Kristin Heckmann, Chief Sustainability Impact Officer, und Patrick Götz, Chief Product Officer bei hessnatur, sprechen im Interview über Recycling, innovative Materialien, den „Innovations for Tomorrow Award“ und ernst gemeintes Engagement.
hessnatur wurde beim „German Brand Award 2022“ mehrfach ausgezeichnet, darunter mit „Gold“ und einer „Special Mention“ für das Nature Softshell, das ausschließlich mit ökologisch unbedenklichen, nachwachsenden Ressourcen arbeitet. Was hebt das Material (noch) von anderen ab?
Götz: „Outdoor-Funktionskleidung ist im Trend – jedoch sorgt dieser Trend auch für einen vermehrten Einsatz von PFC und Plastik. hessnatur hat deshalb das Nature Softshell-Material entwickelt. Für die Funktionalität werden nachhaltige Naturfasern verarbeitet und kein Polyester wie bei konventionellen Funktionsjacken. Der Top-Layer ist aus Bio-Baumwolle, der durch mechanische Konstruktion und einer nachhaltigen Imprägnierung eine hohe Regendichte und Funktionalität mit sich bringt. Naturfasern und eine nachhaltige Herstellung schonen Mensch und Umwelt. Unser Softshell aus Bio-Baumwolle spart im Vergleich zu konventioneller Baumwolle 91% Wasser im Anbau, emittiert 46% weniger CO2 und sorgt für 70% weniger Bodenbelastung. Zudem hinterlassen unsere Produkte kein Mikroplastik.“
Auch die Fashion-Linie „Limited by nature“ wurde prämiert. Welche Herausforderungen bringt es mit sich, Styles aus 100% Naturfasern herzustellen?
Götz: „‚Limited by nature‘ steht für Lieblingsstücke aus unseren edelsten Naturfasern, wie beispielsweise Alpakawolle, eine der exklusivsten, hochwertigsten Naturfasern. Alpaka ist weich wie Kaschmir, ultraleicht, widerstandsfähig und so wärmeregulierend wie keine andere Wollsorte. Das flauschige Edelhaar ist sehr hautfreundlich und hat einen sozialen Charakter. […] Unsere authentische Rhönwolle vom Rhönschaf ist atmungsaktiv, feuchtigkeitsregulierend und natürlich schmutzabweisend und funktional. Nur in der Rhön findet man diese Schafrasse, die sich in dem rauen Klima des Naturreservats wohlfühlt. […] Wir stellen Mode im Einklang mit der Natur her und die Ressourcen sind begrenzt – wir stellen Slow und Fair Fashion her, also keine Massenware.“
Ungebleicht und ungefärbt zeigen sich beispielsweise Alpaka und Schurwolle vom deutschen Deichschaf. Werden diese Styles genauso gut angenommen wie gefärbte Modelle?
Götz: „Unsere Naturfasern bleiben meist so natürlich wie sie sind und lassen die Haut frei atmen […]. Die natürliche Charakteristik der von uns eingesetzten, unbehandelten Schurwolle wird gut nachgefragt. Die Produkte lassen sich vielseitig kombinieren und stehen für eine zeitlose Mode. Unsere BetterRecycling-Kollektion aus recycelter Bio-Baumwolle in sanften Grau-Mélange-Tönen kommt auch ganz ohne zusätzliches Färben aus. Für unsere Herbst-/Winterkollektion 2022 arbeiten wir mit natürlichen Farben, die wir in modernen Styles aus Rhönwolle für die ganze Familie umgesetzt haben.“
Welche Bedeutung haben Auszeichnungen wie der „German Brand Award“ für Sie bzw. hessnatur?
Götz: „Als nachhaltigste Fashion Brand Deutschlands setzen wir mit unseren Innovationen Standards in der Textilbranche – seit 1976. Wir freuen uns sehr über die Auszeichnungen und sehen diese als Bestätigung, hervorragendes Design und Funktion mit unseren höchsten Umweltstandards erfolgreich zu kombinieren.“
hessnatur hat den „Innovations for Tomorrow Award“ ins Leben gerufen, mit dem Green & Social Impact Start-ups ausgezeichnet werden. Die fünf auserwählten Unternehmen haben kürzlich auf dem Greentech Festival in Berlin ihre Innovationen gepitcht. Welche Ideen haben Sie prämiert und warum?
Heckmann: „[…] Wir sind von den Geschäftsmodellen der Start-ups mehr als begeistert und freuen uns sehr auf die künftige Zusammenarbeit mit den inspirierenden Gründerinnen und Gründern. Eeden hat ein grün-chemisches Upcycling-Verfahren entwickelt, das Alttextilien aus Baumwolle in Zellulose verwandelt. Die Mission dahinter: Die begrenzten natürlichen Ressourcen schützen. Lovr hat ein lederähnliches Textil aus der Pflanzenfaser Hanf zum Patent angemeldet, das genauso robust ist wie tierisches Leder, ohne dabei zu den Umweltproblemen der Industrie beizutragen und retraced bietet für alle Mode- und Textilunternehmen eine All-in-One Plattform für digitalisierte und eng verknüpfte Lieferketten, effizientes Management von Compliance Daten und vollständige Transparenz bis zum Rohmaterial – für mehr Transparenz und Nachhaltigkeit.“
Drei Gewinnerinnen bzw. Gewinner bekommen neben einem Preisgeld und einem Gründerstipendium der Impact Factory die Chance, ihre Ideen gemeinsam mit Ihnen umzusetzen. Worauf freuen Sie sich am meisten bei der Zusammenarbeit?
Heckmann: „Wir haben so tolle Bewerbungen von unglaublichen Menschen und Start-ups bekommen, dass die Entscheidung wirklich sehr schwergefallen ist. Und am Ende war es auch für uns eine Überraschung, wir haben pro Jury-Mitglied eine digitale Bewertung pro Start-up abgegeben und wussten bis zum Ende selbst nicht, wer die Gewinner:innen sein werden. Verdient hätten es einfach alle! Umso mehr freue ich mich darauf, mit mehr als den drei Gewinnern in Kontakt zu bleiben und Möglichkeiten der Zusammenarbeit gemeinsam zu überlegen und anzugehen.“
Die neue Better Recycling- und Hanf-Kollektion gelten als neue Highlights bei hessnatur. Was zeichnet diese Linien aus?
Heckmann: „Wir haben unseren eigenen Kreislaufprozess entwickelt, unser BetterRecycling-Programm, bei dem wir wissen, dass die Materialien unsere hohen Standards erfüllen. Und diese Produktionsüberschüsse sind wertvoll, kein Abfall. Unser Vorteil dabei ist, dass wir zu 75% mit Monomaterialien arbeiten, der Rest sind Mischungen aus Naturfasern. Das erleichtert den Recycling-Prozess. Dennoch ist es nicht leicht, vor allem bei Baumwolle den Recycling-Anteil im Garn weiter zu erhöhen, was unser Ziel ist.
Hanf ist die nachhaltigste Naturfaser und feiert gerade ihr Comeback: Sie ist unglaublich fein und gleichzeitig robust, besonders hautfreundlich und von Natur aus feuchtigkeitsregulierend. Denn Faserhanf wächst auf ziemlich jedem Boden und hat kaum Durst. Kurz gesagt: Ideal für unsere neuen natürlichen Sommer-Essentials aus leichtem Hanfjersey.“
Das Thema Nachhaltigkeit wird insgesamt immer präsenter. Allerdings gibt es auch Unternehmen, die bei genauerer Betrachtung deutlich weniger nachhaltig sind als angepriesen. Wie kann man als Konsumentin oder Konsument sicher sein, dass eine Marke nachhaltig agiert?
Heckmann: „Wir setzen in der Lieferkette von Beginn an auf langjährige, starke Partnerschaften und auf Transparenz und Nachhaltigkeit. Wir kennen all unsere Partner und sind mit ihnen in stetem Austausch (auch zu Corona-Zeiten). Mit 37% unserer Partner arbeiten wir mehr als zehn Jahre zusammen. Wir gehören für die Fair Wear Foundation zu den weltweit fünf fairsten Textilunternehmen weltweit und haben die höchsten ökologischen und sozialen Standards. Unsere Lieferkette liegt Multistakeholder-Organisationen offen und unsere Produkte werden regelmäßig in Zertifizierungsprozessen überprüft. Und natürlich bieten wir auch unseren Kunden:innen einen transparenten Blick in die Fertigung. Den Status quo stetig zu hinterfragen und nachhaltige Alternativen zu entwickeln treibt uns an!“
hessnatur gilt als Fair Fashion- und Nachhaltigkeitspionier – ist jeder noch so kleine Schritt eines Unternehmens in Richtung Nachhaltigkeit positiv oder sollte man erst mit Nachhaltigkeit „werben“, wenn diese zu 100% umgesetzt wird?
Heckmann: „Nachhaltigkeit ist nicht gleich Nachhaltigkeit. Wir erfüllen höchste soziale und ökologische Standards, das heißt: faire Herstellungsverfahren und nachhaltige natürliche Materialien. Für uns gilt: Jeder Schritt zählt und sollte auch gewürdigt werden. Viele Unternehmen beitreiben jedoch Greenwashing und es wird in den Medien der Eindruck suggeriert, dass die meisten Unternehmen heute nachhaltig agieren. Aber: Der Einsatz der deutlich umweltfreundlicheren Bio-Baumwolle im Vergleich zu konventioneller Baumwolle macht nach wie vor nur einen sehr geringen Anteil von ca. 1 bis 2 % auf dem Weltmarkt aus. Der positive Effekt von Bio-Baumwolle: 46% weniger CO2-Verbrauch, bis zu 91% weniger Wasserverbrauch sowie eine 70% geringere Bodenbelastung. Zudem bleiben die Böden fruchtbar und weisen eine deutlich höhere Artenvielfalt auf. Dieser geringe Weltmarktanteil ist in der heutigen Zeit nicht mehr akzeptabel. Unser Fazit ist: Auch wenn jeder Schritt zählt, brauchen wir ein paar große Schritte und ernst gemeintes Engagement für nachhaltige Veränderung.“
An welchen Produkt- und/oder Materialinnovationen arbeiten Sie derzeit?
Heckmann und Götz: „[…] Wir setzen 99,6% Naturmaterialien in unserer Mode ein, an den 0,4% arbeiten wir noch. Wir entwickeln innovative Materialien der Zukunft: z.B. recyceltes Elasthan und Denim, recycelte Wolle, Pflanzenfärbung/Mineral Dye und Algenprint (kein Industriestandard). In unserem eigenen Kreislaufsystem, unserem BetterRecycling-Programm, wie oben beschrieben, recyceln wir die hochwertigsten ökologischen Schnittreste aus unserer Produktion zu neuen Garnen. Es ist also von vornherein ein nachhaltiges Material und wird es nicht erst durch den Recyclingprozess. Wir arbeiten aktuell an einer Idee für Post Consumer Waste – aber wenn es nicht um unsere eigenen Kollektionen geht, stellt das Alttextil-Recycling für uns eine extreme Herausforderung dar, nicht nur aufgrund der Materialmischungen und der sonst so oft verwendeten Kunstfasern, die wir komplett vermeiden, sondern auch wegen der Ausrüstung und Finishes der Bekleidung.“
Vielen Dank für das Interview!
„Frau Heckmann, Herr Götz, welchen Herausforderungen stellen Sie sich?”
/ 30.06.2022Kristin Heckmann und Patrick Götz von hessnatur verraten im Interview, was in der heutigen Zeit nicht mehr akzeptabel ist und welche (Nachhaltigkeits-)Ziele sie noch haben…
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