„Herr Götz, was geht derzeit am Arbeitsmarkt?“

  /  14.06.2021

Frank Götz, Partner der HR-Expertgroup, spricht im ersten Teil des Interviews darüber, wie das wichtigste Gut der Branche, die Menschen, gesucht, gefunden und behandelt werden…

Frank Götz

Frank Götz besetzt als Headhunter der Mode- und Lifestylebranche geschäftskritische Positionen, berät zu Personalstrukturen und operativen Themen. Handel und Industrie durchlaufen einen nie dagewesenen Change-Prozess, nicht nur durch Corona. Ein Anlass, den Einfluss auf das Leben der Mitarbeiter und den Arbeitsmarkt zu beleuchten.  Im Interview verrät er, was man alles falsch machen kann und wie man die Sichtweise auf Teams und bei Neueinstellungen drastisch verändern sollte.

Herr Götz, gleich vorweg: Warum und für wen lohnt es, einen Headhunter zu beauftragen?

„Eigentlich für jeden, etwas abhängig von der zu besetzenden Stelle! Natürlich hört man öfter, dass für einen Headhunter zusätzliches Budget freigemacht werden muss, das man sich durch eigene Suche sparen könnte. Diese Rechnung geht aber in der Regel nicht auf. Es muss eine professionelle Anzeige gestaltet und geschaltet werden. Das kostet je nach Medium schon mal richtig Geld. Wenn dann zum Beispiel nicht die richtigen Buzzwords oder die passende Streuung verarbeitet wurden, war das schon mal für die Katz‘. Dann meldet sich ein willkürlicher und oft falscher Kreis und man neigt am Ende dazu, den Einäugigen unter den Blinden auszuwählen. Das ist bei den hohen Gehaltskosten in jeder Position ein richtiger Schaden. Dazu kommt die Blockade der Arbeitsleistung der Mitarbeiter. Meist ist der Geschäftsführer, der Abteilungsleiter, die HR-Abteilung und noch einiges auf Assistenzebene von produktiver Arbeit abgehalten. Bewerbungen aussortieren, Erstinterviews vereinbaren und durchführen, andere absagen, Zweitinterviews, etc. Oft mit dem Ergebnis, dass das häufig teuerste und wichtigste Asset, nämlich die Mitarbeiter, unter Zeitdruck und teils unprofessionell gesourced werden. Das ist viel kostenintensiver.“

Worauf sollte bei der Personalsuche besonders geachtet werden?

„Zuerst einmal darauf, was und wen man will. Das ist in der isolierten Nabelschau meist unmöglich. Erfahrungsgemäß wissen viele Suchende im Vorfeld nicht, welche Fragen sie sich selbst stellen müssten. Natürlich können Hard Skills wie Ausbildung, Erfahrung, bisherige Tätigkeiten und in welchem Umfeld leicht definiert und abgeprüft werden. Die immer wieder wichtigste Frage ist, welche Eigenschaften muss der/die Kandidat*in haben, um zu Marke, Team und Abteilungsleitung oder auch zur Geschäftsführung zu passen. Das wird dann aus dem Bauch heraus in den Gesprächen entschieden. Ein häufig fataler Fehler, den viele gar nicht zu vermeiden wissen.“

Welche Mitarbeiter werden am meisten gesucht und gefunden?

„Am meisten gesucht und am wenigsten gefunden werden zurzeit, wen wundert’s, gute Mitarbeiter auf der digitalen Seite. Da hat man ohne Direktansprache fast keine Chance. Es gibt einfach zu wenige E-Commerce-, Social Media-, Marketplace- und Digitalkanalmitarbeiter. Aber auch kreative Manager, die einer Firma helfen, aus den alten, eingefahrenen Strukturen herauszukommen, haben gute Chancen. Hier beraten wir übrigens auch, wenn mancher Geschäftsführer nicht so richtig weiß, wie er nun eine neue, moderne Struktur im Unternehmen aufsetzen soll. In den letzten Jahren sind viele neue Jobs und Stellenbezeichnungen entstanden. Da ist es keine Schande, wenn man das im eigenen Tunnel nicht erkennt.“

Gibt es Unterschiede zwischen Industrie und Handel?


„Ja, große. Der Handel hat vor allem im Lockdown große Kräfte mobilisiert. Die hinter vorgehaltener Hand vor 18 Monaten noch manchmal totgesagten kleineren Handelsformen haben einen teils erstaunlichen Wandel vollzogen. Flexibel, proaktiv und richtig erfrischend. Größere Formen konnten das verständlicherweise nicht so schnell und umfassend. Obwohl es da auch Champions gibt. In der Industrie hingegen wurde vieles erst einmal auf Eis gelegt. Hier war die Haltung eher reaktiv. Leider haben nur wenige in Planung auf die jetzt kommenden Erleichterungen hingearbeitet. Dies schlägt sich zeitweise auf die Personalstrukturen nieder. Das mag aber auch an den sehr unterschiedlichen Unterstützungen liegen. Erst jetzt beginnen viele Unternehmen, die bislang zurückgehaltenen Maßnahmen wieder, teils auch verändert, in Angriff zu nehmen.“

Darüber hinaus: Gibt es Unterschiede zwischen Luxus und Mainstream?

„Luxus, bzw. Premium scheint besser zu funktionieren als der Mainstream. Allerdings müsste hier die jeweilige Begrifflichkeit genauer definiert werden. Das mag auch an den unterschiedlichen Verhaltensweisen der Konsumenten in diesen speziellen Zeiten liegen. Eventuell scheint da Kurzarbeit oder auch die zuletzt fehlende Möglichkeit des Ausgehens oder sich zu treffen eine Rolle zu spielen. Jedenfalls sind die, bei denen der letzte Euro keine so große Rolle spielt, zurzeit aktiver dabei, Personalstrukturen zu planen und zu verändern.“

Mal abgesehen von der Personalsuche, wie kann man seine guten Mitarbeiter halten?


„Nur durch Spirit und Klima. Das Gehalt spielt am Anfang eine gewisse Rolle, wird jedoch bald zu einer relativ fixen Größe. Wenn das Team, das Umfeld oder der Chef nicht zusammenpassen, kommt schnell Unzufriedenheit auf. Es ist erstaunlich, wie sehr im anderen Fall die Leistungen der Mitarbeiter wachsen. Wir vergleichen Kandidaten häufig mit einem Eisberg. Man sieht nur das eine Siebtel, das über der Oberfläche schwimmt. Die verbleibenden sechs Siebtel wird man ohne professionelle Hilfe im Bewerbungsgespräch nie sehen. Das kann man aber im Vorfeld mit den entsprechenden Tools abprüfen.“

Wie können Firmen die Potenziale ihrer Mitarbeiter besser nutzen?

„Indem man den Leuten die richtigen Aufgaben gibt. Wir erstellen softwaregestützt intensive Profile über Neigungen und Stärken der bestehenden Mitarbeiter. Da kommen häufig überraschende Ergebnisse heraus. Manchmal sitzt jemand auf einer Stelle oder in einem Tätigkeitskreis und macht einen guten Job, würde aber zum Beispiel im Vertrieb erst sein volles Potenzial entfalten. Es muss aber nicht immer so ein extremer Fall sein. Viele machen, wie gelernt, ihre tägliche Routinearbeit. Das gehört dazu. Einige wollen diese Tätigkeiten, für andere sind sie notwendiges Übel. Schon da kann man über Aufgabenumverteilung vieles verändern. Mit dem Ergebnis, dass diese Menschen erheblich glücklicher und dadurch produktiver werden. Es muss nicht immer ein Profil sein, aber diese Unterstützung hilft, zu erkennen, wie mit teils kleinen Veränderungen viel erreicht werden kann. Das kostet übrigens nicht die Welt und macht sich sehr schnell bezahlt.“

Vielen Dank für das Interview!

Teil 2 des Interviews lesen Sie nächste Woche.

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