„Ein paar der alten Moves haben wir noch drauf“

  /  19.06.2014

Nach mehr als zehn Jahren feiern O-Town mit neuer Single, nächstem Album und Clubtour ihr Comeback. Im Interview berichten Dan, Jacob, Erik und Trevor von Veränderungen, Boyband-Moves, Mesh-Muscle-Shirts, Lektionen und unpassenden Vergleichen.

v.li.: Trevor Penick, Erik-Michael Estrada, Jacob Underwood und Dan Miller

O-Town mit Redakteurin Kristina Arens

1999 nahmen sie an einer damals ganz neuen Art von Fernsehshow, der Reality TV-Casting-Show „Making The Band“ auf MTV, teil – mit Erfolg. Es folgten ihre wohl bekanntesten Hits „Liquid Dreams“ und „All Or Nothing“, mit denen O-Town, Dan Miller, Jacob Underwood, Ashley Parker Angel, Erik-Michael Estrada und Trevor Penick, damals den Höhepunkt ihres Ruhmes erreichten. 2004 folgte die Trennung, jetzt sind vier der fünf Jungs, rund zehn Jahre später und mittlerweile in ihren 30ern, wieder vereint. Beim Interview vor ihrem Konzert in Berlin am 18. Juni 2014 fühlte sich unsere Redakteurin Kristina an ihre Teenie-Zeit erinnert…

Vor ein paar Tagen habt ihr in London euer erstes Konzert seit zehn Jahren gegeben – wenn ihr eure Touren von damals mit eurer jetzigen vergleicht, was sind die größten Unterschiede?


Jacob: „Wir genießen die Tour viel mehr! Zwischendurch haben wir ein wenig Zeit, uns auch mal die Städte anzuschauen, durch das Internet ist es mittlerweile einfacher, mit Freunden und Familie in Kontakt zu bleiben und insgesamt ist das ganze Drumherum wesentlich entspannter, jetzt, wo wir vieles in Eigenregie organisieren und keine große Maschinerie mehr im Nacken haben.“ [Die Trennung der Band 2004 erfolgte unter anderem auch wegen Differenzen mit Musikmanager und TV-Produzent Lou Pearlman, der 2008 wegen Betrugs zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde.]

Trevor: „Wir haben einfach aufgehört zu schlafen (lacht). Früher sind wir nach jedem Konzert mehr oder weniger direkt ins Bett gegangen, um fit zu sein für die nächste Show. Okay, ein paar von uns machen das immer noch, deshalb sind einige auch müder als andere… Von Berlin haben wir heute noch nicht viel gesehen, wir sind erst nachmittags angekommen, aber ich werde mir definitiv noch einige Bars angucken, bevor es morgen früh um 6 Uhr wieder zum Flieger geht.“
 
Welche Erwartungen hattet ihr im Vorfeld?

Dan: „Ich hatte sehr niedrige Erwartungen (lacht). Ich bin aber generell auch eher ein Pessimist. Im Ernst, wir wussten ja überhaupt nicht, ob uns noch irgendjemand hören und sehen will. Auch wenn uns das Feedback im Internet, in den sozialen Netzwerken, von Anfang an positiv überrascht hat, ist es ja noch einmal etwas ganz anderes, Geld zu investieren und zu einem unserer Konzerte zu kommen. Schließlich waren wir über zehn Jahre weg.“

Jacob: „Umso mehr haben wir uns gefreut, dass uns beispielsweise am Flughafen Fans direkt erkannt und unsere alten Songs, teilweise aber auch schon unsere neue Single, die offiziell ja noch gar nicht heraus gekommen ist, gesungen haben.“

… und den Titel „Skydive“ trägt – seid ihr selbst schon mal Fallschirm gesprungen?

Trevor: „Ich schon. Und ich würde es immer wieder gerne tun!“

Erik: „Wir sollten mal einen Fallschirmsprung als Band machen. Aber Dan traut sich nicht, er hat ja Familie…“

Dan: „Ich würde mitfliegen und euch oben aus dem Flugzeug schubsen, davon träume ich schon lange – das war der einzige Grund, aus dem ich zugestimmt habe, die Single so zu nennen (lacht).“

Ihr beschreibt euch als „komplett neue Band“. Abgesehen von dem Offensichtlichen – dass Ashley Parker Angel – nicht wieder mit dabei ist, inwiefern habt ihr euch verändert und was ist noch übrig von den typischen Boyband-Charakteristika?

Erik: „Zum einen hat es natürlich etwas mit der Zeit zu tun. Man entwickelt sich weiter. Dann sind wir, wie du schon sagst, eben eine Person weniger, da muss man sich erst einmal neu einspielen. Als wir ohne Ashley begonnen haben, wussten wir nicht, ob das überhaupt funktionieren wird, aber als wir ‚Skydive’ und schließlich ein paar weitere Songs aufgenommen haben, war uns schnell klar: Es klappt.“

Jacob: „Zur typischen Boyband – wir verstecken uns nicht vor diesem ‚Image’. Wir tanzen immer noch ein wenig, ein paar der alten Moves haben wir noch drauf (lacht).“ [Wie sich später auf dem Konzert zeigte: Ein paar war untertrieben, die Choreos von damals sitzen auf jeden Fall noch. Oder wieder.]  

Erik: „Wir vergleichen uns allerdings nicht mit Boybands wie One Direction oder The Wanted, das wurden wir ein paar Mal gefragt. Die Jungs waren ja kaum geboren, als wir damals angefangen haben (lacht).“

Ich habe mir noch mal ein paar Fotos von euch von früher angeschaut – eure Outfits waren zum Teil ja durchaus sehr… interessant. Dan, dein Mesh-Muscle-Shirt zum Beispiel…

[allgemeines Gelächter] Jacob: „Das war schon ziemlich hot. Das hat er gestern noch getragen…“

Dan: „Kennst du David LaChapelle [US-amerikanischer Fotograf und Regisseur]? Er hat mir damals gesagt, dass dieses Mesh-Tanktop gut aussieht. Und wenn David LaChapelle dir so etwas sagt, dann ist das so (lacht).“

Jetzt entscheidet ihr aber selbst, was ihr tragt?

Erik: „Richtig. Das ist wirklich einer der Hauptunterschiede, um auf deine Anfangsfrage zurückzukommen: Jeder von uns leistet jetzt einen ganz anderen Beitrag als er es früher getan hat. Jacob hat sein Business Degree an der Business School gemacht und mehr oder weniger unser Management übernommen, Dan hat sein Design Degree in der Tasche und unser neues Logo sowie die Artworks für ‚Skydive’ und unser Album ‚Lines & Circles’ entworfen, Trevor hat weiterhin Bühnenerfahrung gesammelt und ich bin als Songwriter aktiv gewesen – und statt für andere Künstler zu schreiben, mache ich das nun für uns.“  

Hattet ihr während der Zeit nach eurer Trennung denn dauerhaft Kontakt?

Trevor: Ja, auf jeden Fall! Erik und ich wohnen nur ein paar Blocks voneinander entfernt, zu Feierlichkeiten wie Geburtstagen haben wir uns sowieso immer gesehen oder gehört, zu Dan’s Hochzeit ebenfalls…“

Was war die wichtigste Lektion, die ihr bislang gelernt habt?


Dan: „Genieße jede Sekunde. Die Menschen ändern ihre Meinung so oft, dass man nie weiß, wann etwas wieder vorbei ist.“

Welchen Ratschlag würdet ihr jungen Menschen geben, die in der Musikbranche Fuß fassen wollen?

Jacob: „Das wäre genau derselbe. Und der, dass man wirklich hart arbeiten muss. Leider ist es oft so, dass Leute ausschließlich um des Berühmtseins wegen berühmt werden möchten und nicht, weil sie mit ihrer Musik, ihrer Kunst oder sonstigem begeistern möchten.“

Dan: „Was wir auch gelernt haben, ist, dass man aus allem Negativen versuchen sollte, etwas Positives zu ziehen.“

Und warum glaubt ihr, nach so langer Zeit als Band noch zu harmonieren? Was schätzt ihr gegenseitig an euch?

Erik: „Unser gegenseitiger Respekt ist das wichtigste, denke ich, aber auch die Erfahrungen, die wir bereits zusammen und mit keinem anderen gemacht haben und teilen. Unser Neuanfang hat auch Ängste mit sich gebracht – als ich das erste Mal wieder in Europa war, mit einem ziemlichen Jetlag, war ich nach einer langen Soundprobe, bei der einiges schief gegangen ist, ziemlich fertig, aber die Jungs waren mehr als geduldig mit mir. Mittlerweile reden wir über Probleme und schreien sie nicht heraus, wie wir es früher vielleicht getan haben. Kommunikation spielt eine große Rolle.“

Das Album, ihr habt es gerade schon kurz angesprochen, „Lines & Circles“ kommt am 3. August 2014 heraus, erklärt doch kurz, worum es geht.

Jacob: „Zuerst einmal: Kauf es (lacht)! Wir hatten natürlich einige gute Songs, aber dieses Album fühlt sich zum ersten Mal so an, als sei es auch wirklich ein Teil von mir. Unsere alten Lieder habe ich mir privat nie angehört, bei den neuen ist das anders, die laufen auch beim Autofahren. Der Titel des Albums ist eine Metapher für uns, wir sind zusammen auf einem Pfad gegangen, nun sind wir zurück.“

Und was kommt nach dem Album? Ist eure Reunion wirklich ein Langzeitprojekt; geht ihr noch mal auf Tour?

Erik: „Auf jeden Fall! Ursprünglich wollten wir ja nur diese eine Single aufnehmen und die kleine Clubtour spielen, aber dann waren wir schnell an einem Punkt, an dem wir mehr als gerne weitermachen wollten. Wir haben das Album in den Startlöchern und hoffen natürlich, dass sich die Leute eine Tour wünschen. Aber Step by Step – wir müssen erst einmal schauen, wie die Single ankommt…“

In Kürze beginnt euer Konzert, was macht ihr, wenn ich gleich zur Tür raus bin?

Trevor: „Wir haben vor einem Konzert meistens eine Stunde Zeit für uns…“

Dan: „…und reden unter anderem über die Dinge, die bei den vorherigen Konzerten schief gegangen sind, und das waren einige (lacht).“

Was wäre das heute?

Dan: „Manchmal ist es so, als würde man den Finger auf ein Leck halten und direkt findet sich ein neues. Wir haben noch nie eine perfekte Show abgeliefert, und das werden wir auch nie: Beim ersten Konzert hatten wir Soundprobleme, dann ist die Choreographie immer eine Stolperfalle, im wahrsten Sinne des Wortes… Es gibt schon ziemlich viel, auf das man parallel achten muss, dennoch will man total locker und natürlich rüberkommen – und wir werden ja auch nicht jünger (lacht).“

Dann viel Erfolg bei allem und besten Dank für das Interview!

Kristina Arens