EU-Parlament stimmt für Lieferkettengesetz

  /  02.06.2023

Das Europäische Parlament hat für das neue Lieferkettengesetz gestimmt. Dieses soll sich an mittelständische Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden richten. Die Reaktionen...

Foto: Lieferkettengesetz.de

Das Europäische Parlament hat mit einer Mehrheit von über 60% für das neue EU-Lieferkettengesetz gestimmt. Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden sollen künftig dazu verpflichtet werden, ihre Lieferketten unter anderem im Hinblick auf Kinderarbeit, Ausbeutung und Umweltverschmutzung zu kontrollieren – derzeit gelten die Regeln laut deutschem Lieferkettengesetz erst ab 3.000, ab kommendem Jahr ab 1.000 Angestellten. Die Europäische Volkspartei äußerte bereits vor der Abstimmung deutliche Kritik und warnte beispielsweise vor einer eventuellen Abwanderung europäischer Unternehmen.

Michelle Trimborn, Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz, kommentiert anlässlich der Abstimmung: „Mit der Zustimmung zu einem europäischen Lieferkettengesetz hat das Europäische Parlament heute einen wichtigen Schritt in Richtung gerechterer globaler Lieferketten getan. […] Die Botschaft ist deutlich: Menschenrechte, Klima und Umwelt müssen zukünftig wirksam vor negativen Einflüssen durch globales Wirtschaften geschützt werden. Wir als Initiative Lieferkettengesetz begrüßen insbesondere, dass das EU-Lieferkettengesetz einem konsequent risikobasierten Ansatz folgen soll. So kann das Gesetz präventiv wirken und dafür sorgen, dass schwere Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden rechtzeitig erkannt und verhindert werden. Außerdem soll das Gesetz auch die tiefere Wertschöpfungskette abdecken. Beides schafft die Voraussetzungen dafür, Menschenrechte und Umwelt dort zu schützen, wo es am schlechtesten um sie bestellt ist: am Beginn der Lieferkette. Zudem hat das Parlament bestätigt, dass auch Unternehmen Verantwortung für den Klimaschutz tragen. Das Gesetz fordert von Unternehmen die Aufstellung und Umsetzung von Klimaschutzplänen im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel.“

Dennoch sei der beschlossene Kompromiss weit entfernt von den Forderungen als Zivilgesellschaft. Man begrüße die grundsätzliche Regelung zum Thema Haftung, sehe aber auch massive Schwächen: Betroffene blieben chancenlos, denn sie würden meist über geringe Mittel verfügen und keinen Zugang zu unternehmensinternen Informationen haben. So könnten sie vor Gericht kaum beweisen, dass Unternehmen ihre Sorgfaltspflichten nicht erfüllen. Darum fordere man eine faire Verteilung der Beweislast. Natürlich müssten auch für den Finanzsektor vollumfängliche Sorgfaltspflichten gelten. Besorgt sei man auch darüber, dass die deutschen Mitglieder der EVP-Fraktion (deutsche CDU/CSU) noch mit kurzfristigen Änderungsanträgen versucht hatten, das europäische Lieferkettengesetz weiter abzuschwächen.

Dr. Dirk Jandura, Präsident des Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen, sagt: „Die geplante Europäische Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) ist für die Außenhandelsnation Deutschland ein absoluter Tiefpunkt. Die Vorhaben des Europäischen Parlaments schießen völlig über das Ziel hinaus und übertreffen selbst noch das verunglückte deutsche Lieferkettengesetz. Die heute zur Abstimmung gestellten Änderungsanträge machen den Entwurf nur marginal besser.“ Jandura weiter: „Die geplante Richtlinie ist für den Mittelstand schlichtweg nicht leistbar und stellt eine bürokratische Überforderung dar. Wir fordern daher die Bundesregierung auf, sich in den anstehenden Trilog-Verhandlungen für eine generelle Ausnahme von kleineren und mittleren Unternehmen (KMU), eine Maximalharmonisierung der nationalen Richtlinien und eine Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung einzusetzen.“ In seiner jetzigen Form schädige die Richtlinie die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen und man manövriere sich immer mehr in die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit, so der BGA-Präsident, der besonders kritisiert, dass mittelständische Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden und einem globalen Nettoumsatz von 40 Mio. Euro durch die Richtlinie erfasst werden sollen. „Mittelständische Unternehmen sollen dann 23 Umwelt- und Menschenrechtsübereinkommen, 29 Menschenrechtskonventionen und -erklärungen, sowie 15 Umwelt- und Klimaschutzkonventionen einhalten und ihre sämtlichen Produkte überwachen. Wer soll das noch leisten? […]“, so Jandura.

Im Februar 2022 hatte die EU-Kommission ihren Vorschlag für die Corporate Sustainability Due Diligence Directive vorgelegt. In den folgenden Verhandlungen haben die Ausschüsse des Europäischen Parlaments einen Kompromiss formuliert, der nun zur Abstimmung gestellt wurde. Nun folgt der Trilog-Prozess, in dem die drei EU-Institutionen die finale Ausgestaltung der Richtlinie verhandeln.

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