„Frau Reis, was steckt hinter ShootShare?“

  /  13.01.2021

Julia-Rosa Reis, Gründerin der Foto- und Videoproduktionsplattform ShootShare, erklärt im Interview die Idee dahinter und spricht über Bezahlung, Nachhaltigkeit und Transparenz…

Julia-Rosa Reis

Julia-Rosa Reis hat mit ShootShare eine Plattform gelauncht, die es Unternehmen aus dem Fashion- & Lifestyle-Bereich ermöglicht, weltweite Produktionen von Bild- und Videomaterial für Produktwerbung nachhaltig umzusetzen. Im Interview spricht sie über den Ablauf für Marken und Unternehmen, den Aufbau ihres Netzwerks lokaler Kreativer weltweit, den Nachhaltigkeitsgedanken, Mindestbudgets und die Corona-Pandemie.

Die Idee zu ShootShare kam Ihnen während Ihrer Produktionsreise „Road Trip for Brands“. Können Sie das näher ausführen?


„Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Fashion-, Beauty- und Lifestyle-Marken dabei zu helfen, internationale Produktionen ganz einfach vom eigenen Schreibtisch heraus durchzuführen. ShootShare ist eine Plattform, mit welcher Marken eigenständig Shootings an internationalen und außergewöhnlichen Locations in Ländern rund um die Welt buchen und durchführen können, ohne das (Home-)Office zu verlassen. 2016/17 hatte ich die Idee zu ‚Roadtrip for Brands‘. Meine erste Tour fand in den USA, in Kalifornien und auf Hawaii statt. Um Teil dieser Tour zu werden, konnten Kunden sich online registrieren und aus verschiedenen Shooting-Paketen wählen. Mit dabei waren zehn Kunden, darunter Dr. Bronner, Happy Socks und Raffaello Rossi. Vor Ort habe ich mich mit meinem Team aus lokalen Kreativen als Fotografin und Produktionsleitung zusammengetan und gemeinsam haben wir die Shootings umgesetzt. Fotografiert und gefilmt haben wir während dieses Produktionspiloten in Venice Beach, San Francisco, dem Yosemite National Park und am North Shore der Insel O’ahu. Die Lebensfreude und unkomplizierte Organisation der Shootings kam bei unseren Kunden sehr gut an, daher habe ich mir schon auf dem Rückflug von Hawaii überlegt, wie wir noch mehr Marken helfen können, auf diese unkomplizierte Weise zu produzieren. So ist nach zahlreichen Entwicklungsstunden ShootShare entstanden.“

Wie funktioniert das ShootShare-Prozedere für Marken und Unternehmen?

„Getreu unserem Motto ‚Go Global, Shoot Local‘ können sich Marken auf unserer Website kostenlos anmelden. Wir nehmen uns persönlich Zeit, jeder Marke eine Demo und Einführung in das Programm zu geben. Die Produktion ist in drei Schritte gegliedert: Pre-Production, Production und Post-Production. Zum Start können die Brands selbständig aus internationalen Locations und Shooting-Modulen wählen, um sich das passende Paket nach ihrem Geschmack und Bedürfnissen zusammenzustellen. Von Locations über Models bis hin zum Buy-Out ist alles anpassbar. Besonders schön für Kunden ist, dass sich gleichzeitig der Preis an die ausgewählten Optionen anpasst, sodass die Marke in Echtzeit den finalen Preis des Shootings sehen kann. Ich vergleiche das gerne mit einer Urlaubsreise, zu dessen Planung wir uns nicht mehr auf den Weg ins Reisebüro machen müssen, sondern eigenständig online wählen können, was wir benötigen und was uns interessiert.

Steht das Shooting-Paket fest, folgt der Production-Teil; es geht für die Kunden in das Briefing und anschließend den Casting-Prozess. Hierbei ist es uns wichtig, kleinen als auch großen Marken eine effiziente und strukturierte Alternative zu herkömmlichen Briefings und Castings zu bieten, welche schnell langwierig, kompliziert oder gar chaotisch werden können. ShootShare steht dem mit Klarheit entgegen. Unsere Software übernimmt alle relevanten Informationen und gibt sie an die lokalen Kreativteams weiter. Ebenso führen wir die komplette Organisation und Kommunikation mit den Teams vor Ort durch. Dies soll die Kunden entlasten, die über das praktische Dashboard jederzeit alles eingesehen und direkt Feedback oder Freigaben erteilen können. Wir geben Marken zudem die Möglichkeit, durch ein Live-Video direkt beim Shooting dabei zu sein. In der Post-Produktion können die Kunden ihre Bilder auf der Plattform einsehen, besprechen und auswählen. Die finale Auswahl geht dann in die bereits nach Kundenwunsch gebriefte Post-Produktion, welche ebenso auf ShootShare stattfindet.“

Wie finden Sie die lokalen Kreativen?

„Von den USA über Australien oder Europa, überall auf diesem Planeten befinden sich kreative Masterminds und wir sind sehr stolz, dass sie ein Teil von ShootShare sind. Ich selbst bin seit zehn Jahren als Mode- und Lifestyle-Fotografin durch meinen Beruf und auch als Scout international unterwegs. Während der letzten fünf Jahre habe ich mich besonders darauf konzentriert, ein gutes internationales Netzwerk aufzubauen. Qualität ist hierbei das, was ShootShare ausmacht, und so wählen wir die Teams vor Ort von Hand aus, ähnlich die das eine Booking Agency auch tun würde. Dank unserer Plattform haben Kunden Zugriff auf internationale Profis, jedoch ohne die zusätzlichen Booking-Fees. Ob Sydney, Los Angeles, Kapstadt oder Hamburg – durch den Teamgeist, den wir mit ShootShare fördern, ist es einfach für uns, qualitativ hochwertige Teams zusammenzustellen. Mittlerweile bekommen wir über shootshare.co Bewerbungsanfragen, die wir persönlich prüfen. Ich möchte auf diesen manuellen Schritt auch zukünftig nicht verzichten, denn es ist für uns wichtig, dass wir hochwertige Arbeit leisten und mit Menschen zusammenarbeiten, die hinter den Werten von ShootShare stehen. Für die Models sind wir Partnerships mit verschiedenen Modelagenturen weltweit eingegangen, zum Beispiel mit Boss Models, der größten und ältesten Modelagentur in Kapstadt. ShootShare steht für Fairness und Sustainability, das fängt schon bei den Arbeitsbedingungen an. In unserem neuen Podcast ‚Karma Crew‘, welcher ab Mitte Februar auf Spotify verfügbar ist, sprechen wir genau über diese Themen, unter anderen mit der Gründerin von Boss Models, Linda Bruchhausen.“

Wie wählen Sie aus, bei welchen Shootings Sie selbst dabei sind?


„Dadurch, dass wir relativ großflächig unterwegs sind, kann ich natürlich leider nicht bei jedem Shooting dabei sein und Sinn der Plattform ist auch, dass wir einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten, da Kunden nun keine Teams mehr durch die Welt fliegen müssen und nebenbei solche Kosten auch einsparen. Ich fotografiere zwar sehr gerne selbst für meine Kunden und habe auch in der letzten Zeit viele Shootings in Kapstadt durchgeführt, da ich dort gewohnt habe, aber Sinn der Plattform ist es, dass wir mit gutem Beispiel vorangehen – dazu zähle ich auch.“

Was trägt im Detail dazu bei, dass der Nachhaltigkeitsgedanke von ShootShare umgesetzt wird?

„Es sind unsere Nachhaltigkeitsgrundsätze, darauf zu schauen, wie produziert wird und welche Ressourcen genutzt werden. Bei uns fängt die Nachhaltigkeit bereits bei den kleinen Dingen an, wir arbeiten mit lokalen Kreativen zusammen, vermeiden Plastik am Set, produzieren mit grünem Strom und setzen auf Car Pooling für die Crew. Im Zusammenspiel mit der vorangegangenen Frage sind dies ganz besonders die Einsparungen der CO2 Emissionen durch die Vermeidung von Flügen. Der Flugverkehr und Transport übt einen enormen Druck auf die Umwelt aus und es ist uns sehr wichtig, Marken dabei helfen zu können, ihren Nachhaltigkeitsansprüchen gerecht zu werden. Besonders wenn wir auf den Bereich Fast Fashion schauen, liegt hier viel Potential zur Verbesserung, nicht nur im Bereich Sourcing und Produktion, sondern auch im Bereich Foto- und Video-Produktion. Unsere Grundsätze werden auch von den lokalen Kreativen gelebt. ‚Go Global, Shoot Local‘ zeigt ja auch auf, dass man nachdenklicher sein muss – nicht nur aus welchen Materialien die Produkte gefertigt werden, sondern auch wie das Material produziert wird. Wir haben in den letzten Jahren viel mit nachhaltigen Brands aus Deutschland zusammengearbeitet, weil es immer offensichtlicher wird, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein Label, sondern eine Einstellung zur Zukunft ist.“

Gibt es ein Mindestbudget, das Marken und Unternehmen in die Hand nehmen müssen?


„Gerade in meiner Arbeit als Fotografin sind mir häufig Settings begegnet, in welchen die Kreativen ihre Tagessätze ändern sollten, um den Anforderungen der Agenturen gerecht zu werden. Als Gründerin von ShootShare verfolge ich die Philosophie ‚Wenn man ein Shooting umsetzen möchte, dann sollte man auch das Budget haben, um die Kreativen fair zu bezahlen‘. Es ist mir sehr wichtig, deutlich zu machen, dass wir unsere Preise ausgehend von den Gehältern der Kreativen berechnen, um die Romantisierung der Kreativbranche zu beenden. Unsern Kunden steht es ebenfalls zu, genau zu wissen, wohin ihr Budget fließt. Es gibt ein Mindestbudget, da es zu unseren Unternehmensgrundsätzen gehört, dass wir eine faire Bezahlung sicherstellen. Dazu gehört auch, dass wir über den Industriestandard des jeweiligen Landes zahlen. Die Motivation dafür kommt daher, dass Kreative oftmals mit namhaften Marken gelockt werden und für ihr Portfolio ihr eigenes Honorar heruntersetzen sollen. Dies ist in meinen Augen eine Krankheit der Branche, die ich in meinem Unternehmen unterbinden möchte. Um in groben Zahlen zu sprechen: Ein Start- oder Mindestbudget liegt bei Produktshootings bei rund 1.500 Euro und bei Modelshootings bei etwa 5.500 Euro im Schnitt. Ich möchte betonen, dass dies das Mindestbudget ist. Darunter empfinden wir es als schwierig eine nachhaltige, gerechte und qualitativ hochwertige Produktion umzusetzen. Bei der Preisgestaltung gehen wir von den Tagessätzen der Kreativen aus, daraus ergibt sich der Mindest-Shootingpreis, welcher dann weiter nach Kundenwünschen, Ländern, Buy-Outs und Model-Expertise angepasst wird. Es gibt keine verdeckten Kosten. Spaß macht vor allem das Sharing-Feature, über welches man Shootings auch mit anderen Marken teilen kann – daher der Name ShootShare.“

Gibt es Länder oder Orte, die nicht für ein Shooting in Frage kommen?

„Das ist eine Frage, die ich gerne von jeder Marke individuell beantworten lasse. Generell ist es möglich, überall auf der Welt ein ShootShare-Shooting umzusetzen. Wir haben uns für den Anfang auf die Märkte Amerika, Europa & UK, Südafrika und Australien konzentriert. Vor einigen Tagen hatte ich ein Interview für unseren Podcast mit unserer Kreativdirektorin Yvonne aus Panama und wir haben tolle neue Fotografen in Kapstadt und Venedig hinzubekommen. Ich selbst habe durch meinen Beruf als Produzentin und Fotografin so schöne Orte gesehen und finde es toll, jetzt den Marken diese Schönheit der Welt zur Verfügung zu stellen. Wir möchten Marken dabei unterstützen, fern ab der Hot Spots zu produzieren, schließlich liefern unsere Kreativen auch ganz besondere Shooting-Perlen, wie zum Beispiel ein schickes Beach House am weißen Strand in der goldenen Sonne von Panama, urbane Vibes am Big Apple, ein gemütlicher Food-Market mit Herbststimmung oder eine abgelegene Bucht mit wilder Natur. Der Fantasie und den Kundenwünschen sind keine Grenzen gesetzt.“

Gab es schon einmal Anfragen, die Sie ablehnen mussten?

„Tatsächlich schauen wir uns ganz genau an, welche Marken mit ShootShare produzieren möchten. Bisher haben wir aber noch keine Anfrage ablehnen müssen. Generell nehmen wir durch unsere Unternehmensgrundsätze allerdings von beispielsweise Fast Fashion mit Bedacht Abstand. Wir sind nicht begeistert von Fast Fashion, unterstützen aber gerne auch diese Branche dabei, ihre Produktion nachhaltiger aufzubauen. Die Vision von ShootShare ist es, das Spielfeld zu glätten, wir sehen Marken und Kreative auf Augenhöhe, das heißt wir erkennen an, dass die Marken ganz genau wissen, was sie möchten und mit wem sie das produzieren wollen. Allgemein kann ich sagen, dass wir hypothetisch jede Anfrage ablehnen würden, mit der wir gezwungen werden, die Gehälter der Kreativen zu kürzen. Wir glauben daran, dass ein Unternehmen in der heutigen Zeit nur wachsen kann, wenn diesem eine nachhaltige Firmenphilosophie für Mensch und Umwelt zugrunde liegt. Wir möchten gerne mit Marken arbeiten, die dies auch so sehen.“

Spielt Ihnen die Corana-Pandemie in die Karten, da aktuell ja kaum jemand reisen darf/will?

„Dass die Pandemie in dieser Art und Weise stattfindet, ist sehr traurig und bedauerlich, aber es ist auch so, dass in der Krise häufig gute Dinge entstehen können. Deswegen bin ich dafür dankbar, dass wir in dieser schwierigen Zeit für unsere Kunden da sind. Es zeigt sich, dass es Zeit ist, umzudenken und nicht so weiterzumachen, wie man es gewohnt ist. Auch nimmt dies mir sicherlich einiges an Aufklärungsarbeit, speziell unsere Preisgestaltung, Vielfalt an Locations und remote Arbeitsweise lässt viele aufatmen. ShootShare ist hier eine wirkliche Alternative zur gewohnten Produktion. Es zeigt sich, dass das Verständnis für das Thema ‚Remote Arbeiten‘ jetzt auch viel mehr in der Branche angekommen ist. Bisher hatten meist größere Marken die Möglichkeit, Auslandsshootings umzusetzen, kleinere Marken haben hingegen meist mit Friends & Family produziert und haben dabei entweder ein großes Budget frei gemacht oder die Arbeit, Teams zusammen zu stellen, diese zu koordinieren, sich um das Booking und Casting etc. zu kümmern. Mit ShootShare können nun große und kleinere Marken remote auf das breite Spektrum an lokalen Deals, Locations und Kreativ-Teams mit gutem Gewissen zugreifen.“

Wo fand Ihr bislang spannendster Auftrag statt und für wen war er?

„Es gibt viele spannende Momente, aber mir persönlich ist vor allem das Kapstadt-Shooting für Raffaello Rossi in 2019 in Erinnerung geblieben. Wir haben die Herbst/Winter-Kollektion 2020/21 in Form des alljährlichen Raffaello Rossi-Journals produziert. Hierzu gehörten neben den Kollektionsbildern auch das Lookbook, der Fashionfilm, sowie POS-Bilder und Printanzeigen. Die Bilder sind aktuell neben der Kundenseite auch In-Store und online bei P&C, Breuninger, Peter Hahn und auf weiteren Plattformen zu sehen. Insgesamt haben wir an acht verschiedenen Locations innerhalb von zwei Tagen fotografiert und gefilmt. Für dieses Shooting hatten die Kunden mich als Fotografin ausgewählt und ich hatte ein tolles Team mit einem weiteren Videografen für den Fashionfilm, sowie einem Social Media- und Behind the Scenes-Fotografen und der Crew vor Ort. Als Model hatten wir die wunderbare Ella Jayne Baily für zwei Tage am Set. Es war ein schönes Zusammenspiel der Crew und wir konnten direkt in der herrlichen Natur dieses vielfältigen Landes shooten. Dank unseres lokalen Teams haben wir so an der Steilküste vor Kapstadt, am Kap der guten Hoffnung und im Nationalpark in der Toki fotografieren können – es war eine wunderbare Zusammenarbeit.“

Woraus schöpfen Sie Ihre Inspiration?

„Meine Muse finde ich in guten Gesprächen mit Leuten unterschiedlichster Kulturen und ich liebe es zurzeit, unsere neuen Podcast-Folgen aufzunehmen. Ich bleibe gerne am Ball, was das Weltgeschehen angeht und ich freue mich immer zu hören, wie es unseren Kreativen geht und was unsere Kunden bewegt. Der Alltag im Start-up ist den meisten als schnelllebig bekannt, zum Ausgleich liebe ich es daher, in der Natur zu sein. Wie so viele entdecke auch ich zurzeit die Landschaft von Deutschland neu. Wälder, Seen, Flüsse – das macht alles trotz Lockdown noch Spaß. Manchmal muss man sich auch einfach Hände und Schuhe im Garten schmutzig machen, ich gehe außerdem gerne klettern und im Winter bin ich am liebsten im Schnee unterwegs. Mit rosigen Wangen von einem Spaziergang zurück nach Hause an den Schreibtisch zu kommen, das hat was.“

Was sind Ihre Ziele mit ShootShare für die nächsten Jahre?


„Wir haben bei einigen Kunden mitbekommen, dass sie gerade in eine etwas unsichere Zukunft blicken, aber ich schaue zuversichtlich in die Zukunft, weil ich weiß, dass wir vielen Marken weiterhin helfen werden, sich auch in dieser ungewissen Zeit von ihrer besten Seite zu zeigen. Ich freue mich auf die nächsten Jahre mit ShootShare, auf Zuwachs in unserem Team, auf viele spannende und bunte Shoots mit unseren Kreativen weltweit und darauf, dass wir viele Menschen davon begeistern können, wie einfach es ist, mit ShootShare zu produzieren.“

Vielen Dank für das Interview!

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