„Gott sei Dank träume ich Textil“

  /  10.04.2013

Guido Maria Kretschmer ist ein ziemlich beschäftigter Mann, denn neben dem Entwerfen für seine eigene Marke gibt’s noch einige andere Projekte. Aktuellester Coup: eine Koop mit Ebay. Im Interview verrät Guido, wie diese aussieht, was die Partner seiner Mitarbeiterinnen damit zu tun haben und was sein Erfolgsgeheimnis ist.

Guido Maria Kretschmer

Guido Maria Kretschmer mit Redakteurin Kristina Arens

Designer Guido Maria Kretschmer, der bereits mit neun Jahren seine erste Nähmaschine geschenkt bekam, hat gemeinsame Sache mit Ebay gemacht und eine exklusive Range unter dem Motto „Eine Wochenend-Kollektion” entworfen. Der Clou: Welche der 20 Teile letztlich produziert werden, entscheidet ihr. Im Interview im Berliner Soho House hat der Designer und unterhaltsame „Shopping Queen“-Juror verraten, was man an einem Wochenende alles schaffen kann, ob er auch privat gerne Styling-Kritiker ist und wovon er für die Zukunft träumt.

Guido, wie kam die Zusammenarbeit mit Ebay zustande und warum „Eine Wochenend-Kollektion“?

„Ich nutze Ebay auch privat, weil ich es einfach toll finde, wenn man einem Kleidungsstück ein zweites Leben schenken kann. Letztes Jahr habe ich ja bereits mit Hilfe verschiedener Videos Verkaufstipps für den Onlinemarktplatz gegeben; als dann die Anfrage für eine exklusive Kollektion kam, war ich direkt überzeugt.

Immer am Anfang des Jahres kommen meine Mitarbeiterinnen zu mir und wollen Urlaub für die Brückentage einreichen – entweder weil sie mit ihrem Partner einen Kurztrip planen oder wer gerade keinen Partner hat, ist auf der Suche nach einem (lacht). Und diese Wochenend-Reisen habe ich als Inspiration genommen: Wie kann man mit möglichst kleinem Gepäck gut angezogen sein und alles dabei haben, was man braucht? Außerdem finde ich es super, dass jeder die Chance hat, mit zu entscheiden, welche Teile letzten Endes in die Kollektion aufgenommen werden – auch wenn man das gewählte Stück selbst nie tragen würde, kann man mit voten.“

Wie läuft der Design-Prozess bei dir ab und wie lange dauert es, bis eine Kollektion steht?

„Zuerst entwerfe ich das Muster. Ich finde, oft bleibt ein solches besser in Erinnerung als ein Style an sich – manche kennen es ja vielleicht, dass sich ein Print so sehr einbrennt, dass er irgendwann auch auf dem Sofakisschen oder an der Wand zu sehen ist. Das Muster, das ich nun für die Ebay-Linie gewählt habe, eignet sich auch sehr gut für größere Größen. Da die Kollektion für den Sommer ist, war klar, dass die Sachen ‚leicht’ sein müssen. Die Kleider haben etwas zartes, weibliches, genauso wie beispielsweise der große Schal, der nicht fehlen durfte, schließlich sind wir gerade auf dem besten Weg, die ‚Generation Schal’ zu werden.

Für eine Kollektion brauche ich in der Regel ein Wochenende. Freitags fange ich an und Sonntagabend bin ich mit den Entwürfen fertig; zum Glück träume ich Textil, ich muss nicht lange überlegen und bin nicht der Typ, der sich drei Wochen auf Sylt zurück ziehen muss, um nachzudenken. Ich habe so viel in mir, dass ich einfach nur abrufen brauche. Wenn die Entwürfe fertig sind, lege ich sie meinem Team vor; das ist das Schöne – ich entscheide nicht alleine.“

Gibt es Unterschiede zu den Modellen deines eigenen Labels?

„Nein, eigentlich nicht. Generell widme ich jedem Teil die gleiche Aufmerksamkeit, ob es nun für eine bekannte Persönlichkeit oder das Zimmermädchen aus dem Adlon ist und wir produzieren immer in Europa und lassen nichts von kleinen Kinderhändchen herstellen. Der einzige Unterschied ist, dass die Kollektion für Ebay viel limitierter ist und eben günstiger; auch wenn 199 Euro für einige natürlich immer noch wahnsinnig viel Geld sind. Das sehe ich häufig bei ‚Shopping Queen’, wenn mir manche nach der Sendung in den Armen liegen, weil sie für 500 Euro shoppen durften – und denken, das Geld sei von mir (lacht) – während andere davon gerade mal ein Tuch kaufen.“

Wie marktorientiert bist du bei deinen Entwürfen; wie wichtig sind Trends?

„Ich bin schon jemand, der Trends registriert, richte mich aber nicht nach allen; ich möchte nicht, dass die Leute sich ein Teil kaufen, das sie dann nur einmal tragen können, deshalb achte ich darauf, dass ich etwas zeitloser arbeite als manch anderer – eine Neontasche zum Beispiel ist eben nicht sehr langlebig. Und bei meinen Fashion Shows ist es dann meist dennoch so, dass ich irgendwie genau richtig liege. Wolfgang Joop meinte mal zu mir ‚Das Gespür hat man oder hat man nicht’.“

Du hast bereits 1989 das Label „Guido Maria Kretschmer Corporate Fashion“ und 2004 „Guido Maria Kretschmer Couture“ gegründet und präsentierst deine Kollektionen regelmäßig auf der Fashion Week Berlin – hat dich das verändert?

„Meine Mutter sagt, dass ich mich gar nicht verändert habe und das finde ich gut! Ich bin immer noch der, der ich war. Es ist kein bloßes Gerede, wenn ich sage, dass ich genauso zufrieden wäre, wenn ich wieder in einem kleinen Atelier sitzen und vor mich hin basteln würde. Solange ich ein Stück Stoff zwischen den Händen habe, bin ich zufrieden. Wenn man Erfolg mit etwas hat, ist das ein großes Glück, aber auch verdammt viel Arbeit. Es hat mich viel Kraft gekostet, da zu sein, wo ich jetzt bin und ich dachte immer, irgendwann läuft alles wie von selbst, aber im Prinzip wird die Arbeit mehr und mehr.“

Ich habe ein Zitat von dir gelesen: „Ich wollte nie reich und berühmt sein“…

„Meine Oma hat mal gesagt, ‚Das einzige, das im Leben gerecht verteilt ist, ist Dummheit’ (lacht). Ich habe mich daran gewöhnt, dass ich bekannter bin; berühmt möchte ich gar nicht sagen, denn wenn ich meine Karriere betrachte, sehe ich immer eher die Dinge, die ich noch nicht geschafft habe. Im Vergleich zu anderen fühle ich mich da schon manchmal als ganz kleine Nummer; wenn andere mich als große sehen, finde ich das irgendwie süß und freue mich natürlich.“

Welche Dinge siehst du denn, die du noch nicht geschafft hast?

„Ich würde gerne eine Professur machen, wenn ich mehr Zeit habe. Eine Anfrage hatte ich auch schon mal, aber es ist noch viel zu früh. Es ist zwar schon viel passiert, aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich schon angekommen bin. Ich fühle mich immer noch so wahnsinnig jung, obwohl ich das eigentlich gar nicht mehr bin (lacht).“

Eine Professur ist also noch weit entfernt, was steht denn neben der Kollektion für Ebay dieses Jahr noch an?

„Eine zweite Schuhkollektion gemeinsam mit Högl, ich werde einen traumhaften Kinofilm machen, ein großes Fernsehding steht noch aus, für eine Zeit lang gehe ich ins Ausland, nach Amerika, und gerade habe ich das erste Skript für mein erstes Buch abgegeben.“

Eine Abschlussfrage noch zum Thema „Shopping Queen“ – fragen dich auch viele Menschen in deinem privaten Umfeld nach Mode-Ratschlägen?

„Ja, ziemlich viele sogar, aber ich versuche dann immer schnell vom Thema abzulenken und denen etwas Leckeres zu kochen oder backen (lacht). Ich kann sehr gut mit Menschen umgehen, die sich nicht perfekt kleiden, wenn sie ein gutes Herz haben – ich selbst bin ja auch niemand, der sich immer top stylt – auch wenn es natürlich schön ist, wenn jemand einen guten Stil hat.“

Besten Dank für das Interview!

Vom 10. bis zum 24. April 2013 könnt ihr hier für eure elf Lieblingsdesigns abstimmen, die dann produziert werden und im Juni 2013 gemeinsam mit dem Weekender für 49 bis 199 Euro erstanden werden können. Guidos Lieblingsteil ist übrigens das Kleid „Pandorra“.

Kristina Arens