„Als würde ich nackt über eine Straße laufen“

  /  05.09.2011

Wer „What a man“ gesehen hat, dem geht „New Age“ nicht mehr aus dem Kopf. Hinter dem Song steht Marlon Roudette – kürzlich noch Teil des Duos Mattafix, jetzt solo unterwegs. 1st-blue plauderte mit dem Londoner über Hotelzimmerzerstörung, Hot Spots in Berlin und seinen Glücksbringer.

Marlon Roudette mit 1st-blue Redakteurin Kristina Arens

Marlon Roudette feierte große Erfolge mit seiner Band Mattafix und vor allem mit dem Song „Big City Life“. Nun meldet sich der Londoner mit seinem ersten Soloalbum „Matter Fixed“ zurück, auf dem sich auch das schöne Liebeslied „New Age“ wieder findet, das in Matthias Schweighöfers Film „What a man“ eine wichtige Rolle spielt. Marlon hat den Song mit Guy Chambers aufgenommen und sich damit gerade direkt auf Platz 1 der Charts katapultiert. 1st-blue traf den 28-Jährigen im stylischen Berliner Michelberger Hotel zum Interview.

Marlon, wie kam es zu der Idee, ein Soloalbum zu schreiben?

„Wir haben mit Mattafix zwei Alben aufgenommen und hatten Erfolg, haben dann aber festgestellt, dass es einfach an der Zeit ist, etwas Neues auszuprobieren und dass wir, was die Kreativität betrifft, keine Einheit mehr bilden. Auch privat habe ich sehr viel durchgemacht, als ich angefangen habe, an dem Album zu arbeiten: Eine Verlobung ging in die Brüche, es gab familiäre Auseinandersetzungen und um das alles zu verarbeiten, habe ich Songs geschrieben. Ich wusste noch nicht, worauf das Ganze hinauslaufen wird, ob ich wirklich solo durchstarten wollte, aber letztlich habe ich es gewagt.“

„Matter Fixed“ ist sehr persönlich, du hast mal gesagt, es sei wie ein Tagebuch…

„Ja, auf jeden Fall. Um meine Gefühle zu kanalisieren, habe ich begonnen, ehrlichere, persönlichere Songs zu schreiben. In ‚The Loss’ geht es um den Tod meiner Großmutter und ‚Riding Home’ zeigt die Mattafix-Story aus meiner Sicht. Ein Lied von jemand anderem zu seinem eigenen zu machen, ist ziemlich schwer. Ich glaube, ich könnte gar keine Songs singen, die nichts mit mir zu tun haben. Auch der Titel ist sehr persönlich – er ist einerseits eine Anspielung auf Mattafix, da mir die Zeit in der Band sehr wichtig war und ein positives Gefühl hinterlassen hat und andererseits zeigt er, dass ich einige Dinge klären und mit ihnen abschließen konnte.“

Welche Erfahrungen aus deiner Mattafix-Zeit helfen dir auf deinem jetzigen Soloweg?

„Zum einen natürlich die Beziehungen, die wir während dieser Zeit geknüpft haben. Vor allem hier in Deutschland erinnern sich viele Menschen an uns; wir waren umgängliche, coole Typen, denen es in erster Linie immer um die Musik ging und nicht darum, irgendwelche Hotelzimmer zu verwüsten – okay, ein oder zwei vielleicht (lacht). Aber im Ernst, ich denke, Mattafix hat damals einen positiven Eindruck hinterlassen. Zum anderen habe ich viel über Musik gelernt, wie man Songs schreibt und solche Dinge.“

Ich habe gehört, dass du eigentlich lieber im Team arbeitest, weil du dich sonst hin und wieder isoliert fühlst – wird es trotzdem ein zweites Soloalbum geben?

„Ja, es wird auf jeden Fall ein zweites Album geben, da die positiven Dinge die negativen aufwiegen. Auch wenn die Arbeit alleine manchmal einsam ist, habe ich solo die Möglichkeit, meine eigenen Ideen zu verwirklichen, ohne Kompromisse machen zu müssen.“

Bist du generell jemand, der viel über die Vergangenheit nachdenkt, lebst du im Hier und Jetzt oder denkst du in erster Linie an die Zukunft?

„Ich konzentriere mich in erster Linie auf die Zukunft. Aber wie jeder weiß, hinterlässt die Vergangenheit oft Narben, die einen Menschen schließlich ausmachen und die auch für meine Musik eine wichtige Rolle spielen; sie verleihen den Songs Tiefe.“

Mit deinem Album geht’s bald auch auf Deutschland-Tour, oder?

„Genau! Ich würde gerne jeden Tag meines Lebens damit verbringen, Musik zu machen und ich denke, ich bin einer der Wenigen in diesem Business, der alle anderen antreibt, damit es endlich losgehen kann. Wann genau die Tour startet, steht aber leider noch nicht fest.“

Wird es nicht ein komisches Gefühl sein, so persönliche Songs auf der Bühne zu singen?

„Wahrscheinlich wird es sich ungefähr so anfühlen, als würde ich nackt über eine Straße laufen (lacht). Aber manchmal ist es schwer, Geheimnisse zu haben und etwas für sich zu behalten. Also teile ich meine Gedanken und Gefühle mit dem Publikum.“

Dein Song „New Age“, den Matthias Schweighöfer und sein Team für „What a man“ ausgesucht haben, ist gerade auf Platz 1 der Single Charts eingestiegen – wie hast du gefeiert?

„Meine Mama war aus St. Vincent zu Besuch, wir haben Ingwertee getrunken, über alte Zeiten geredet und uns gefreut. Ich habe aber auch noch richtig gefeiert. Eigentlich trinke ich nicht viel, aber zu solch einem besonderen Anlass musste das mal sein (lacht). Irgendwie fühlt es sich im Vergleich zu dem Erfolg mit ‚Big City Life’ diesmal tiefer und richtiger an. Damals fühlte ich mich ein bisschen wie ein  ‚Rabbit in the Redlight’, wie man so schön sagt.“

Du verstehst dich ja sehr gut mit Matthias, habt ihr Berlin schon gemeinsam unsicher gemacht?

„Matthias hat mir einige coole Locations in Berlin gezeigt, wie zum Beispiel die King Size Bar, und wir haben uns in den letzten Wochen immer mal wieder getroffen – in Frankfurt, Köln, Stuttgart… Wir sind wirklich auf einer Wellenlänge und verstehen uns bestens.“

Du bist in London geboren, in der Karibik aufgewachsen und reist generell sehr viel. Welches Erlebnis ist dir am meisten im Gedächtnis geblieben?

„Meine Reise nach Baracao war wohl die intensivste Erfahrung. Ich war eine Woche dort und habe mit Menschen gesprochen, die alles verloren und trotzdem ihre Würde behalten haben. Das hat einen schon sehr berührt.“

Und wo fühlst du dich zu Hause?

„London ist meine Geburtsstadt, die Karibik ist meine spirituelle Heimat, New York und Los Angeles waren musikalisch sehr wichtig für mich und Berlin spielt ebenfalls eine große Rolle in meinem Leben. Ich bin von Tag Eins an immer unterwegs gewesen, eben ein Kind des zwanzigsten Jahrhunderts (lacht).“

Deine Mutter ist Designerin, dein Vater war Fotograf für die Vogue, bevor er Musikproduzent wurde. Interessierst du dich auch für Mode?

„Mittlerweile ja. Früher war mein Motto diesbezüglich ‚Hauptsache anti’, aber das hat sich total geändert. Ich mag Vintage Klamotten sehr gerne und besonders meinen schwarzen Hut, den mir ein Freund geschenkt hat und der zu meinem Glücksbringer geworden ist. Viele interessieren sich erst für Fashion und später dann für Musik, bei mir war es andersherum – bezogen auf Mode bin ich ein Spätentwickler (lacht).“

Du bist ja gerade sehr erfolgreich. Würdest du trotzdem etwas ändern, wenn du die Zeit noch einmal zurückdrehen könntest?

„Wenn man eine harte Zeit durchmacht, bedauert man das in dem Moment, aber sobald man diese dann überstanden hat, stellt man fest, dass sie nötig war und einen weitergebracht hat. Deshalb würde ich nichts ändern wollen.“

Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!

Kristina Arens