„Herr Heuchel, wie bringen Sie Nordlicht nachhaltig voran?“

  /  22.11.2023

Maritta Genthner und Nico Heuchel setzen mit Nordlicht auf faire, nachhaltige Mode. Wie sich das Label und die Branche verändert haben und an welchem Projekt sie derzeit arbeiten…

Nico Heuchel, Maritta Genthner

Maritta Genthner und Nico Heuchel, die beiden kreativen Köpfe hinter der Marke Nordlicht, kennen sich seit dem gemeinsamen Studium, haben nach zahlreichen Reisen in Süddeutschland Fuß gefasst und arbeiten gemeinsam mit ihrem Team an der Vision, faire, nachhaltige Mode für mehr Menschen zugänglich zu machen. Im Interview geht es um Unabhängigkeit, Kreislaufwirtschaft und ethisches Unternehmertum innerhalb kapitalistischer Strukturen.

Nordlicht feiert nächstes Jahr sein 10-jähriges Bestehen. Mit welchem Anspruch haben Sie die Marke gegründet und wie hat sich dieser über die Jahre vielleicht verändert?
 
„Als Maritta und ich Nordlicht gründeten, lag unser Fokus auf fairen und nachhaltigen Accessoires ohne die Verwendung von Kunststoffen. Im Laufe der Zeit erweiterten sich unser Sortiment und auch unsere Prinzipien um soziale und ökologische Verantwortung. Heute steht Nordlicht für eine bewusste Wahl – nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern auch mit einem positiven Beitrag zur Umwelt.“
 
Sie haben mit Nordlicht die Corona-Pandemie und weitere wirtschaftliche Krisen überstanden. Wie haben Sie das geschafft?
 
„Die Herausforderungen waren groß, aber als eigenfinanziertes Unternehmen konnten wir flexibel agieren und waren nicht dem Druck externer Geldgeber ausgesetzt. Gemeinsam mit unserem großartigen Team und der Unterstützung unserer loyalen Kunden haben wir diese Phase gut überstanden und wurden erneut darin bestärkt, finanziell unabhängig zu bleiben.“
 
Wie hat sich Ihrer Meinung nach das Ansehen nachhaltiger Labels bzw. wie hat sich die Modebranche verändert?
 
„Das Ansehen nachhaltiger Labels hat durch die Jahre positiv entwickelt, besonders durch die steigende Nachfrage von Verbraucher*innen, die genau wissen wollen, wie und wo ihre Kleidung produziert wurde. Die Modebranche erlebt einen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit, wobei Transparenz und Umweltbewusstsein zunehmend an Bedeutung gewinnen.“
 
Die Nordlicht-Kollektion verbindet Nachhaltigkeit und Fairness in der Produktion und wird in Portugal hergestellt. Warum dort und wie sieht die Zusammenarbeit aus?
 
„Portugal ist für uns die perfekte Wahl als Produktionsstandort. Die lange Tradition in der Textilproduktion, verbunden mit höchsten Standards in Schnitt und Material, ermöglicht es uns, hier qualitativ hochwertige und nachhaltige Produkte zu schaffen. Die Zusammenarbeit in Portugal eröffnet nicht nur die Möglichkeit für kurze Lieferketten, sondern auch für regelmäßige persönliche Besuche vor Ort. Das Land ist anderen in Bezug auf innovative Praktiken, wie etwa im Recyclingprozess, dem Einsatz von Ökostrom und zum Beispiel der Entwicklung innovativer und nachhaltiger Färbemethoden, weit voraus.“
 
Das Portfolio umfasst bereits Kleidung, Taschen, Rucksäcke und Accessoires wie Schals, Mützen, Handschuhe, Gürtel, Schlüsselanhänger – allesamt aus Naturstoffen. Auch Sneaker aus recycelten Apfelresten und Tennisbällen gibt es. Sind weitere Innovationen in der Pipeline?
 
„Wir bleiben neugierig und möchten kontinuierlich Neues ausprobieren. Wir arbeiten an einem tollen Projekt: einem Rückgabesystem für 100% Bio-Baumwollprodukte. Kunden können nicht mehr benötigte Produkte zurückgeben, um wertvolle Ressourcen durch Recycling zu schonen. Aus diesen Materialien werden wir neue Produkte herstellen. Dieser innovative Ansatz bringt uns nachhaltig voran und etabliert Nordlicht als Vorreiter in der Kreislaufwirtschaft. Unser Ziel ist es, umweltfreundliche Innovationen zu fördern und unsere Produktions- und Konsumweise positiv zu verändern.“
 
Auf der Suche nach einem nachhaltigem Wirtschaftsmodell sind Sie auf die Gemeinwohl-Ökonomie gestoßen und haben sich vor rund eineinhalb Jahren für eine Mitgliedschaft entschieden, als Alternative zum Kapitalismus. Was bedeutet das für die Marke und für Sie im Detail?
 
„Die GWÖ ist für uns eine Orientierung, um eine ethische Marktwirtschaft zu fördern, die nicht nur auf Geldvermehrung abzielt, sondern das gute Leben für alle. Bei Nordlicht setzen wir uns aktiv dafür ein, unsere Geschäftspraktiken an diesen ethischen Werten auszurichten. Obwohl wir realistisch sind und wissen, dass unser Beitrag allein die Welt nicht verändern wird, praktizieren meine Mitgründerin Maritta und ich ethisches Unternehmertum so weit wie möglich innerhalb der bestehenden kapitalistischen Strukturen. Wir sind fest davon überzeugt, dass auch kleine Rädchen in einem globalen Wandel eine bedeutende Rolle spielen können.“
 
Einen Teil der Erlöse spenden Sie an verschiedene Organisationen – zudem arbeiten Sie mit einer Manufaktur in der Ukraine zusammen und produzieren dort einen Rucksack und zwei Geldbeutel; 5% der Erlöse werden an Rescue Now gespendet. Wie entscheiden Sie sich für die entsprechenden Hilfsprojekte?
 
„Die Entscheidung für Hilfsprojekte erfolgt im Einklang mit unseren Werten und dem Ziel, positive Veränderungen zu bewirken. Zu Beginn des Angriffs auf die Ukraine fühlten wir uns machtlos und hatten trotzdem das Starke Bedürfnis zu helfen. Wir hatten das Glück, auf unseren Partner Dmitry zu stoßen. Durch die Produktion vor Ort, können wir zusätzlich zu der Spendenerlöse für Rescue Now, noch Arbeitsplätze der Menschen in der Ukraine erhalten.“  
 
Sie haben mit Nordlicht die Gots- sowie für die Lederprodukte die LWG-Zertifizierung. Das dritte Siegel ist der Grüne Knopf 2.0. Welche Rolle spielen Zertifizierungen für Sie?
 
„Zertifizierungen sind zentral, um in der Vielfalt nachhaltiger Versprechen den Überblick zu behalten. Unsere GOTS- und LWG-Zertifizierungen sowie der Grüne Knopf 2.0 betonen unsere Verpflichtung zu fairen Arbeitsbedingungen, Umweltschutz und sozialer Verantwortung. Sie bieten unseren Kunden Gewissheit beim qualitätsbewussten Einkauf.“
 
Die Zertifizierungsprozesse können für kleinere, selbst finanzierte Unternehmen eine Herausforderung sein, haben Sie einmal gesagt, inwiefern und wie könnte man das ändern?
 
„Es müsste eine Struktur geben, die ethisch korrekt ist und umweltschützendes Unternehmertum belohnt. Dies könnte über Steuererleichterungen oder andere Subventionen für faire und nachhaltige Unternehmen passieren. Der Zertifizierungsprozess ist aufwendig und langwierig, und das ist gut so, denn es ist wichtig, dass bei den Zertifizierungen auf alle Aspekte genau geachtet wird. Hier soll alles genau betrachtet werden, und nichts sollte übersehen werden. Finanzielle Unterstützung würde kleinen nachhaltigen Brands wahrscheinlich am meisten helfen.“

Vielen Dank für das Interview!

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