„Herr Künz, wird sich die Branche durch Corona verändern?“

  /  26.05.2021

Stephan Künz, Geschäftsführer der Marke Blutsgeschwister, gibt im Interview Einblicke über Nachhaltigkeit, die Folgen der Pandemie und andere Herausforderungen…

Stephan Künz

Stephan Künz, Geschäftsführer der in Berlin ansässigen Marke Blutsgeschwister, spricht im Interview über die Nachhaltigkeitsstrategie der Marke, bemängelt zu viel Ware im Markt, zu wenig Einzigartigkeit und Ehrlichkeit und erklärt zudem den Schlüssel des Erfolgs von Blutsgeschwister…

Die Inzidenzen sinken, der Handel darf vielerorts wieder öffnen, wenn auch meistens noch mit Einschränkungen. Wie hat Blutsgeschwister die Pandemie bisher überstanden?

„Wir haben die Pandemie als Unternehmen bisher gut überstanden. Wir konnten Ergebnis und Umsatz in 2020 in etwa auf dem Vorjahresniveau halten. Geholfen haben uns dabei unsere vielen starken Handelspartner, die teilweise mit wundervollen Initiativen auch während der Pandemie die Lust auf ehrliche und nachhaltig produzierte, lebensbejahende Kleidung hoch gehalten haben. Auch in unseren eigenen 15 Flagship-Läden waren wir nicht untätig – wenngleich jetzt im Frühjahr 2021 schon an mancher Stelle die Luft etwas dünn wurde – in Erfurt zum Beispiel waren wir rund fünf Monate behördlich geschlossen. Unser digitaler Kanal hat uns dabei natürlich sehr geholfen. Und seit einigen Wochen geht es überall wieder aufwärts und wir können geradewegs ein begeistertes Aufatmen spüren!“

Glauben Sie, dass sich die Branche durch Corona verändern wird oder ist jeder nur einfach froh, wenn es wieder so läuft wie früher?

„Die Branche hat sich schon verändert – auch vor Corona. Und ein ‚so wie früher‘ wird es nicht geben. Es gibt heute zu viel Ware im Markt und zu wenig Einzigartigkeit und vielleicht auch Ehrlichkeit, wenn man so will. Die Kosten für die Masse an Ware sind ja da – wenn nicht beim Konsumenten, so doch bei der Umwelt. Und mehr und mehr Menschen sind nicht gewillt, das mitzumachen. Also werden wir künftig alle daran gemessen, was wir produzieren und wie wir produzieren. Und hier engagieren wir uns seit Jahren, weil es zur DNA des Unternehmens gehört. Einerseits als Leader der Fair Wear Foundation, andererseits über unsere Materialauswahl beispielsweise von Biobaumwolle oder ecoVero Viskose. Schließlich, indem wir langlebige, zeitlose Lieblingsstücke kreieren.“

Sie sind seit 2010 Geschäftsführer des Labels. Was waren – unabhängig von Covid-19 - die größten Herausforderungen?

„Eine der größten Herausforderungen bleibt für mich, unsere Produkte stets möglichst fair und ökologisch nachhaltig zu produzieren. Dabei stets innovativ zu bleiben und uns immer neu zu erfinden. Schließlich die Geschwindigkeit des Wandels als vergleichsweise kleines Unternehmen immer mitzugehen – unsere schnellen Entscheidungswege machen uns das einfach, die begrenzten Ressourcen allerdings auch herausfordernd.“

Blutsgeschwister hat vor allem durch die farbenfrohen, musterreichen Styles eine ganz eigene Handschrift. Wie wichtig ist es der Marke, sich von der Masse abzugeben und keine Mainstream-Mode zu präsentieren?

„Das ist unser Schlüssel zum Erfolg – und auch im Kern der Marke und des Unternehmens. Karin [Ziegler] hat die Marke 2001 genau mit dieser Idee gegründet – nämlich Kleidung anzubieten, die lange stilsicher getragen werden kann, die gerne auch ein zweites oder drittes Leben führen darf und ganz einfach die Welt etwas bunter und fröhlicher macht. Bequeme Teile mit Couture-Charakter für jede Figur – als Body Positivity gefühlt noch nicht in jedem zweiten Markenstatement vorkam. Produkte, die es so im Markt noch nicht gab.“

Im Fair Wear-Brand Performance Check ist Blutgeschwister, wie schon von Ihnen angesprochen, ein „Leader Brand“; Nachhaltigkeit spielte schon immer eine wichtige Rolle für die Marke. Was sind die größten Errungenschaften in diesem Bereich?


„Wir sind seit Jahren Leader der Fair Wear Foundation. Und gerade vor wenigen Tagen für 2020 wieder als Leader – mit unserem besten Ergebnis bisher – bestätigt worden. Neben unseren großen Anstrengungen als fair produzierendes Unternehmen haben wir zur Herbst/Winter-Kollektion 2021 schon fast unsere gesamte Produktion auf besonders nachhaltige Ware umgestellt. Wir haben von konventioneller Baumwolle zu Biobaumwolle gewechselt, von Viskose zu ecoVero, um nur zwei Beispiele zu nennen. Weiter durchleuchten wir alle Bereiche des Unternehmens und stellen überall auf besonders nachhaltige Prozesse um – als kleines Beispiel haben wir alles Plastik aus unseren Labels verbannt und verwenden stattdessen z.B. Bänder aus recyceltem Papier.“

Vor rund fünf Jahren ist Blutsgeschwister von Stuttgart komplett nach Berlin gezogen. Inwiefern war dieser Schritt notwendig für die Entwicklung der Marke?

„Der Schritt war damals schmerzhaft, da wir einen Teil unseres Teams verloren haben – wunderbare Menschen, die leider nicht mit nach Berlin gewechselt sind. Für unser Unternehmen war der Schritt, alle Bereiche an einem Standort zu bündeln, damals notwendig. Der Austausch zwischen den kreativen und den kaufmännischen Bereichen hat sich dadurch extrem verbessert und wir konnten Barrieren zwischen den Bereichen abbauen. Heute machen wir positive Erfahrungen mit digitalen Hilfsmitteln und Home Office während der Pandemie und können damit Barrieren weiter abbauen. Wir entwickeln uns jetzt kraftvoll und stetig weiter.“

In einem Artikel von 2019 im Tagesspiegel heißt es über Sie: „Der Südtiroler hat den Ruf eines Genies, das sich in der Psychologie so heimisch fühlt wie in der Mathematik und die Zahlen in Ordnung halten kann“. Stimmen Sie zu?


„Dem ‚Südtiroler‘ kann ich zustimmen, da wurde ich geboren und ich bin gerne im Land an der Grenze zwischen zwei Kulturen. Und dieser Ausgleich hat mich sicher auch geprägt. Ansonsten mag ich Zahlen und Menschen und verbinde beides gerne in meiner täglichen Arbeit möglichst weitblickend. Wenn das dann noch Spaß macht, ich wie bei Blutsgeschwister mit einem tollen Team und spannenden Partnern etwas Gutes bewirken kann, fühlt es sich wunderbar an.“

Vielen Dank für das Interview!

FÜR DEN VOLLSTÄNDIGEN INHALT DIESER SEITE, MELDEN SIE SICH BITTE AN.

Noch kein Mitglied?

Dann registrieren Sie sich jetzt für den kostenfreien 1st-blue-Business Club.
Als Teil unserer Community erhalten Sie Zugriff auf Branchen-News, Orderinfos, Netzwerktools und den wöchentlichen B2B-Newsletter.