„Wir sind die perfekte Band“
/ 16.11.2012Einem breiten Publikum dürften sie durch ihre Teilnahme am Bundesvision Song Contest bekannt geworden sein, bei dem sie den dritten Platz belegten: Ich Kann Fliegen. Im Interview erzählen Paul und Niklas von Veränderungen, nebenberuflichem Schnüffeln und roten Hosen.
Nikolas, Paul, Niklas und Bill sind eine „Feuerwerksband“, sagt Nikolas – jeder Song soll knallen. Geknallt hat es auch beim Bundesvision Song Contest, im positivsten Sinne: Die vier Jungs von Ich Kann Fliegen sicherten sich den dritten Platz, haben gerade ihr Debütalbum veröffentlicht und sind auf ihrer ersten eigenen Tour unterwegs. Berlin durfte auf der Liste natürlich nicht fehlen und dort trafen wir Paul (Gesang und E-Gitarre) und Niklas (Bass) zum Interview.
Was hat sich seit eurer Teilnahme beim Bundesvision Song Contest verändert?
Niklas: „Die Facebook-Fans und unsere Ticketvorverkäufe sind gestiegen, aber ansonsten eigentlich nicht viel. Bei uns Zuhause in Hannover sind die Leute sehr tiefenentspannt und wir können nach wie vor ganz normal über die Straße gehen. Nur am Tag direkt nach dem Song Contest fand ein kleiner Umzug statt – es wurde gegrüßt, gewunken und applaudiert, so was freut uns natürlich.“
Niklas, du bist Diplom-Meteorologe, Paul, du studierst Physik und Mathe auf Lehramt – außerdem arbeitet ihr für einen Geruchsgutachter? Was hat es damit denn auf sich?
Niklas: „(Lacht) Ja, das stimmt, bei einer Umweltfirma. Es gibt Computer, die Gestank berechnen und ab und zu muss das kontrolliert werden. Also wird beispielsweise in Ställen die Luft aufgesaugt, die man anschließend zu viert in einem Raum in verschiedenen Verdünnungsstufen präsentiert bekommt. Sobald man etwas riecht, drückt man auf einen Knopf und dann wissen die damit etwas anzufangen. Dort arbeiten auch Meteorologen, nur zur Erklärung, wie wir darauf gekommen sind.“
Das ist auf jeden Fall mal ein außergewöhnlicher Nebenverdienst… Zurück zu eurer Band: Eines eurer Vorbilder ist Jimmy Eat World. Früher habt ihr auch auf Englisch gesungen, habt dann aber mal gesagt, das sei nicht mehr „zeitkonform“ – warum?
Paul: „Es ist einfach so, dass wir uns auf Englisch nicht so ausdrücken konnten, wie wir es gerne getan hätten. Unsere Texte sind meist sehr persönlich und irgendwann hat man auf Englisch alle Platituden durch. Das Schöne ist aber, dass wir uns jetzt alte Lieder auf Englisch anhören und uns sehr darüber amüsieren können.“
Habt ihr denn trotzdem auch deutschsprachige Vorbilder?
Niklas: „Bei den amerikanischen Bands ist es eher so, dass uns die Texte und Themen gefallen, bei deutschen Bands gucken wir uns gerne mal etwas von der Bühnenshow ab. Wir waren unter anderem ja schon mit Jennifer Rostock, Fertig, Los! und Bakkushan unterwegs, da bekommt man einiges mit, aber direkte Vorbilder haben wir eigentlich nicht.“
Mit deutschen Songs ist es natürlich schwerer, auch im Ausland durchzustarten.
Paul: „Das stimmt. Wir waren bis jetzt zwar schon mit Jennifer Rostock in Österreich unterwegs, aber ich hoffe immer noch auf das Goethe Institut. Das veranstaltet ja des Öfteren Konzertreisen von deutschen Bands in Ausland, um sich für die deutsche Sprache einzusetzen. Schön zehn Tage auf Kosten des Staates in der Karibik verbringen, das wäre doch mal was.“
Eure Single „Mich kann nur Liebe retten“ wurde von Annette Humpe geschrieben – gibt es andere Künstler, mit denen ihr gerne mal zusammenarbeiten würdet?
Paul: „Wir sind heute schon recht nah dran, wir spielen im Comet Club und im Magnet nebenan spielen The Used, da bilde ich mir schon etwas drauf ein (lacht). Ansonsten gibt es viele amerikanische Bands, bei denen es uns eine große Ehre wäre, sie kennen zu lernen oder mit ihnen zu spielen, aber musikalisch sind die meisten doch ziemlich weit weg von unserer Musik, man müsste sich dafür schon auf größeren Festivals treffen. Vor Urzeiten haben wir mal bei einer unserer ersten größeren Support Shows mit Sportfreunde Stiller in Jena gespielt, den Helden unserer Jugend, so was ist natürlich schon ziemlich cool.“
Niklas: „Wünsche, wer für uns einen Song schreiben soll, habe ich persönlich nicht. Mit Annette Humpe hat das super geklappt und ‚Mich kann nur Liebe retten’ passt total zu uns, aber eigentlich schreiben wir ja alle selbst ganz gerne.“
Paul: „Wir sind die perfekte Band (lacht).“
Ihr schreibt eure Songs selbst und seid alle daran beteiligt. Hat dabei jeder seine speziellen Lieblingsthemen?
Paul: „Klar, Niklas für Hass, ich für Liebe (lacht). Nee, eigentlich schreibt jeder immer darüber, was ihn gerade beschäftigt.“
Niklas: „Und ich glaube, es gibt auf dem Album nicht einen Song, in dem es nicht irgendwie um Liebe geht.“
Eure aktuelle Tour ist eure erste Headliner-Tour, was hat sich verändert? Bislang habt ihr bei Support-Reisen zum Beispiel immer in WGs übernachtet und seid selbst gefahren, oder?
Niklas: „Stimmt, während der Tour mit Jennifer Rostock haben wir einmal im Hotel, einmal in einer Jugendherberge und sonst immer bei jemandem, der jemanden kennt, geschlafen. Letzteres ist ganz cool: Beim ersten Konzert, in Graz glaube ich, war direkt eine Riesenparty in einer Schauspieler-WG, das Konzert am nächsten Tag mussten wir also direkt mit ’nem Kater spielen. Jetzt schlafen wir in Hotels, das hat natürlich auch seine Vorteile. Ansonsten hat sich die Crew etwas vergrößert – das sind alles Kumpels von uns. Eigentlich haben wir die hauptsächlich mitgenommen, damit sie uns fahren können, das klappt aber leider nicht so richtig (lacht).“
Paul: „Wir fahren also immer selbst, immer der, der gerade nicht getrunken hat (lacht).“
Passend dazu habt ihr mal gesagt: „Wir sind keine Kinder von Traurigkeit. Wer nach dem Auftritt mit uns feiern will, der kommt bestimmt auf seine Kosten.“ Gut zu wissen…
Paul: „(lacht) Wir feiern nach den Auftritten schon meistens noch, in der Regel kennt man ja ein paar Leute in den verschiedenen Städten, mit denen ziehen wir dann los.“
Auftritte mit Kater – da gibt’s doch sicher mal die eine oder andere Panne…
Paul: „Ja, manchmal selbst verschuldet, manchmal nicht. In Magdeburg ist mal die komplette Anlage ausgefallen, der Strom war wahrscheinlich mit der Pommesbude nebenan verbunden. Wir mussten uns also schnell entscheiden, ob wir von der Bühne gehen oder einfach so weiter machen. Letzteres haben wir dann getan und den Leuten hat es glücklicherweise trotzdem gefallen. Wir sind wie gesagt die perfekte Band (lacht).“
Niklas: „Ansonsten ist Bill, unser Schlagzeuger, mal von der Bühne gefallen – er ist immer weiter zurückgegangen und zack – auf einmal war er weg. Und ich bin nachts in Bochum bei einem Freund – nach einem Bier zu viel – über das Fernsehkabel gestolpert. Zum Glück war’s nur ein alter Röhrenfernseher, den ich so zerlegt habe. Ich glaube, er war eigentlich ganz froh, dass er sich endlich einen neuen zulegen konnte.“
Auf eurer Page steht, dass „Fliegen“ in eurem Namen ziemlich nah an Fliehen ist, also auf der einen Seite Aufbruchsstimmung, auf der anderen das Gefühl, einen Teil von sich zurück zu lassen – welche Teile von euch habt ihr im Laufe der Zeit hinter euch gelassen?
Paul: „In Leipzig haben wir mal ein Mikro zurückgelassen. Nein, ernsthaft, vielleicht die Aufregung – wir sind älter und entspannter geworden. Und wir haben gelernt, auch mit Rückschlägen umzugehen und optimistisch zu bleiben. Wir harmonieren zu viert ziemlich gut, meckern gemeinsam und dann wird das schon wieder.“
Im September hattet ihr einen Auftritt bei „GZSZ“ – habt ihr generell auch Interesse an der Schauspielerei?
Niklas: „Wir haben dort nur zwei Songs performt, die in die Handlung eingebunden wurden: Ein Mädchen ist nach Amerika ausgewandert, ein richtiges Abenteuer, und dann hieß es ‚Und jetzt kommen Ich Kann Fliegen und spielen Abenteuer’ (lacht). Aber richtig schauspielern? Das will keiner sehen.“
Paul: „Nico und ich haben schon mal in einem kurzen Film mitgespielt – das ist jetzt eine kleine Rechercheaufgabe, mal schauen, wer den im Internet findet. Niko hat allerdings nicht allzu viel Talent. Bei den Videodrehs hat er immer diesen ‚LKW-Blick’, er guckt wie ein Auto. Aber wenn Anfragen kommen – ich lese mir sehr gerne alles durch.“
Singen, schauspielern – viele gründen dann ja noch ein eigenes Label…
Paul: „Das eher nicht, aber ich glaube, ich bin zumindest ganz gut im Klamotten aussuchen…“
Niklas: „Ich finde es immer total gut, wenn man bei Videodrehs ein, zwei Stylisten an seiner Seite hat, man zieht die Sachen an und ist überrascht, dass sie tatsächlich gut an einem aussehen. So bin ich zum Beispiel zu einigen neuen roten Hosen gekommen, bei denen ich selbst nie auf die Idee gekommen wäre, sie mir zu kaufen. Sonst tragen wir ja alle eher schlichte Jeans und T-Shirts.“
Also eher untypisch Berlin und typisch Hannover? Ihr habt mal gesagt, Hannover sei nicht so aufgesetzt wie unsere Hauptstadt und ihr seid eher bodenständig…
Niklas: „Ja, unsere Plattenfirma sitzt zwar in Berlin, deshalb haben wir schon auch mal überlegt, hierher zu ziehen, aber auf Dauer wäre uns das einfach zu anstrengend. Wir sind zwischendurch immer wieder gerne hier, aber alleine die weiten Wege… Wenn man Berliner fragt, wie weit es von A nach B ist, heißt es meistens fünf Minuten – das bedeutet in der Regel, dass man noch ’ne Null dranhängen kann.“
Euer erstes Album ist zwar gerade erst herausgekommen, aber ihr habt ja während der letzten Jahre bereits 50 Songs geschrieben. Da sind doch sicher genug für ein zweites Album dabei, oder? Nicht, dass wir wieder sechs Jahre warten müssen…
Paul: „(lacht) Auf keinen Fall. Wir wollen im nächsten Jahr wieder ins Studio zu gehen und die zweite Platte aufnehmen.“
Viel Erfolg dabei und besten Dank für das Interview!