„Wenn jemand eine Puppe möchte, bin ich der Falsche“
/ 23.10.2014Nachdem Kostja Ullmann und Aylin Tenzel Redakteurin Kristina Arens bereits Rede und Antwort standen, war auch Ken Duken beim Interview zum neuen Film „Coming in“ um keine Antwort verlegen, als es um Antrieb, die richtige Balance, seine Mutter und unsere Gesellschaft ging.
„Wenn ich keine Angst habe, möchte ich es nicht machen; ich werde immer auch ein wenig von Angst angetrieben“, hast du einmal gesagt. Inwiefern war das bei „Coming in“ der Fall?
„Das ist ein komplexes Thema… Ich habe als Jugendlicher immer das Risiko gesucht, beispielsweise beim Snowboard fahren: je höher, je weiter der Sprung, desto mehr Kick. Und je mehr vorher diese Anspannung – die man auch als Angst beschreiben könnte, was aber immer so negativ klingt – da war, desto sicherer bin ich gelandet. Das lässt sich dann auch übertragen; wenn ich super happy war, hieß es häufig auf einmal ‚Bäm, gegen die Wand’. Bei meinen Rollen ist das ganz ähnlich – wenn man sich immer in seiner Komfortzone bewegt, kommt man einfach nicht weiter. Mich hat es immer schon gereizt, von der einen auf einmal wieder in eine komplett andere Richtung zu gehen und ich glaube, besser gelungen als von ‚Northmen – A Viking Saga’ zu ‚Coming in’ ist mir das noch nie (lacht).“
Wie wichtig ist dir diese Balance zwischen großen, meist ausländischen Produktionen und deutschem Kino oder Fernsehen?
„Ich entscheide bei Projekten immer nach der Figur! Das heißt, ich spiele lieber auch mal in kleineren Produktionen mit, wenn mich die Rolle intuitiv reizt. Ich glaube, der Trend geht auch immer mehr in diese Richtung, schaut man sich zum Beispiel mal an, wie viele große Hollywood Stars mittlerweile in Serien mitspielen, weil sie dort plötzlich Figuren (weiter)entwickeln dürfen, Twists machen können, die man in einem 100 Minuten-Film einfach nicht machen kann…“
Du drehst sehr viel im Ausland, neben Englisch auch in Sprachen wie Italienisch, Norwegisch oder Französisch. Inwieweit beeinflusst das deine Arbeit hierzulande?
„Ich habe früher hier ja ein wenig den Ruf gehabt, dass ich die Öffentlichkeit eher meide und selten an die Presse gehe – das hat zwei Gründe: Zum einen habe ich eben viele Filme gemacht, die ausschließlich im Ausland sehr erfolgreich waren und zum anderen ist es so, dass viele Medien bestimmte Dinge verlangen oder verlangt haben, die du gar nicht liefern kannst oder möchtest. Mir fehlte der Erfahrungswert, darüber zu stehen und so zu sein, wie ich bin. Meine Familie zum Beispiel ist mir das Wichtigste und genau deshalb möchte ich beispielsweise nicht über eine Beziehung in die Öffentlichkeit treten. Teile bekommt diese natürlich mit, wenn zwei Schauspieler eine Beziehung führen, aber meine Arbeit soll im Fokus stehen.
Bei Filmfestivals sieht man immer wieder, dass der Ruf von Deutschland im Ausland häufig viel besser ist, als man denkt. Es kommt eben darauf an, wie man mit einem Film an die Öffentlichkeit geht. Einige Male habe ich schon gehört ‚Wir haben so viel und so gute PR gemacht’ und dann hat nicht einmal meine Mutter mitbekommen, dass der Streifen jetzt läuft – und ihre Awareness über meine Projekte ist ziemlich hoch (lacht). Das ist manchmal schade, weil ich glaube, dass viel mehr deutsche Produktionen das Potenzial hätten, auch woanders erfolgreich zu sein.“
Zurück zu deinem aktuellen Film „Coming in“ – was hat dich an der Figur „Robert“, dem Manager und Lebensgefährten von Tom Herzner alias Kostja Ullmann, gereizt und wo lagen die Schwierigkeiten?
„Um bei ‚Coming in’ keinen Klischees zu erliegen, muss man mit ihnen spielen und zudem den Mut haben, sich selbst zu vertrauen. Ich habe mit Marco [Anm. d. Red.: Kreuzpaintner, Regisseur] darüber gesprochen, dass es bei dem Film in vielen Schwulenkreisen als Angriff gesehen werden könnte, dass sich ein schwuler Hauptdarsteller in eine Frau verliebt. Wir erzählen aber schlicht und einfach eine Liebesgeschichte. Bei der Figur ‚Robert’ war es mir deshalb auch sehr wichtig, dass er ein Sympath ist. In der ersten Drehbuchfassung war das anders, es gab unter anderem Situationen, in denen er hier und da rumf**** und ich habe mich gefragt, ob wir wirklich rechtfertigen müssen, dass sich unser Hauptdarsteller in eine Frau verliebt, in dem wir seinen Partner als Arschloch darstellen?“
Was dann im Endeffekt ja nicht der Fall war…Hattest du Einfluss auf diese Figur-Änderung, hast du mit daran gearbeitet?
„Ich glaube, gute Regisseure fordern diese Arbeit. Wenn jemand eine Puppe möchte, an deren Fäden er ziehen kann, bin ich der Falsche; ich stelle mich aber auch nicht hin und will mich um jeden Preis selbst verwirklichen. Man muss sich die Frage stellen, wie man die Vision des Regisseurs umsetzen und dennoch seinen eigenen Weg darin gehen kann.“
Während des Drehs haben unter anderem Kostja und du bei der Mundpropaganda-Kampagne der GQ gegen Homophobie mitgemacht…
„Genau. Ich habe immer gedacht, dass unsere Gesellschaft viel offener und freier ist als sie es wirklich ist. Für die Kampagne habe ich mich instinktiv entschieden, um ein Statement zu setzen, und im Laufe der Zeit habe ich gemerkt, wie groß die Problematik immer noch ist. Das war mir vorher gar nicht so bewusst. Im Nachhinein ist es doch eigentlich schade, dass man eine solche Kampagne überhaupt machen muss...“
Viel Erfolg weiterhin und besten Dank für das Interview!