„Es geht um den Wert des Moments...“

  /  02.09.2014

Auf der „Insel“ in Berlin, passend zum neuen Albumtitel, verraten Juli – Eva Briegel, Simon Triebel, Jonas Pfetzing, Andreas Herde und Marcel Römer –, warum man seinen Stil nicht konservieren sollte, was Eva auf ihrem Handy hat, womit sie ihren Freund wahnsinnig macht und was als auf Deutsch singende Band nervt.

Juli

v.li.: Andreas Herde, Jonas Pfetzing, Eva Briegel, Redakteurin Kristina Arens, Simon Triebel und Marcel Römer

Vier Jahre nach eurem letzten Album sowie passend zum zehnjährigen Jubiläum von „Perfekte Welle“ und dem Debüt „Es ist Juli“ meldet ihr euch mit dem Album „Insel“ zurück. In ein paar Sätzen – worum geht’s?

Eva: „Ich glaube, da müsstest du etwas spezifischer fragen…“

Das Album steht also unter keinem Oberthema? Ihr seid bislang die ersten Musiker, die mir diese Frage nicht direkt beantworten (können)…

Simon: „Bei uns war es so, dass wir die Songs in einem Zeitraum von zweieinhalb Jahren geschrieben haben, es gab also verschiedene Phasen, in denen man unterschiedliche Sachen im Kopf hat, über die man gerne schreiben möchte. Es gibt also tatsächlich kein Thema, das dem ganzen Album von uns aufgestülpt wurde. Wir haben aber schon versucht, einen Gesamtsound zu finden, eine gewisse Homogenität zu schaffen.“

Eva: „Wir wollten diesmal ein bisschen weg vom Computer. A) hatte ich Rückenschmerzen und B) bietet der Computer unendliche Möglichkeiten, das war bei unserem dritten Album, für mich zumindest, sehr anstrengend. Wir wussten nie, wann wir wirklich fertig sind, irgendetwas konnte immer noch mal geändert, ausgetestet werden. Nun soll das Ganze wieder analoger klingen und mir persönlich macht das mehr Spaß.“

Welche Hintergründe führten denn zu dem Titel des Albums – „Insel“?

Simon: „Es gibt ja auch den Song ‚Insel’ und eigentlich war es Zufall, dass das Album ebenfalls diesen Namen trägt. Wir waren letztes Jahr zehn Tage auf einem Schiff, einem Hausboot, unterwegs, weil wir einfach mal aus dieser Studio-Situation heraus wollten. Ein befreundeter Fotograf hat dort ein paar Fotos gemacht, eins davon ist auf dem Cover. Und irgendwie hat es sich dann angeboten, das Album auch so zu nennen.“

Andreas: „Je mehr man darüber nachdenkt, desto treffender wird der Titel eigentlich auch. Diese Band ist – das klingt jetzt zwar etwas platt – ja auch so eine kleine Enklave irgendwie, wir sind über die Jahre immer mehr dahingereift, haben ein gutes Vertrauen ineinander und wissen, dass man zuallererst in diese fünf Leute schauen muss, um die richtige Richtung zu finden.“

Simon: (summend) „Die Band ist unsere Insel…“   

Eva, ich habe von dir ein Zitat gelesen…

Simon: „Das stimmt nicht (lacht).“

„Es gibt schließlich nichts Schlimmeres, als wenn man einen Stil konserviert. Spätestens nach fünf Jahren ist das so was von grottig. Man muss sich weiterentwickeln, sonst wird man zu einer Karikatur seiner selbst“ – wie habt ihr euch weiterentwickelt?


Eva: „Das stimmt. Wir haben weniger experimentiert und unsere Begeisterung für Computer, wie schon kurz angesprochen, nicht mehr so sehr ausgelebt wie auf dem letzten Album. Wir haben geschaut, was uns an einem Lied berührt und was einen dazu gebracht hat, dass man genau diese eine Demo mit in die Probe genommen und es den anderen vorgespielt hat. Es gibt den Begriff der Unreproduzierbarkeit.“

Simon: „Es gibt einige Stücke, bei denen tatsächlich der Demogesang auf dem Album ist.“

Eva: „Es waren meist Sachen, die gar nicht direkt auffielen, zum Beispiel, dass eine Gitarre mit einer bestimmten Lockerheit gespielt wurde. Und immer wenn man sich anstrengt, das im Studio fehlerfrei einzuspielen, hat sie nicht diesen Rhythmus, diesen Groove, den es braucht. Ich finde, das ist eine Weiterentwicklung; auch wenn man sich reduziert und weniger Instrumente hat, ist das ein Progress.“

Simon: „Ich kann aber jetzt schon sagen, dass wir das, wenn wir in vier Jahren noch einmal sprechen, sicherlich anders sehen (lacht).“

Ich habe gelesen, dass du, Eva, dir vorstellen könntest, in Zukunft auf Englisch zu singen, aber nicht als Band Juli – hast du aktuell Pläne in dieser Richtung?

Andreas: „Aha, interessant!“

Eva: „Würdet ihr Jungs die Interviews immer mit mir geben, wüsstet ihr das… Im Moment ist das nicht mehr so aktuell. Es stimmt auf jeden Fall, dass Englisch eine tolle Sprache ist, weil sie erstens einen guten Flow hat und zweitens weil deutsche Texte immer unter dem Mikroskop auseinander genommen werden – nach lyrischem Gehalt. Das nervt eigentlich total, deshalb liebäugele ich immer mal mit dem Englischen. Ich habe auf meinem Handy extrem viele Textansätze mit englischen Sätzen, die mir zum Beispiel beim Laufen eingefallen sind.“

Simon: „Dann würden wir uns in July umbenennen und die erste Platte hieße ‚Is it July’ (lacht).“

Kreativ! Auf eurer neuen Platte im Song „Jetzt“ heißt es „Alles, was wir haben, ist jetzt“ – seid ihr Menschen, die vor allem im Hier und Jetzt leben?

Simon: „Wir haben alle – auch als Band natürlich – eine Vergangenheit, die wir mit uns herumschleppen und denken schon auch über die Zukunft nach… Ich habe den Song einem guten Freund vorgespielt und der erste Kommentar war ‚YOLO’. Aber es geht um das Gegenteil, um den Wert des Moments und nicht darum, dass man ihn einfach wegwirft, weil es egal ist. Aber am Ende des Tages ist das einzige, woran man sich wirklich festhalten kann, das Hier und Jetzt. Die Vergangenheit kann total verkorkst sein, die Zukunft kann auch sch**** werden und ich glaube, wenn es einem im Jetzt gut geht, sollte man dafür dankbar sein.“

Eva: „Das sehe ich ähnlich. Ich kann das eigentlich auch ganz gut: Sachen verdrängen, die nicht optimal gelaufen sind und ich bin auch kein großer Zukunftsplaner. Es macht meinen Freund [Anm. d. Red.: Andy Penn] manchmal etwas wahnsinnig, dass ich alles sofort will. Nach unserem Bootsausflug letztes Jahr hatte ich fest vor, mir ein Boot zu kaufen und den Führerschein zu machen. Dann will ich aber eigentlich auch einen Bus, ein Auto, eine Vespa… und zwar jetzt.“

Simon: „Und man muss dazu sagen: Du hast nichts davon.“

Eva: „Ich mache selten Pläne, meistens sind das Impulse und manchmal setze ich sie um, manchmal nicht.“

Habt ihr schon eine Tour geplant?

Simon: „Die Daten stehen noch nicht fest, aber im Februar/März 2015 wollen wir auf Clubtour gehen.“

Vollendet bitte die folgenden Sätze:

Ein guter Tag beginnt mit... Andreas: „…Kaffee.“

Mein größter Wunsch ist... Simon: „…eine Lamellofräse. Wirklich! Ich baue total gerne Möbel, aber wenn man solch ein Teil kauft und damit einen kleinen Schrank baut, ist das Gerät zehn Mal so teuer wie der Schrank selbst.“

Mindestens einmal im Leben sollte jeder... Simon: „…Hausboot gefahren sein. Das war eine sehr coole Erfahrung.“

Wenn ich Fotos von mir von vor zehn Jahren sehe, dann...
Eva: „…frage ich mich meistens ‚Der Pulli war ja geil, wo ist’n der?!’“

In zehn Jahren... Jonas: „…gibt es wahrscheinlich eine Lamellofräsen-App.“

An meinen Bandkollegen nervt mich...
Eva: „Wenn wir etwas bestellen und die Frau mit dem Essen kommt, guckt keiner hin und alle unterhalten sich weiter. ‚Wer kriegt das Schnitzel? Wer kriegt das Schnitzel??’“

Abschließend möchte ich sagen... Simon: „Es sollte viel mehr gute Laune geben.“

Eva: „Es sollte viel weniger berühmte Leute geben.“

Andreas: „Es sollte viel mehr Natur geben.“

Jonas: „Friede auf Erden.“
Eva: „Nein!“
Jonas: „Wieso nicht? Ich werde gefragt, ich antworte…“

Marcel: „Auch abschließend möchte ich nichts sagen (lacht).“

Vielen Dank fürs Interview!

Kristina Arens