfach Lust auf die Rolle der Meike, die den Mut hat, eine Krise als Chance zu sehen.“

Gab es in deinem Leben auch schon mal einen Punkt, an dem du einfach alles hinter dir lassen wolltest?

„Kurz vor meinem Abitur hätte ich das ziemlich gerne getan (lacht). Aber im Endeffekt habe ich es doch durchgezogen und bin bis jetzt noch nicht wieder an einen solchen Punkt gekommen.“

Fiel es dir als waschechte Berlinerin schwer, dich in eine Figur einzufühlen, die aus der tiefsten Provinz – Geilenkirchen – kommt?

„Auch wenn ich das Kleinstadtleben gar nicht kenne, fiel es mir recht leicht, mich in Meike hineinzuversetzen. Ich habe mich aber trotzdem, wie ich es immer tue, sehr dahinter geklemmt. Zum Beispiel hatte ich bei der Wahl von Kostüm, Schminke und Haarfarbe meine Finger im Spiel und habe für eine Vogelschussszene, die leider gar nicht mehr vorkommt, Schießunterricht genommen. Aber generell glaube ich sowieso, dass in der Provinz die konsequentesten Freigeister leben können, genauso wie in der Großstadt die absoluten Spießer, Kleinbürgerlichkeit findet eher in den Köpfen der Menschen statt.“

Neben Geilenkirchen wurde ja auch viel in Berlin gedreht. Hast du die Stadt dabei noch einmal von einer anderen Seite kennengelernt?

„Mir ist ganz extrem aufgefallen, wie unterschiedlich die Menschen in den beiden Städten auf einen Filmdreh reagieren. Während sich die Leute in Geilenkirchen unglaublich gefreut haben und zum Beispiel bei der Schützenfest-Szene sofort bereit waren mitzumachen, fliegen in Berlin eher schon mal Flaschen aus den Fenstern, weil wir die Parkplätze mal wieder blockiert haben. Für die Geilenkirchener war es natürlich etwas Außergewöhnlicheres, das dort ein Film gedreht wird. In Berlin habe ich mich aber darüber gefreut, ein paar Stellen zu entdecken, die ich noch nicht kannte, zum Beispiel die Imbissbude oben auf dem Parkdeck, die im Film vorkommt.“

Anna Gotzlowski in „Keinohrhasen“ und „Zweiohrküken“ ähnelt Meike Pelzer in „Offroad“ vom Typ her ja schon sehr. Wie kommt es, dass du gerade diese Art Frau öfter verkörperst und nicht mal einen „Männer-Typ“ wie Sarah (Nele Kiper)?

„Es geht nicht um Männer-Typ oder nicht. Und Sarah ist eine coole Rolle. Aber das ist eine Ausnahme bei Figuren, die extra besonders hübsch zurechtgemacht sind. Je mehr Risse beziehungsweise Ecken und Kanten eine Figur hat, desto mehr habe ich als Schauspieler zu tun, und dann verkörpere ich einfach lieber eine verpeilte, natürliche Frau als einen langweiligen Vamp. Außerdem ist es natürlich ein zusätzlicher Stressfaktor, wenn ich beim Dreh immer darauf achten muss, dass meine Haare perfekt sitzen oder die falschen Wimpern noch richtig kleben. Wenn also die inhaltliche Grundlage für das Geschniegeltsein fehlt, binde ich mir diesen Klotz nicht freiwillig ans Bein.“

Würdest du denn gerne mal in einer richtig toughen Frauenrolle in einem ganz anderen Genre mitmischen, wie beispielsweise in einem Thriller?

„Klar. Es gibt nur leider in diesem Bereich nicht unendlich viele Drehbücher, in denen spannende Frauenfiguren vorkommen. Aufgesetzte ‚Toughheit’ einer Figur wird dann gerne lediglich dadurch dargestellt, dass sie Motorrad fährt, Lederhosen trägt und grimmig guckt – das sind ja eher so Männerphantasien. Den Figuren fehlt oft die Tiefe, anders als zum Beispiel bei einer Lisbeth Salander in ‚Verblendung’. Sie macht zwar auch all diese Dinge, aber das ist es nicht, was sie ‚tough’ und spannend macht, sondern ihr Charakter.“

Dann viel Erfolg weiterhin und besten Dank für das Interview!

Kristina Arens