„Eine Ode an die Liebe…“
/ 22.10.2014Kostja Ullmann, Aylin Tezel und Ken Duken sind ab dem 23. Oktober 2014 im neuen Film „Coming in“ zu sehen. Im Interview geht es um Aylins erste unerwiderte Liebe, Klischees, Orlando Bloom und den dreißigsten Geburtstag…
Küsschen links, Küsschen rechts – der homosexuelle Tom Herzner, im neuen Film „Coming in“ gespielt von Kostja Ullmann, ist unter den Frisören eine echte Koryphäe und gilt als Galionsfigur der Szene. Zu Studienzwecken nimmt dieser schließlich eine Stelle bei Kiezfriseurin Heidi, gespielt von Aylin Tezel, an, um inkognito Feldforschung zu betreiben. Beide entwickeln Gefühle füreinander und nicht nur Toms Manager und Lebensgefährte, verkörpert von Ken Duken, ist von der plötzlichen Identitätskrise seines Partners wenig begeistert... Im Interview mit Kostja und Aylin in Berlin geht es um Puppenköpfe, Bartwuchs, Genre-Unterschiede und die Liebe.
Aylin, in „Coming in“ sagt deine Filmschwester zu dir „Du verliebst dich nur in Tom, weil du ihn nicht haben kannst“. Kennst du diese Erfahrung aus deinem privaten Leben?
Aylin: „Der erste Mann, in den ich mich verliebt habe, war tatsächlich einer, den ich nicht haben konnte, denn ich war vier und er 25 und Schauspieler in der Serie ‚Hotel Paradies’ (lacht). Witzigerweise habe ihn in kürzlich bei einem Casting getroffen, er ist inzwischen Synchronregisseur. Bei der Gelegenheit habe ich ihm erzählt, dass er meine erste Liebe war. Gut, es hat leider nicht geklappt, aber wie haben uns zumindest mal kennen gelernt.“
Wie habt ihr euch auf eure Rollen vorbereitet? Kostja, du musstest ja generell schon deinen ganzen Habitus ein wenig ändern, oder?
Kostja: „Das stimmt, ich wollte aber auch nicht zu viel mit dem Klischee spielen. Da hatte ich aber mit Marco [Anm. d. Red.: Kreuzpaintner, Regisseur, der 2004 mit dem Coming-Out-Drama „Sommersturm“ seinen Durchbruch feierte] jemanden an meiner Seite, dem ich komplett vertrauen konnte; wir kennen uns jetzt schon seit über zehn Jahren… Die größte Herausforderung war es, die Arbeit als Friseur echt aussehen zu lassen!“
Aylin: „Auf jeden Fall! Ich war circa eineinhalb Monate in einem Friseursalon in Neukölln bei einer Dame, die auch ziemlich crazy war, eigentlich genau so wie meine Rolle, nur älter, deshalb war das wunderbar für mich. Ich bin auch als Heidi, nicht als Aylin, in den Salon gegangen, habe mich den Kunden als die neue Auszubildende vorgestellt und an einem kleinen Puppenkopf geübt.“
Kostja: „Ich war in Charlottenburg am Gendarmenmarkt. Die Klientel dort war etwas anders als bei Aylin, also auch wie im Film. Angefangen habe ich mit Haare waschen, fegen, irgendwann durfte ich auch mal fönen oder Spitzen schneiden. Und ich hatte auch meinen Kopf; Aylin und ich haben uns immer Bilder geschickt und uns gebattelt. Das Problem bei mir war immer, dass ich bei Frauen selten den Unterschied sehe, wenn sie beim Friseur waren, deshalb musste ich immer wahnsinnig viel abschneiden, damit ich überhaupt einen Unterschied sehe (lacht)…“
Der Film bedient sich ja schon diverser Klischees, angefangen mit dem des schwulen Friseurs…
Aylin: „Zwischendurch auf Klischees zu setzen, ist meiner Meinung nach das, was man sich in einer Komödie auch erlauben kann. Man kann dann einfach mal gemeinsam darüber lachen und trotzdem haben wir ja viele tiefere, romantische Momente im Film. Marco hat sehr darauf geachtet, in dem Genre ‚Romantische Komödie’ auch Wert auf Romantik zu legen, nicht nur einen Schenkelklopfer nach dem nächsten zu bringen, sondern auch Herzlichkeit zu zeigen und die Liebe zwischen allen Personen wirklich ernst zu nehmen.“
Kostja: „Wenn mit Klischees gespielt wird, dann sehr liebevoll. Ich glaube, man tritt damit niemandem auf die Füße, das war uns auch sehr wichtig.“
Hat man auch eine gewisse Verantwortung, weil der Film aus Marcos Sicht ja leicht autobiografisch ist?
Aylin: „Auf jeden Fall! Wir wollen die Message weitergeben, dass Liebe passiert und das jeweilige Umfeld diese auch passieren lassen sollte. Für Tom ist es im Film ja schon schwierig genug, eine Seite an sich zu entdecken, die er bislang nicht kannte und die ihn komplett verunsichert. Ich glaube, es kann jedem Menschen jeden Tag passieren, dass er oder sie sich plötzlich in jemanden verliebt, mit dem man nie gerechnet hätte. Andersherum als bei ‚Coming in’ wurde diese Geschichte ja schon oft erzählt: Ein Mann in einer heterosexuellen Beziehung verliebt sich in einen Mann. Wir wollten das Ganze mal von einer anderen Seite angehen. In der Schwulen-Community bestand oder besteht nach der Veröffentlichung des sehr auf Komödie geschnittenen Trailers eine gewisse Angst, welche Message wir eigentlich rüberbringen wollen – der Film ist aber keine ‚Bekehrungsgeschichte’, sondern einfach eine ‚Ode an die Liebe’, so unplanbar wie diese eben ist.“
Kostja, ich habe jetzt schon ein paar Mal gelesen, dass deine Rolle eigentlich von Orlando Bloom gespielt werden sollte?
Aylin: „Das habe ich auch gelesen!“
Kostja: „(lacht) Marco hat mir das auch mal erzählt – der Film sollte anscheinend eigentlich international gedreht werden, wurde dann aber in den USA nicht finanziert, was uns natürlich sehr gefreut hat! Es stimmt also indirekt.“
Habt ihr unterschiedliche Herangehensweisen, je nachdem für welches Genre ihr dreht?
Aylin: „Ich glaube, die Basis ist gleich, man muss sowohl bei einem Drama als auch bei einer Komödie seine Figur und ihre Nöte sehr ernst nehmen. Die Not bei ‚Coming in’, dass sich Heidi in einen schwulen Mann verliebt, kann ich ebenso ernst nehmen wie meine Rolle im Film ‚Am Himmel der Tag’, in dem ich eine junge Frau gespielt habe, die ihr Kind tot gebären muss. Ein schweres Drama nimmt man allerdings mehr mit nach Hause; man braucht eine gewisse Zeit, bis man das Thema wieder aus dem Kopf bekommt.“
Kostja: „Das sehe ich genauso! In dem Komödien-Genre, in dem ich noch nicht so sehr zu Hause bin, fand ich es gar nicht so leicht, diesen Druck zu haben ‚Okay, es könnte lustig werden, muss es aber nicht’. Im Drama fühle ich mich bis jetzt mehr Zuhause, wenn ich ehrlich bin…“
Du hast vor einigen Jahren den New Faces Award gewonnen, mittlerweile bist du 30, ebenso wie du, Aylin. Wie habt ihr euch und wie hat sich eure Karriere verändert?
Kostja: „Mir werden mittlerweile natürlich schon andere Rollen angeboten als früher; darunter auch mal welche, deren Figuren über 30 sind – aber die Bandbreite ist immer noch ziemlich groß. Ich darf immer noch Anfang 20- bis Mitte 30-Jährige spielen. Wenn ich meinen Bart abrasiere, sehe ich aber auch wieder aus wie 12 (lacht).“
Aylin: „Ich darf immer noch keine Rollen über 30 spielen, aber irgendwann werde auch ich nicht mehr nach meinem Ausweis gefragt, wenn ich mir Schnapspralinen kaufen möchte (lacht). Mir ist schon aufgefallen, dass mit 30 irgendwie ein anderer Drive ins Leben kommt, in meinen 20ern bin ich eher mit großen Augen durch die Welt gelaufen und fand alles total aufregend – ich komme aus Bielefeld und die Stadt Berlin und der Schauspielberuf waren schon sehr anders. Ich habe so viel gelernt während der letzten Jahre und habe das Gefühl, jetzt an einem Punkt zu sein, an dem ich die Welt, das Erwachsensein und auch das Filmbusiness verstanden habe.“
Kostja: „Ich verstehe es immer noch nicht.“
Aylin: „Das dachte ich mir (lacht). Gerade versuche ich einfach den Moment zu genießen, weil man ja nie weiß, wie lange er andauert – aber dadurch, dass ich aus einer sehr bodenständigen Familie komme, würde es schon immer irgendwie weitergehen…“
Als Friseur vielleicht?
Aylin: „(lacht) Ich weiß nicht, ob meine Talente wirklich in diesem Bereich liegen.“
Viel Erfolg weiterhin und besten Dank für das Interview!