„Nach der letzten Oben ohne-Szene…“

  /  05.10.2019

Schauspieler Jannik Schümann, ab dem 10. Oktober 2019 in einer Hauptrolle im Film „Dem Horizont so nah“ zu sehen, spricht im Interview über erste Dates, Role Models, seine Familie, die Backstreet Boys und Tequila Soda.

Jannik Schümann

Jannik Schümann und Luna Wedler in „Dem Horizont so nah“

Jannik Schümann und Luna Wedler in „Dem Horizont so nah“

Jannik Schümann und Frederick Lau in „Dem Horizont so nah“

Jannik Schümann in „Dem Horizont so nah“

Jannik Schümann mit Redakteurin Kristina Arens

Jannik Schümann spielt im am 10. Oktober 2019 in die Kinos kommenden Film „Dem Horizont so nah“, der Verfilmung des autobiografischen Bestsellers und Erstlingsromans von Jessica Koch, den schwer traumatisierten Danny, Jessicas großer Liebe. Als Danny Jessica, gespielt von Luna Wedler, die Türen zu seiner düsteren Vergangenheit öffnet, glaubt sie fest daran, ihre Liebe retten zu können. Doch sie muss sich bewusst machen, dass eine Zukunft mit ihm nie eintreffen kann… Jannik verrät im Interview, warum Jessica Koch in seinen Augen ein starkes Role Model ist, wie ein optimales erstes Date für ihn aussieht und welche negativen Erfahrungen er mal in L.A. gemacht hat.

Jannik, der Film beruht auf einer wahren Geschichte – geht man als Schauspieler dann anders an die ganze Sache heran als wenn ein Film reine Fiktion ist?

„Also an die Vorbereitung eigentlich nicht, man hat aber einen anderen Respekt vor der Rolle. Ich habe Jessica Koch im Vorfeld in München getroffen und war schon sehr nervös, weil man ihr die Story ja nicht zerstören möchte und sich wünscht, dass ihr der Film am Ende gefällt. Und das tut er. Sie hat mir danach ganz süß geschrieben, dass sie ihn sehr mag und sehr berührt war.“

Würdest du dem Filmzitat „Es kommt nicht darauf an, wie lange man liebt, sondern nur wie tief“ zustimmen?

„Ja! Mir würde schon öfter die Frage gestellt, wie ich mich entscheiden würde, das kann ich dir nicht sagen. Aber ich finde, dass Jessica ein wahnsinnig starkes Role Model ist, auch für junge Mädchen. Sie hört auf ihr Herz und nicht auf den Verstand oder darauf, was andere Leute ihr sagen. Sie entscheidet sich für die Liebe, was ich sehr stark finde und sehr schön. Manchmal sind tiefe, kurze Begegnungen so wertvoll, dass man sie das ganze Leben lang nicht vergisst.“

[Wer das Buch noch nicht gelesen und den Film noch nicht gesehen hat: Vorsicht, Spoiler!]

Jessicas und Dannys erstes Date startet ziemlich fancy, mit Chauffeur und Champagner. Wie sieht denn ein optimales erstes Date im echten Leben für dich aus?

„Im Optimalfall mit einem Gösser an der Admiralsbrücke (lacht).“

Jessica zieht im Film nach sehr kurzer Zeit zu Danny, bist du auch schon mal so schnell mit jemandem zusammengezogen? Und war das eine gute Idee?

„Ich habe schon mit verschiedenen Leuten zusammengewohnt und auch nach kurzer Zeit, aber das habe ich nie bereut. Auch wenn unsere Wege dann hin und wieder auseinandergingen, war es immer irgendwie eine schöne, wichtige Zeit und für den Moment genau richtig.“

Danny, der ja auch als Model arbeitet, wird einmal gefragt: „Was machst du eigentlich mal, wenn du alt und hässlich bist? Hast du dir diese Frage selbst auch schon mal gestellt?

(lacht) Nee, also so habe ich mir die Frage noch nicht gestellt. Ich hab mich aber schon gefragt, was ich mal mache, wenn ich alt bin...“

Und wie lautet die Antwort?


„In meiner Wunschvorstellung mache ich immer noch das, was ich jetzt mache, schauspielern. Ich hab mich aber z.B. noch nicht entschieden, wie ich wohnen werde, ob ich zurückgehe aufs Land, wo meine Familie ist oder ob ich weiterhin in der Stadt wohnen möchte, um nah am Leben zu sein. Aber alt ist natürlich auch etwas, was man definieren müsste…“

Passend zum Thema Schönheit – ich habe gelesen, dass du 2017 viele Filmabsagen bekommen hast, weil du zu schön seist. Man würde dir Leid nicht abnehmen, weil das Leben mit einem Aussehen wie deinem ja nicht so hart sein könne. Ich finde, man nimmt dir dein Leid im Film total ab! Ich hoffe, das sehen mittlerweile auch viele andere so?

„Ja, das war echt ziemlich schade und auch der Grund, warum ich angefangen habe zu studieren. Ich wollte mal selbst entscheiden, was ich mache und nicht darauf angewiesen sein, dass man mich bucht. Aber ich glaube, durch meine Rolle in der Serie ‚Charité‘ hat sich diese Meinung schon etwas geändert und durch den Film wird sie sich hoffentlich noch weiter ändern...“

Studierst du denn aktuell noch Anglistik und Medienwissenschaften? Bringt dir der Abschluss was?

„Ja, ich habe jetzt aber erst drei Semester fertig. 2017 habe ich angefangen, dann habe ich das Winter- und Sommersemester studiert und auch die Prüfungen geschrieben. Letzten Winter habe ich gedreht und konnte nicht. Das Studium ist super für mich und macht Spaß, aber die Schauspielerei steht natürlich an erster Stelle. Dieses Sommersemester war ich wieder an der Uni und jetzt bis Weihnachten drehe ich wieder. Also ich habe dann vielleicht 2030 meinen Abschluss (lacht). Aber mir geht es ja eher darum, dass ich die drehfreie Zeit sinnvoll nutzen kann.“

Wie würdest du denn deine Zeit sinnvoll nutzen, wenn du wie Danny die Diagnose bekommen würdest, nur noch drei bis 15 Monate zu leben?

„Das kann man sich gar nicht vorstellen… Die Frage ist schon komisch zu beantworten, aber mit Sicherheit würde ich versuchen, so viel Zeit wie möglich mit meinen Lieben zusammen zu sein. Und ich würde reisen, die Welt entdecken und dabei mal nicht aufs Geld achten. Ich hätte eine Bucket List mit Ländern, zum Beispiel würde ich total gerne nach Peru und dann weiter runter nach Argentinien und Patagonien. Das wäre ja alles auch so noch umsetzbar, aber was man eventuell nicht machen würde – ich würde extrem gerne mal eine Bootsfahrt zur Antarktis machen, von Patagonien aus. Aber das ist so extrem teuer, dass man das nicht einfach so mal macht.“

Wo es gerade um Orte geht – es gibt eine Filmszene, in der Danny an einem Strand ist, an dem er als Kind immer war, dort sei „noch alles gut“ gewesen – hast du auch so einen Ort?

„Ja, bei mir Zuhause! Ich hatte eine unfassbar schöne Kindheit, ich habe zwei Brüder und wir haben einen super engen Familienzusammenhalt, ich habe auch tolle Nichten und Patenkinder. Meine Familie wohnt auf dem Land und das ist der perfekte Ausgleich zur Stadt. Wenn ich da bin, kann ich irgendwie durchatmen. Dann muss ich aber auch nach drei, vier Tagen wieder zurück, sonst fällt mir die Decke auf den Kopf. Mein Bruder ist gerade hier in Berlin; heute Morgen um 7 Uhr wurde mir meine kleine Nichte auf den Bauch gelegt (lacht).“

Dannys Leben ist ja ganz anders als auf den ersten Blick scheint. Kennst du selbst Leute, die im Endeffekt ganz anders sind als du zuerst dachtest?

„Ja, im Positiven, bei einer sehr engen Freundin. Ich habe sie über den Job kennengelernt, wir sind jetzt seit zwei Jahren befreundet und von ihr erfahre ich immer noch so essenziell wichtige Dinge, dass ich mich immer wieder frage ‚Wieso konntest du mir das nicht in der ersten Woche erzählen?!‘ (lacht). Und ein negatives Beispiel gibt es auch: Ich habe mal eine Freundesgruppe kennengelernt, als ich vier Wochen im Urlaub war und fand deren Leben einfach nur geil. Dann bin ich ein Jahr später nochmal hingefahren und da habe ich die Schattenseite mitbekommen. Das waren eigentlich total gesattelte Menschen in L.A. – also ich bin noch totale Drogenjungfrau, ich verurteile das gar nicht, aber wenn Menschen beim Feiern immer wieder auf der Toilette verschwinden, finde ich das irgendwann wahnsinnig uncool. Das hatte ich beim ersten Mal gar nicht mitbekommen. Eigentlich bestand deren Leben nur aus Arbeit, damit sie viel Geld verdienen und dann ist das deren Ausgleich. In L.A. ist die ganze Körperkultur ja noch mal anders und der Druck höher. Es wurde eigentlich auch nur Tequila Soda getrunken, weil alles andere zu viele Kalorien hat. Ich fand das alles ziemlich schlimm…“

Im Film boxt du, hast du das vorher schon gemacht?

„Nein und das war auch nicht meins (lacht). Ich musste zwei Mal die Woche trainieren, das war insgesamt eine Extremsituation für mich. Ich hatte ein halbes Jahr einen Personal Trainer, der mir den absurdesten Essensplan zusammengestellt hat. Jeden Tag habe ich Essen geschickt bekommen, das hing einem irgendwann aber zum Halse raus. Die ersten Monate war die Muscle Phase, mit 4.000 Kalorien am Tag und dann durfte ich keine Kohlenhydrate mehr essen, keine Früchte und keine Säfte trinken, wegen des Fruchtzuckers. Nach der letzten Oben ohne-Szene habe ich in der Maske erstmal einen Gin Tonic getrunken (lacht).“

Es gibt zwei Folgeromane, „Dem Abgrund so nah“ und „Dem Ozean so nah“. Sollen diese Bücher auch verfilmt werden?

„Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob man das sehen will; ich habe ja beide Bücher gelesen, weil sie viel Hintergrundwissen zu Danny liefern. Das zweite handelt von Dannys Kindheit, es geht mehr oder weniger 300 Seiten um die Misshandlung. Das dritte handelt von der Vorgeschichte von Dannys bester Freundin  Tina und ihm. Tendenziell wäre das etwas, das man machen könnte, ich habe aber noch nichts gehört…“

„Dem Horizont so nah“ spielt in den 90ern, man sieht Lavalampen, Röhrenfernseher, Nokia-Handys…

„Ja, wir haben morgens in der Maske auch immer unsere 90ies Playlist gehört, mit Waterfalls, All Saints, den Backstreet Boys… richtig gut. Und die Mode ist ja absolut wieder in, ich wollte alle meine Kostüme kaufen, das ging aber leider nicht. Richtig gefreut habe ich mich auch, als ich in einer Szene Gameboy spielen durfte, der echt noch funktionierte, ich habe Tetris gespielt.“

Welche Projekte stehen aktuell bei dir an?

„Alles noch geheim, tut mir leid. Bald fange ich an zu drehen, dann erfährt man sicher mehr.“

Vielen Dank für das Interview!

Kristina Arens