„Ich habe keinen Plan“

  /  18.04.2011

„Ehrliche deutsche Pop-Musik“ - mit dieser Headline wird der 21-jährige Tiemo Hauer gerne in Verbindung gebracht. Zu Recht! Im Interview mit 1st-blue erzählt der Stuttgarter, worum es auf seinem Debütalbum geht, wem er gerne den Stinkefinger zeigt und warum er ohne seinen Manager verhungern würde.

Tiemo Hauer mit Gitarrist Matze Franz

Tiemo Hauer mit Redakteurin Kristina Arens

Noch mag der Name Tiemo Hauer nicht jedem ein Begriff sein, das könnte sich aber bald ändern. Der 21-jährige Stuttgarter veröffentlicht nämlich am 29. April 2011 sein Debütalbum „Losgelassen“ und das beinhaltet ziemlich intime, emotionale Songs, für die sich Tiemo von seinem eigenen Leben inspirieren ließ und die wahrscheinlich gerade deshalb so authentisch wirken.

Nachdem Tiemo mit fünf Jahren seine erste Gitarre bekam, anschließend inspiriert durch seine Schwester erste Versuche am Klavier startete, aber zu faul war, Noten lesen zu lernen, und sich in drei verschiedenen Bands als Schlagzeuger ausprobierte, fand er letztlich zurück zum Klavier. Zum Glück – ist dieses Instrument doch mittlerweile zu seinem Erkennungsmerkmal geworden. Seine Debütsingle „Ehrlich glücklich“ veröffentlichte Tiemo im Dezember 2009 und mit seiner zweiten Single „Nacht am Strand“ durfte er bereits Charts-Luft schnuppern. Bevor ich mich abends beim Unplugged-Konzert persönlich von Tiemos Talent überzeugen konnte, traf ich den lässigen, erstaunlich reif wirkenden Singer-Songwriter im Andel's Hotel in Berlin zum Interview.

Tiemo, am 29. April erscheint dein erstes Album „Losgelassen“ - worum geht’s?


„Ich habe das Album nach dem ersten Song benannt, in dem es darum geht, wie es sich anfühlt, plötzlich frei zu sein. Man befindet sich auf einmal in dem Zwiespalt, einerseits glücklich über die neu gewonnene Freiheit zu sein und andererseits einen großen Druck zu verspüren und sich zu fragen, was man aus dieser Freiheit machen soll. Ich hatte zwischendurch ja einen Plattenvertrag mit Universal, den ich aber wieder gelöst habe, da ich mich zu eingeengt gefühlt habe. Danach befand ich mich in genau solch einem Zwiespalt, deshalb habe ich diesen Titel gewählt.“

Du hast deine Erfahrungen mit einer Plattenfirma gerade schon angesprochen. Du machst also alles in Eigenregie – Songs schreiben, produzieren und veröffentlichen. Soll das auch weiterhin so bleiben oder ziehst du es in Betracht, noch einmal einen Vertrag zu unterschreiben?


„Ich möchte auf jeden Fall weiterhin alles in Eigenregie machen. Wie es mit einer Plattenfirma läuft, weiß ich ja jetzt und ich bin mir sicher, dass mir das Ganze alleine viel mehr Spaß macht. Ich habe mehr Freiheiten und kann alles genau so machen, wie ich es möchte.“

Du lässt dich für deine Songs ja von persönlichen Erfahrungen inspirieren. Auf deinem Album spielt das Thema Sehnsucht eine ziemlich große Rolle – ist das richtig? Sind deine Songs eigentlich immer an eine bestimmte Person gerichtet?

„Es ist auf jeden Fall viel Sehnsucht in dem Album verpackt, was daran liegt, dass ich Lieder immer in sehr emotionalen Momenten schreibe. Die Songs sind über einen langen Zeitraum entstanden, deshalb sind sie nicht alle an dieselbe Person gerichtet. Aber sie beschreiben Momente oder Personen aus meinem Leben, die mich bewegt haben.“

In dem Song „Immer weiter“ singst du „Ich geh mit Absicht den Weg, auf den ihr die Steine legt“. Sprichst du damit jemanden bestimmten an?

„Leider gibt es immer Menschen, die kein Verständnis dafür haben, dass jemand nach dem Abitur keine Ausbildung macht und kein Studium beginnt, sondern sich für den Weg entscheidet, den ich gewählt habe. Und diesen Leuten möchte ich mit dem Song in gewisser Weise den ‚Stinkefinger’ zeigen (lacht).“

Deine Songs sind sehr persönlich und du gibst viel von dir preis – ist es auf Konzerten manchmal ein komisches Gefühl, zu wissen, dass so viele Menschen deine Gedanken kennen?

„Eigentlich ist es kein komisches Gefühl, da ich in dem Moment, in dem ich singe, genau das fühle, worum es in dem Song geht. Und genau deshalb mögen die Leute meine Musik, glaube ich. Man macht sich zwar angreifbarer, weil Kritik einen natürlich härter trifft, wenn etwas von Herzen kommt, aber das habe ich mir ja selbst ausgesucht.“

Apropos Kritik, bisher hattest du das Glück, noch nicht mit negativen Schlagzeilen kämpfen zu müssen, oder?

„Direkte Kritik habe ich bisher eigentlich noch nicht bekommen, es gibt aber ein paar Dinge, die ich nicht gerne lese. Ich mag beispielsweise Bezeichnungen wie Herzensbrecher oder Mädchenschwarm nicht, da es dabei nicht um meine Musik geht, was ich schade finde. Ich habe einmal die Headline 'Ehrliches Talent' gelesen, so etwas gefällt mir viel besser.“

Bleiben wir bei Kritik, was sind denn deine Schwächen?

„Ich bin sehr unpünktlich, verschlafe oft, bin ein ziemlicher Chaot und würde wahrscheinlich verhungern, wenn ich meinen Manager nicht hätte (lacht). Dafür kämpfe ich aber auch, wenn ich etwas wirklich will.“

In der Musikbranche werden Künstler ja gerne miteinander verglichen. Welche Vergleiche hast du denn schon gehört und über welche freust du dich am meisten?

„In letzter Zeit habe ich ziemlich oft den Vergleich mit Udo Lindenberg gehört, aber auch Rio Reiser wird recht häufig genannt, was mich sehr freut. Da ich selbst keine Vorbilder habe, gibt es für mich aber eigentlich keinen Vergleich, den ich am liebsten höre. Ich habe dennoch Idole wie zum Beispiel Falco. Diesen Künstler finde ich grandios und bewundere ihn dafür, was er mit seiner Musik geschaffen hat. Ein Vorbild ist er aber nicht, da seine Musikrichtung eine ganz andere ist als meine.“ (Anm. d. Red.: Falcos Einflüsse spiegeln sich in Tiemos Song „Nein“ wider, der ein wenig an Falcos „Jeanny“ erinnert.)

Im Mai gehst du zum ersten Mal auf Tour durch Deutschland – worauf freust du dich am meisten und wovor hast du Angst?


„Ich bin insgesamt sehr gespannt auf die Tour. Meine Band ist auch dabei und wir haben zwar schon einige gemeinsame Auftritte gehabt, waren aber noch nie über einen längeren Zeitraum zusammen unterwegs. Ich glaube, das wird eine super Zeit. Die einzige Angst, die ich habe, ist, womöglich krank zu werden und keine Stimme mehr zu haben.“

Und wie bereitest du dich auf die Tour vor – auch in Sachen Outfit?

„Wir haben zurzeit viele Bandproben und überlegen, wie man die Show noch etwas ausarbeiten könnte, um nicht einfach nur Song für Song zu spielen. Was das Outfit betrifft – ich überlege schon, was ich anziehe, habe aber keine bestimmten Bühnenoutfits und gehe vorher auch nicht extra noch einmal shoppen.“

Du hast gerade deine Band schon angesprochen – wie habt ihr zusammengefunden und sind die Jungs bei allen Auftritten dabei?

„Am Anfang habe ich ja immer alleine gespielt, mittlerweile sind die Jungs aber bei fast jedem Auftritt dabei. Mit Franz, dem Bassisten, habe ich früher schon einmal in einer Punk-Rock-Band gespielt und Marcel, der Keyboarder, ist außerdem mein Co-Produzent.“

Gibt’s ein Ritual, bevor ihr die Bühne betretet?

„Vorher eigentlich nicht, aber nach einem Konzert werden immer alle einmal umarmt.“

Wann standest du denn zum ersten Mal als Sänger auf der Bühne und wo hattest du dein bislang größtes Konzert?

„Meinen ersten Auftritt hatte ich damals bei einem Schulfest, zu dem mich meine Familie überredet hat, nachdem ich ihnen meine ersten selbstgeschriebenen Songs vorgespielt hatte. Entgegen meiner Erwartungen war das Feedback total gut. Übrigens habe ich dadurch auch meinen Manager kennen gelernt, der heute noch an meiner Seite ist. Meinen größten Auftritt hatte ich letztes Jahr im Sommer beim Radiofestival Energy in the Park.“

Erinnerst du dich noch an dein erstes Interview?

„An ein konkretes Gespräch erinnere ich mich nicht mehr. Ich weiß aber noch, dass ich anfangs immer wahnsinnig aufgeregt war und teilweise wirklich Blödsinn erzählt habe. Mir wurde komischerweise aber sehr oft gesagt, wie sicher ich doch wirke.“

Gibt es irgendein „Fan-Erlebnis“, das dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?

„Woran ich mich noch gut erinnern kann, ist, als ich durch Stuttgart gelaufen bin und zum ersten Mal von zwei kreischenden Mädels bei Zara erkannt wurde (lacht).“

Abgesehen von deiner Tour, hast du einen Plan für das nächste Jahr? Ich habe gelesen, dass du gerne mal für jemand anderen produzieren würdest?

„Ich habe wirklich keinen Plan, außer weiterhin Musik zu machen. Da ich mein Album ja selbst produziert habe, ist mein Interesse in diesem Bereich auf jeden Fall geweckt, ich habe da aber noch nichts Bestimmtes im Kopf.“

Gibt es denn jemanden, mit dem du gerne einmal zusammenarbeiten würdest?

„Ich würde mich freuen, mal einen Song mit einem Rapper oder einer Soul-Sängerin aufnehmen zu können, da ich es ziemlich interessant fände, verschiedene Genres zu mischen.“

Viel Erfolg dabei und besten Dank für das Interview!

Tiemo ist zurzeit übrigens auf „Losgelassen“-Tour:

 1. Mai München / 59:1
 2. Mai Leipzig / Moritzbastei
 7. Mai Berlin / Privat Club (ausverkauft)
10. Mai Köln / Luxor
11. Mai Hamburg / Stage Club
12. Mai Ostseebad Kühlungsborn / Vielmeer
13. Mai Stuttgart / Kellerclub (ausverkauft)
15. Mai Stuttgart / Kellerclub (Zusatzshow)

Kristina Arens