„Ich bin immer noch ein verspielter, kleiner Junge“

  /  12.09.2011

Vor kurzem fand im Berliner IFA Sommergarten das Open Air Festival „Die Neuen DeutschPoeten“ mit einem Auftritt von Clueso als Höhepunkt statt. Bevor der 31-Jährige die Massen zum Jubeln brachte, traf ihn unsere Redakteurin Kristina im Backstage Bereich zum Interview.

Bei gefühlten 40 Grad, strahlendem Sonnenschein und in entspannter Atmosphäre traf sich unsere Redakteurin Kristina Samstagnachmittag in der Backstage Area des Open Air Festivals „Die Neuen DeutschPoeten“ zum Interview mit Clueso. Während Max Prosa die Show gegen 14 Uhr eröffnete, hatte der 31-Jährige bis zu seinem großen Auftritt noch einige Stunden Zeit – als Headliner des Musikfestivals betrat er als letzter die Bühne. Also machten wir es uns auf einer Bank im Grünen gemütlich und der gebürtige Erfurter plauderte über den kleinen Jungen in sich, Udo Lindenberg und beklebte T-Shirts.

Das Festival heißt „Die Neuen DeutschPoeten“ – würdest du dich selbst als Poet bezeichnen?

„Ich glaube, das würde ich so eher nicht sagen. Für mich sind Text, Inhalt und Lyrik zwar extrem wichtig, aber mich selbst als Poet zu bezeichnen, käme mir doch etwas vermessen vor.“

Du hast ja schon ziemlich viele Preise gewonnen – für deine Musik, aber auch für deinen Einsatz, Menschen auf der ganzen Welt die deutsche Sprache näher zu bringen. Wie wichtig sind dir Auszeichnungen?

„Am Anfang war ich schon froh, wenn die Leute meine Musik überhaupt gehört und mich wahrgenommen haben. Im Laufe der Zeit legt man dann aber immer mehr Wert darauf, dass auch der Inhalt der Songs wahrgenommen wird und man nicht einfach nur Popmusiker ist. Dass ich Preise bekomme, hat sich ja eigentlich erst in den letzten Jahren entwickelt. Ein Autorenpreis, wie beispielsweise den Fred Jay-Preis zu bekommen, ist für jemanden wie mich, der wie schon gesagt großen Wert auf Inhalt legt, besonders schön. Diese Auszeichnung war auch noch ziemlich hoch dotiert, so dass ich einen Teil des Geldes direkt an das Leipziger Jazzlabel Egolaut spenden konnte. Den anderen Teil würde ich gerne dafür nutzen, mit der Band zu verreisen. In den letzten Jahren waren wir zwar häufig gemeinsam auf Tour, haben aber noch nie privat Urlaub gemacht, es wird also Zeit. Generell ist so ein Preis wie ein Tor fürs Team: Alle freuen sich, dass man mal ‚ein Ding mit nach Hause bringt’ (lacht).“

Du bist beispielsweise für das Goethe-Institut auf Konzert-Workshoptour durch Italien gereist. Ist etwas in der Richtung noch einmal geplant?

„So etwas direkt nicht, aber ich supporte ja die Organisation Viva con Agua (Anm. d. Red.: eine Initiative, die sich in erster Linie für Trinkwasserversorgung in Entwicklungsländern engagiert), beispielsweise mit Benefizkonzerten, und ich würde sehr gerne mal in die verschiedenen Länder reisen, wo dank dieser Initiative Brunnen gebaut werden konnten. Etwas Konkretes ist aber noch nicht geplant.“

Ein weiteres deiner Projekte ist der Zughafen. Kannst du noch einmal kurz erklären, was es damit auf sich hat?

„Das ist gar nicht so leicht (lacht). Der Zughafen ist sozusagen ein Netzwerk von Künstlern und Firmen, das ich mit ins Leben gerufen habe und das im alten Güterbahnhof in Erfurt zu finden ist. Hier kommen verschiedene Künstler zusammen, es werden Projekte ins Leben gerufen und das Ganze wird mehr oder weniger von meinem Manager geleitet, der immer mal wieder neue Leute entdeckt und mit ins Boot holt. Max Prosa und Norman Sinn sind zum Beispiel auch dabei. Der Zughafen ist quasi eine Anlaufstelle, eine Künstlerkommune, wenn man so will.“

Im Oktober geht die zweite Hälfte deiner Tour los – wie fühlst du dich beim Gedanken daran?

„Ich freue mich total und habe den Anspruch an mich selbst, im Vergleich zum ersten Teil noch einen draufzusetzen. Wobei man diesen Anspruch ja meistens hat – es geht immer noch ein bisschen besser. Die einzige Angst, die ich vor jeder Tour habe, ist, dass die Konzerte in den großen Hallen zu sehr auf meine Stimme gehen und ich Auftritte absagen muss. Ich hoffe, das bleibt uns bei der kommenden Tour erspart.“

Du warst vor einiger Zeit mit der Stüba Philharmonie, einem jungen Sinfonieorchester, das 1999 aus einem Musiker-Feriencamp entstand, auf Tour. Gibt’s in dieser Richtung neue Pläne?

„Eventuell ist für nächstes Jahr etwas geplant. Ich mag die Zusammenarbeit mit diesem Orchester, das zum Teil aus Freizeitmusikern und zum Teil aus Profis besteht, total gerne. Vor ungefähr fünf Jahren haben wir angefangen, zusammen zu arbeiten und wenn ich mit den rund 80 Stübas unterwegs bin, werde ich selbst zu einem.“

Vor etwa zehn Jahren ist das erste Clueso-Album erschienen – was hat sich in dieser Zeit verändert? Wie hast du dich verändert?

„Eigentlich bin ich immer noch dieser verspielte, kleine Junge, der aber nachdenkliche Texte schreibt (lacht). Auch mein Umfeld ist mehr oder weniger gleich geblieben. Was sich natürlich verändert hat, ist, dass ich mehr und mehr in der Öffentlichkeit stehe. Wobei ich im Vergleich zu vielen anderen ja Zeit hatte, mich daran zu gewöhnen, da ich nicht über Nacht bekannt geworden bin. Mit ‚Chicago’ fing das Ganze zwar an, aber der Weg, den Bekanntheitsgrad zu erlangen, den ich jetzt habe, ist doch ein anderer als der von Teeniebands, die beispielsweise durch Castingshows von Jetzt auf Gleich berühmt werden.“

Du bist jetzt 31. Es gibt ja viele, die sich Listen mit Dingen oder Zielen machen, die sie bis zu einem gewissen Alter erlebt oder erreicht haben wollen. Gehörst du auch zu diesen Menschen?

„So ticke ich eigentlich gar nicht. Ich hatte auch nicht den Plan, berühmt zu werden, sondern wollte einfach nur Musik machen. Aber wenn ich ein Ziel habe, dann, dass es mit meiner Musik genauso gesund weitergeht wie bisher oder dass ich eben gesund herauswachse, das wäre auch okay.“

Und nicht auf die Musik bezogen? Gibt es banalere Dinge, die du gerne noch erleben möchtest?

„Das obligatorische Fallschirmspringen. Außerdem möchte ich einmal nach Kuba – ich weiß auch nicht, warum – und ich hätte gerne mal wieder vier Wochen am Stück frei (lacht).“

Machst du dir zurzeit schon Gedanken um ein sechstes Album; schreibst du bereits an neuen Songs?

„Ich schreibe schon, aber eher in Gedanken an den nächsten Song und nicht ans nächste Album. Das ergibt sich dann immer irgendwie.“

Du hast das Cover deines Albums mit designt, das sich zum Beispiel auch auf deinen Merchandise-Shirts wiederfindet. Viele Musiker und Schauspieler bringen ja im Laufe ihrer Karriere eine eigene Kollektion heraus. Reizt dich so etwas ebenfalls?

„Ich habe schon mal mit dem Gedanken gespielt, aber weil es so viele machen, hatte ich dann doch keine Lust dazu. Ich verziere meine Shirts aber zum Beispiel ganz gerne mit Kreppband, funktioniere Schnürsenkel zum Gürtel um oder bringe sonst irgendwie einen kleinen Bruch in mein Outfit. Ich würde mich einerseits auch schon als modebewusst bezeichnen, wobei ich andererseits aber keine Ahnung von aktuellen Trends habe. Ich finde es ein wenig schade, dass sich heutzutage jeder dem anderen anpasst und niemand wirklich selbst nach neuen Ideen sucht. Alle schauen nur nach links und rechts und übernehmen die Einfälle der anderen.“

Was steht dieses Jahr, abgesehen von deiner Tour, noch an?

„Ich möchte gerne irgendwohin, wo es warm ist (lacht). Und ansonsten habe ich vor einiger Zeit ein Feature mit Udo Lindenberg aufgenommen. Im Rahmen seines Konzerts für MTV Unplugged habe ich ‚Cello’ mit ihm gesungen. (Anm. d. Red.: Udo Lindenberg Unplugged wird am 14. September auf Viva ausgestrahlt.) Ich bin aber ein extremer Jetzt-Mensch und denke deshalb gar nicht viel über die Zukunft nach. Wobei einem mit 31 doch langsam die eigene Sterblichkeit bewusst wird und man begreift, dass man nur dieses eine Leben hat.“

Vielen Dank für das Interview, viel Spaß bei deinem Auftritt später und weiterhin viel Erfolg!

Clueso & Band-Tour 2011
13. Oktober 2011 Freiburg, Rothaus Arena
14. Oktober 2011 Würzburg, S.Oliver Arena
15. Oktober 2011 Kempten, Big Box
17. Oktober 2011 Saarbrücken, E-Werk
18. Oktober 2011 Koblenz, Sporthalle Oberwerth
19. Oktober 2011 Hannover, AWD Hall
21. Oktober 2011 Mannheim, Rosengarten Mozartsaal
23. Oktober 2011 Magdeburg, GETEC Arena
24. Oktober 2011 Kassel, Kongress Palais
25. Oktober 2011 Bielefeld, Stadthalle 

Kristina Arens