Mela aus Kassel und die Innatex in Hochheim bei Frankfurt am Main kennen sich seit zehn Jahren. Das Label für Green Fashion und die Messe für nachhaltige Textilien engagieren sich in einer Industrie, die es derzeit leichter haben könnte. Henning Siedentopp, Gründer von Mela, Jonas Stolze, Head of B2B bei der Marke, und Alexander Hitzel, Projektleiter der Innatex, über Krisenstrategien, Erinnerungen und den Blick nach vorne…
Es ist nicht zu ignorieren, die Modebranche erlebt Herausforderungen. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Henning Siedentopp: „Wir haben eine klare, langfristige Strategie und Vision und setzen sie auch in herausfordernden Zeiten ‚auf Sicht fahrend‘ um. Dazu gehört, dass wir immer die Kundin und den Kunden, deren Wünsche, Bedürfnisse und Einkaufsverhalten im Blick behalten. Mit dem Handel stehen wir im konstanten Dialog, um auf Veränderungen gemeinsam zu reagieren.“
Jonas Stolze: „In herausfordernden Zeiten hilft es uns auch, dass wir – neben einer klaren Zukunftsvision und Kundenfokus – mutig unser Produktportfolio erweitert haben. Die Mela Home-Linie und die Mela Super Sustainable Socks kommen bei unseren Endkund:innen und im Handel sehr gut an.
Und Nachhaltigkeit ist für uns nicht verhandelbar, wir sind in dem Bereich weiter Spitzenklasse – und wollen uns gleichzeitig noch weiterentwickeln. Manche Unternehmen sparen bei der Nachhaltigkeit, wenn es hart wird. Wir wollen es umgekehrt machen.“
Alexander Hitzel: „Ich stimme zu. Auch für uns ist es wichtig, dass wir als Messeveranstalter in einer unsicheren Phase konstant und verlässlich bleiben, und zwar seit Gründung ohne Ausnahmen. Gerade jetzt braucht die Branche Partner:innen, denen sie vertrauen kann. Innerhalb dieses Rahmens ist es natürlich wichtig, dass wir nach vorne schauen. Derzeit entwickeln wir beispielsweise eine neue Sonderfläche und gehen weitere Partnerschaften ein. Mehr können wir derzeit noch nicht sagen, außer dass Stillstand nicht sein darf.
Wir setzen alles daran, eine faire Preispolitik beizubehalten, soweit es für uns möglich ist bei extrem steigenden Kosten und wirklich dringenden Investitionen für Neuerungen. Die faire Preisstruktur behalten wir nicht nur für Aussteller:innen, sondern auch für das Publikum bei.“
Haben Sie noch mehr Insights?
Henning Siedentopp: „Natürlich ist es wichtig, als Modemarke das eigene Portfolio ständig auf dem Prüfstand zu haben. Zahlen, Daten, Fakten sind wichtiger denn je. Analysen, was läuft gut, was nicht, wo gibt es besonders hohe Nachfragen und wo tut sich was im Markt. Das alles im Blick zu haben und schnell drauf zu reagieren ist ein Schlüssel zum Erfolg. Bei Wind und Sturm stecken manche den Kopf in den Sand. Andere bauen Windräder und fangen die freigesetzte Energie ein. Wir zählen klar zu der zweiten Gruppe.“
Jonas Stolze: „Wir haben besonders in schwierigeren Zeiten auch davon profitiert, dass wir ein kommerzielles Produktportfolio für sehr wettbewerbsfähige Preise angeboten haben. Und das bleibt auch so. Ich glaube, dass wir momentan bei der ein oder anderen Kaufentscheidung die Nase vorne haben, gerade weil die Kund:innen eine höhere Preissensibilität zeigen.“
Alexander Hitzel: „Auch wir von der Innatex stecken den Kopf nicht in den Sand, wie Henning sagt, im Gegenteil. Wir gehen offen mit aktuellen Themen um, beispielsweise in unserem Talk-Programm. Aber auch sonst haben wir eine ehrliche Kommunikation mit unseren Kund:innen und Partner:innen. Bei der letzten Innatex hatten wir eine solide Besucherfrequenz, wenn auch nicht auf Vor-Corona-Niveau. Es war deutlich, dass die Community auch in herausfordernden Zeiten eng zusammensteht.“
Wie spüren Sie die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen?
Jonas Stolze: „Klar, wir sind als Menschen und als Unternehmen in die Gesellschaft eingebettet und spüren die Erschütterungen. Themen wie zum Beispiel der Ukrainekrieg, steigende Inflation, fortschreitende Klimakrise oder auch der Rechtsruck in der Gesellschaft beschäftigen uns im Team. Und wir reden viel mit unserem Partner*innen im Handel über die Krisen unserer Zeit. Zum einen können diese Themenfelder natürlich das Geschäft negativ beeinflussen, gleichzeitig wollen wir weiter zu unseren Werten und Überzeugungen stehen. Wir haben uns zum Beispiel vor der letzten Bundestagswahl in einer größeren Kampagne für die demokratischen Grundwerte und eine offene, vielfältige Gesellschaft stark gemacht.“
Henning Siedentopp: „Ja, auch wir spüren seit einigen Jahren stetige Veränderungen im Markt, den auch politische Ereignisse beeinflussen. Gleichzeitig merken wir: Wir haben viel mehr in der Hand, als wir geglaubt haben. Insofern lassen wir uns vom Marktgeschehen auch nur noch bedingt beeinflussen.“
Alexander Hitzel: „Das Frühjahr verlief für einige Akteurinnen und Akteure eher durchwachsen – geprägt von wirtschaftlicher Zurückhaltung. Politische Unsicherheiten, der anhaltende Krieg und konjunkturelle Herausforderungen beeinflussen das Verhalten vieler Marktteilnehmer:innen. Der Sommer wird zeigen, wie sich Frequenz und Geschäftslage weiterentwickeln. Wir bleiben zuversichtlich, tun unser Bestes – und wachsen auch durch diese Phase weiter zusammen. Die Branche hat schon vieles gemeinsam gemeistert.“
Welche politischen Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht notwendig, um nachhaltige Mode besser zu fördern?
Henning Siedentopp: „Sinnvoll wären Vorteile für fairtrade- und bio-zertifizierte Produkte über Zölle und die Mehrwertsteuer. Die Politik muss einheitliche Regelungen auf EU-Ebene, also die Lieferkettengesetze wie ursprünglich geplant umsetzen, statt sie abzuschwächen oder zu schieben. Das gilt zumindest für die Textilbranche, da sie schon sehr weit ist in den entsprechenden Bereichen. Anreize zur Reduzierung der Textilproduktion und die Implementierung von Rücknahmesystemen im Sinne einer echten Kreislauffähigkeit könnten ebenfalls helfen.“
Jonas Stolze: „Hennig hat schon die entscheidenden Punkte genannt. Ich hoffe, dass im jetzigen politischen Umfeld das Thema Nachhaltigkeit nicht hinten runterfällt. Das wäre aus meiner Sicht fatal.“
Welche Rolle kann die Innatex im politischen Diskurs nachhaltiger Mode spielen?
Alexander Hitzel: „Wir sind eine unabhängige Plattform und verstehen uns weniger als politische Institution, sondern als neutraler Ort für Austausch, Information und Vernetzung. In dem Setting schaffen wir Raum für Gespräche, Talks und Panels mit Vertreter:innen aus allen gesellschaftlichen sowie politischen Bereichen, um wichtige gesellschaftliche, politische Fragestellungen sichtbar zu machen. Wir sind eine nach wie vor eine kleine Bubble, die Großes bewirkt hat und noch viele Herausforderungen vor sich hat.“
Welche Bedeutung hat die Innatex inzwischen für Mela?
Henning Siedentopp: „Die Innatex ist ein fester Baustein im Handelsgeschäft zweimal im Jahr. Wir freuen uns über Insights, Branchenupdates und den Austausch mit anderen Marken. Die Innatex steht für Beständigkeit im unbeständigem Messeumfeld.“
Jonas Stolze: „Ich stimme Henning zu: Die Innatex ist die wichtigste Messe für uns. Und das ist schon eine wunderbare Sache. Und wir haben mittlerweile einen riesigen Stand (lacht). Wir treffen hier die meisten Partner:innen, um unsere neue Kollektion zu zeigen, und natürlich treffen wir dort auch unsere beeindruckenden Mitbewerber:innen. Der freundschaftliche Austausch ist sehr wichtig für uns. Ja, die Innatex ist eine Institution in der nachhaltigen Modebranche – well deserved.“
Mela ist seit zehn Jahren dabei – welche Geschichten können Sie erzählen?
Henning Siedentopp: „Früher haben wir unsere Melateria mitgenommen, weil unsere Kollektion zu klein war. Das war ein Tuk-Tuk, an dem wir Kaffee ausgegeben haben. Heute haben wir dafür keinen Platz mehr am Stand, weil die Kollektion so gewachsen ist.“
Alexander Hitzel: „Ich mochte das Tuk-Tuk mit der Kaffeemaschine.“
Jonas Stolze: „Der Fahrstuhl in der ersten Etage ist mittlerweile legendär – das Nadelöhr der nachhaltigen Messelandschaft (lacht).“
Alexander Hitzel: „Mooooment… (lacht)“
Jonas Stolze: „Letzten Winter hatten wir ein Bett dabei, um Mela Home zu zeigen. Einige Standbesucher*innen wollten sich dort direkt zum Power Nap hinlegen.“
Alexander Hitzel: „Ich erinnere mich gerne an die ersten Jahre. In unserer damaligen Halle 2 wollte Henning unbedingt ganz nach hinten links in die Ecke. Henning und sein Team haben mit vielen anderen jungen Brands unsere Messe mit frischem Wind bereichert. Die Vorstellung des ersten Mela Sneakers in 2018 war cool. Damals wählten sie die Innatex als eine der ersten Plattformen überhaupt aus, um den Sneaker vorzustellen.“
Jonas Stolze: „Ach ja, ich liebe die Innatex-Party im Sommer. So ein schönes Community-Feeling mit intensiven Sommernachtstanzstunden (lacht).“
Alexander Hitzel: „Wir feiern die Freundschaft, gerne auch mit Humor.“
Inwieweit unterstützen Messen wie die Innatex das wirtschaftliche Wachstum in unsicheren Zeiten?
Henning Siedentopp: „Labels und Agenturen können dort Neukund:innen kennenlernen, neue Produkte vorstellen, Bestandskund:innen halten und ausbauen.“
Jonas Stolze: „In unsicheren Zeiten ist es gut, sich face to face zu sehen – das schafft Vertrauen, fördert das Business und macht einfach Spaß. Hier gibt die Innatex den perfekten Rahmen. Wir treffen dort besonders Bestandskund:innen, es sind aber auch immer wieder Neukund:innen dabei. Die letzte Innatex war sehr gut – wir hatten unseren größten Stand und die meisten Besucher:innen ever. Die Atmosphäre war wie immer freundschaftlich – mit den Kund*innen, Mitbewerber*innen und mit euch als Veranstalter*innen. Da war wieder dieses Innatex-Feeling, das wir so mögen.“
Alexander Hitzel: „Pandemie-Jahre haben gezeigt, dass Digital und Hybrid allein nicht die Zukunft sind. Menschen wollen sich treffen und Beziehung auf persönlicher Ebene pflegen, Ware direkt vergleichen und anfassen. Als größte Plattform legt die Innatex den Fokus auf Vernetzung und Order und bietet dafür eine relativ ruhige Atmosphäre. Auch kleinere, junge Labels wollen wir fördern.“
Welche spannende Neuerung steht im Fokus für Sommer 2025?
Jonas Stolze: „Wir werden unsere wunderbare Frühjahr/Sommer-Kollektion 2026 präsentieren. Das wird richtig gut – mit jeder Menge neuen Styles. In allen Produktgruppen wird es aufregende Überraschungen geben. Meine Favoriten: Bestickte und bedruckte T-Shirts – auch mit Mela Branding; ein mega cooles Cropped Ribbed Tanktop und Roll Hem Socken.“
Alexander Hitzel: „Mela hat wieder einen riesigen Stand von 50 qm. Ich bin gespannt, was ihr diesmal so plant. Wir hatten noch nie eine so große Vielfalt bei Heritage. Das ist der Bereich mit den jüngeren Brands im Obergeschoss. Wir freuen uns auf das Talkprogramm mit den Nina Lorenzen von den Fashion Changers und Mirjam Smend von Greenstyle Munich. Das große Handelsverband Fachpanel bespricht diesmal das Thema Ladendiebstahl mit Zahlen und Fakten, rechtlichen Tipps, Maßnahmen zum Vorbeugen sowie im Problemfall. Und in der Outdoor-Area und bei der Sommerparty am Sonntag können wir wieder entspannen und feiern.“
Vielen Dank für das Interview!
„Gerne auch mit Humor...“
/ 25.06.2025Innatex-Projektleiter Alexander Hitzel sowie Mela-Gründer Henning Siedentopp und Head of B2B Jonas Stolze sprechen im Interview über den konstanten Dialog, Erschütterungen und Fairness…

v.li.: Alexander Hitzel, Henning Siedentopp, Jonas Stolze
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