Branchenumfrage zum Premium-Aus

  /  20.11.2023

Die Premium ist nach 21 Jahren Geschichte. Wie sind die Reaktionen auf die Einstellung der Messe und auf die Pläne mit der Seek? 1st-blue hat in der Branche nachgefragt…

©Introduce.berlin / Dominik Tryba

Die Januar-Ausgabe 2024 der Premium Berlin wurde gecancelt, die Messe wird eingestellt. 1st-blue hat sich in der Branche umgehört und dabei die folgenden Fragen gestellt:

1. Wie stehen Sie zur Einstellung der Premium?
2. Wie bewerten Sie die Messe und ihre Entwicklung rückblickend? Als Einstellungsgrund wird vor allem genannt, dass große Messen nicht mehr zeitgemäß seien, stimmen Sie dem zu?
3. Die Seek soll fortgeführt werden, ist die Messe bzw. ist Berlin generell - auch ohne die Premium - interessant für Sie?


Erwin O. Licher, Inhaber, Herrlicher Women und Herrlicher Männer:
1. „Für mich war die große 20 Jahre Party auch die Abschiedsparty.“
2. „Neben Berlin stellen wir seit Jahren sowieso erfolgreich auf der Supreme Düsseldorf und Supreme München lokal und klein aus!“
3. „Wir werden im Januar als Visitor da sein. Danach kann ich diese Frage beantworten.“

Bernd Hillen, Geschäftsführer der Centraltrade Germany und Blundstone-Distributeur:
1. „Ich finde es sehr bedauerlich, dass wieder eine internationale Messe in Deutschland eingestellt wird. Es fehlt in Deutschland eine große Mode- und Schuhmesse, die alle Bereiche abdeckt.“
2. „Rückblickend ist es immer einfach, auf vermeintliche Fehler hinzuweisen. Aus meiner Sicht gab es zu lange einen Wettbewerb an dem Messe-Standort Berlin, der nicht nur die Veranstalter, sondern auch die Aussteller und Besucher nicht zufrieden gestellt hat. Ich finde schon, das große Messen zeitgemäß sind, nur wenn eine Messe eine entsprechende Größe mit vielen Ausstellern hat, dann ist diese Messe auch für internationale Besucher interessant. Als Distributor der Marke Blundstone stehen wir in jeder Saison vor der Entscheidung, auf welche Messe gehen wir und wo erreichen wir unsere Kunden. Eine große Leitmesse für die Bereiche Mode, Schuhe und Accessoires ist aus meiner Sicht besser, als die vielen kleinen, regionalen Messen, die wir zurzeit haben.“
3. „Die Seek war in der Vergangenheit eine gesetzte Messe für uns. Durch die Änderung auf zwei Messetage sehe ich die Entwicklung, auch unabhängig von der Einstellung der Premium, kritisch, wir stehen jedoch mit dem engagierten Messe-Team in engem Kontakt.“

Sebastian Proft, Eigentümer, Stapf:
1. „Die Einstellung ist nicht überraschend – die Entscheidung wäre aber besser bereits im Juli getroffen worden.“
2. „Wenn die großen Labels kein Wachstum mehr schaffen und wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand stehen, schafft das für die Messen Probleme. Natürlich ist der Markt kleiner geworden und die Anforderungen an die Messen entsprechend höher. Am Ende hat der Erfolg der Seek die Premium überflüssig gemacht.“
3. „Ja, die Seek ist für uns so stark, dass ich davon ausgehe, dass sie sich weiter behaupten wird. Vielleicht kann die Beyond Fashion Berlin ja im Juli dann in die freien Hallen ziehen? Dass würde beide Messen stärken.“

Peter Frericks, Head of Global Sales und Brand Manager für Scotch & Soda Footwear, Bos Group:
1. „Das Aus ist sehr schade, aber es hat sehr viele Gründe und die sind individuell zu betrachten, aber es spiegelt leider die Stimmung im Handel, national und international, wider.“
2. „Was ist falsch an einer Messe, die viele Aussteller und somit eine große Zielgruppe anspricht?“
3. „Das kann ich nicht beurteilen.“

Eileen Kujanek, Head of Marketing D.A.CH., Happy Socks:
1. „Es ist sehr schade, dass ein solches Format und Plattform, das über so viele Jahre Bestand hatte und die Modewelt prägte, nun doch dem Wandel der Branche unterliegen musste. Wir wünschen den Mitarbeiter:innen der Premium alles Gute und bedanken und für viele schöne Jahre. Wir hoffen, es gibt einen Weg für das Format, eine neue Richtung einzuschlagen und ggf. eine Premium 2.0 zu erschaffen.“
2. „Dem stimmen wir leider zu. Das Thema Messe hat sich in den letzten Jahren stark verändert und es wurden nicht die notwendigen Schritte geschafft, die es gebraucht hätte, um weiterzumachen. Die Welt ist digitaler und schneller geworden. Das wirkt sich auf alle Bereiche aus. Wir konnten keine Top-Kunden mehr auf der Messe antreffen. Die Veranstaltung ist sehr regional geworden.“
3. „Wir sind leider nicht mehr dabei, da wir die Plattform nicht mehr als relevant für uns sehen. Wir wünschen dem Veranstalter, den Aussteller:innen sowie den Besuchern aber inspirierende Tage, Zeit und viel Erfolg.“

Michi Klemera, Managing Director, Luis Trenker:
1. „Es ist sehr schade für Berlin und es tut mir für die Macher persönlich sehr leid, natürlich fehlt künftig noch mehr eine gute Messe für Mode in Deutschland, die den heimischen Händler und das internationale Publikum anzieht.“
2. „Große internationale Messen sehen wir als sehr wichtig an. Wir haben doch alle durch Corona gespürt, wie wichtig der persönliche Austausch ist. Als wir auf der Premium ausgestellt haben, war es eine perfekte Plattform, um unsere Marke dem deutschen als auch dem internationalen Händler und Einkäufer zu präsentieren. Die Besucherstruktur hat sich geändert. Uns war wichtig, auch künftig deutsche und internationale Kunden zu treffen. Wir sind deshalb nach Florenz zur Pitti Uomo gewechselt, wo wir auch schon vor der Premium präsent waren.“
3. „Wir haben uns bereits vor drei Jahren entscheiden, wieder auf der Pitti Imagine Uomo auszustellen. […] Das Publikum ist international und es sind auch die wichtigsten deutschsprachigen Kunden vor Ort.“

Yvonne Ley, Head of Sales, Lanius: „Es ist bedauerlich, dass es die Premium nicht mehr geben wird. Wir haben die Anfänge der Tradeshow vor 21 Jahren miterlebt, die Erfolge und auch die letzten für uns alle herausfordernden Jahre. Die Branche lebt vom Austausch und wir werden die regelmäßigen Treffen mit unseren Kund*innen vermissen bzw. nach Alternativen suchen, um auch weiterhin den persönlichen Kontakt zu pflegen. Der Messestandort Deutschland ist für einen der größten Textilmärkte von enormer Wichtigkeit. Dass es die Premium trotz großer Anstrengung nicht geschafft hat, die Brands und Einkäufer*innen am Standort Berlin zu halten, empfinden wir als Verlust.“

Frank Götz, Partner, HR-Expertgroup, Executive Search & Consulting:
1. „Es ist einfach schade! Die Entzauberung der Branche geht weiter. Alle kennen natürlich die Entwicklungen der letzten Jahre mit weniger Bereitschaft der Besucher und Aussteller, die Kosten und Zeit auf sich zu nehmen. Das klare Kalkül auf beiden Seiten, inwiefern man von Messen profitiert, hat ja bereits in den letzten Jahren zu immer weniger Frequenz geführt. Die soft facts mit weniger Austausch, weniger Input für Neues, weniger Information allgemein über den reinen Einkaufs- und Verkaufsprozess und weniger gelebten Spirit hinaus bleiben dabei auf der Strecke. Der langfristige Schaden ist umgekehrt schwierig bezifferbar. Das hat bereits in den letzten Jahren stattgefunden. Darum ist der Impact begrenzt. Gut ist das aber nicht!“
2. „Das könnte man annehmen. Ich sehe das nicht so. Das Dilemma der hohen Kosten vs. vordergründig zu geringem Profit ist einfach da. Eine Lösung wüsste ich auch nicht, aber niemand kann den Messeveranstaltern vorwerfen, dass sie nicht versuchen, Anreize zu schaffen. Der Teufelskreis aus schwierigen Renditesituationen und geringer Bereitschaft, neue Wege und Sortimente zu finden hat zu weniger Attraktivität geführt. Wenn dann zu wenige kommen, geht die Spirale weiter. Dann haben die Veranstalter weniger Budget und Attraktivität, und so weiter. Momentan scheint da kein Ausweg zu sein. Hoffen wir mal, dass sich mittelfristig da wieder etwas entwickelt.“
3. „Auf der Seek ist schon ein sehr limitierter Kreis unterwegs. Obwohl ich Konzept und Spirit recht gut finde. Ich überlege noch, ob ich fahre. Wahrscheinlich schon, aber sicher nicht mehr mehrere Tage.“

Larissa Nüchtern, Managing Partnerin, on time PR:
„Mit dem Ende der Premium geht eine ganze Ära zu Ende – wir haben dort in all den Jahren für viele unserer Fashion- und zuletzt auch Beautykunden erfolgreich supportet, Kontakte geknüpft und aktiviert. Trotzdem kommt es nicht allzu überraschend, denn das klassische Aussteller-Messe-Konzept erscheint auch in unseren Beobachtungen nicht mehr als zukunftweisend. Marken müssen noch erlebbarer gemacht werden, Stories erzählen, noch mehr Add-ons anbieten und vor allem digitale Vorreiter sein – dafür ist ein Messestand ein herausforderndes und sehr budgetintensives Konzept. Wir hoffen, dass der Mode-Standort Berlin sich wieder neu erfinden kann und sind gespannt auf die Entwicklung der Seek, die für uns definitiv ein interessantes Spiel- und Recherchefeld ist.“

Chris Stricker, CEO, haebmau:
„Die Premium war für mich eine der wichtigsten Branchenevents, deswegen finde ich es natürlich wahnsinnig schade, dass die Messe jetzt eingestellt wird! Gleichzeitig ist die Entscheidung für mich absolut nachvollziehbar, da sich die Durchführung von großen Messen immer schwieriger gestaltet und auch nicht mehr dem Zeitgeist entspricht. Der Standortwechsel mit Frankfurt, wo die Idee der Messe nicht aufging, und auch Corona haben das Leben der Messe natürlich zusätzlich erschwert. Und um ehrlich zu sein, habe ich die Premium auch nie auf dem Messegelände gesehen. Mittlerweile sollte der Fokus darauf liegen, dezidiert verschiedenste Zielgruppen abzuholen. Hierauf zahlt die Seek ein, die als gezielte Messe sehr viel spitzer auf Communities eingehen kann. Für mich sollte eine Messe nach wie vor Plattform sein, auf der sich Menschen persönlich treffen, austauschen und gemeinsam an Herausforderungen der Zukunft der Modebranche arbeiten. Dennoch sollten diese konzentrierter an Themen arbeiten und sich weg von Messefeeling hin zu Festival-Charakter entwickeln. Deshalb ist Berlin mit der Seek auch nach wie vor attraktiv, da die Stadt dazu einlädt, mehr als nur die Messe zu erleben. Timing-wise würde ich es begrüßen, wenn Fashion Week und Messe gebündelt stattfinden, da zwei Termine direkt aufeinanderfolgend schwierig sein könnten.“

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