Grüner geht’s kaum

  /  23.04.2014

Nachhaltigkeit – ein unbestreitbar wichtiges Thema. Aber mit der Zeit ist aus dem „Wir retten die Welt“-Gedanken ein Mode-Dschihad geworden. Ein Kommentar von Lara Schotten…

Man erlangt das Gefühl, wer heutzutage nicht bei Veganz oder Alnatura einkauft respektive darüber spricht, der ist per se schon einmal ein Umweltverschmutzer. Einem ähnlichen Anspruch scheint mittlerweile auch die Fashion-Industrie zu folgen, wodurch die einstige Nachhaltigkeitsthematik immer mehr zum hohlen Mainstream-Wahn mutiert, statt weiterhin dem substantiellen Eco-Fashion-Gedankengut anzugehören. So wurde aus dem einstigen „Save the world“-Mantra eine Art Mode-Krieg: die grünen Fanatiker plus überzeugte Greenhorns gegen den Rest, der die Frechheit besitzt, noch Produkte von Ketten wie Kik & Co. zu konsumieren und denen die Welt folglich quasi egal ist.

Was diese Fanatiker nicht bedenken, Greenhorns nicht wissen und dem Rest, wie bereits fälschlicherweise geschlussfolgert, egal ist – in der Mode gilt wie schon beim Bio-Gemüse: Grün ist vielfach nur der Anstrich, Greenwashing das frugale Instrument erprobter Marketing-Verantwortlicher. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch der aktuelle „FeelGoodFashion Report 2014“, laut dem das Thema Nachhaltigkeit bei einem Drittel der Unternehmen nicht von substantieller, sondern von vorrangig kommunikativer Bedeutung ist. Wahrlich gibt es auch Marken, die Anforderungen diverser Gütesiegel erfüllen und für die die Einhaltung der Verhaltenskodizes ein zentral zu beachtender Aspekt ist, so gesehen bei Armedangels, Bleed Organic Clothing, Freitag oder Nudie Jeans. Die wenigsten Unternehmen aber werden konkret, wenn es um das Gesamtverhältnis geht. Lediglich knapp 3% aller im Zuge der Studie untersuchten Firmen verwenden zu 100% umweltfreundliche Rohstoffe, woher der Rest kommt? Kein Kommentar. Wie es produziert wurde? Stillschweigen. Ist ein T-Shirt aus Bio-Baumwolle, aber unter denselben widrigen Bedingungen entstanden wie die günstigere Alternative – wem hat der Konsument mit dem Kauf dann einen Gefallen getan? Der Pflanze? Dem Pflücker, der Bio- statt herkömmlicher Baumwolle pflückt? Im Ansatz löblich, in der Ausführung dürftig. Das Attribut hochwertig, bei dem die Qualität des Produktes gedanklich eng mit dem Nachhaltigkeitsgedanken verknüpft wird, ist in der Realität leider wie so oft: mehr Schein als Sein.

Der Punkt ist doch der: die Industrie offeriert dem Kunden ein Kleidungsstück, das dieser, weil es als „grün“ etikettiert ist, guten Gewissens kauft. Dabei ist es aber nicht unbedingt auch genau das. Ein richtiger und wichtiger Ansatz bei der Kaufentscheidung für Eco-Fashion sind bereits bestehende Zertifikate wie Gots, Fairtrade, Öko-Tex 100 oder IVN Best, die sich mit verschiedenen Bereichen der Produktion befassen und die Firmen für den Gebrauch natürlicher Materialien, faire Arbeitsbedingungen oder chemikalienfreie Prozesse auszeichnen. Denn erst, wenn sich dort, am Fundament, langfristig etwas verändert, können auch die folgenden Zahnräder weiter in diese Richtung arbeiten. Zurück bleibt allerdings die Frage, warum es den Unternehmen stattdessen zunehmend wichtiger ist, Nachhaltigkeits-Kampagnen zu launchen und grüne Fahnen zu schwenken, anstatt das Geld in umweltbewusstere, nachhaltigere und energieeffiziente Entwicklungsalternativen zu stecken?  Schließlich haben sich Taschen aus LKW-Planen, Jeans aus recycelten PET-Flaschen oder Mode aus Bananenfasern für Allergiker bereits bewährt. Für viele Unternehmen gilt jedoch: Erst, wenn alles großspurig publik wurde, wenn das Thema Nachhaltigkeit in ausreichendem Maße zum Mainstream-Trend avanciert ist, um den Handlungsbedarf im Hintergrund zu übertönen, bleibt immer noch Zeit, am Wahrheitsgehalt des Etikett-Aufdrucks zu basteln. Und bis dahin schicken sie die Fanatiker und Überzeugungstäter an die Front, während andere, wie Aphoristiker Oliver Tietze so treffend schrieb, „aus dem Holz des letzten Baumes […] Papier für ein neues Naturschutzgesetz“ machen.

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