„Frau Hanssen, wie bleiben Sie kreativ?“

  /  29.05.2020

Stefanie Hanssen, Gründerin von Frau Tonis Parfum, verrät, wie sie kreativ und motiviert bleibt und warum sie glaubt, aus der aktuellen Krise als Gewinnerin hervorgehen zu können...

Stefanie Hanssen

Stefanie Hanssen, die bereits vor über zehn Jahren die Duftmanufaktur Frau Tonis Parfum gründete, spricht im Interview über Flexibilität, Prioritäten, eindimensionale Gedanken, weniger Konsum und eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung.

Frau Hanssen, wie hat sich Ihr Business durch die Corona-Krise verändert?


„Ich muss mein Business komplett neu denken! Zwei Monate war unser Store geschlossen und auch unsere stationären Wiederverkäufer konnten keine Umsätze generieren. Also mussten wir unseren eigenen Onlineshop in kürzester Zeit noch besser, übersichtlicher, verlockender gestalten. Wir haben selbstverständlich versandkostenfrei verschickt, noch liebevoller verpackt und kleine Extras hinzugefügt. Wir haben viel Flexibilität bewiesen – und die wurde belohnt.“ 

Wie stärken Sie Ihr Unternehmen aktuell? Wie motivieren Sie sich, weiterhin kreativ zu sein?


„Nach der Stille Mitte März gab es plötzlich tausend neue Ideen. Durchhalten. Netzwerken. Gutes tun. Wann, wenn nicht jetzt? Unser Onlineshop ist zum Glück stark, darauf konnten wir aufbauen. Wir haben verstärkt über Social Media berichtet, was wir tun. Haben Brands, die wir mögen, empfohlen und Goodybags statt für die Fashion Week an Berliner Ärzte und Pflegepersonal verteilt. Das hat uns extrem motiviert, kreativ durch die Krise zu kommen.“

Neben den über 35 Manufaktur-Parfums zeichnet sich Ihr Unternehmen dadurch aus, dass Interessierte in Workshops ihren eigenen Duft kreieren können. Dürfen diese schon wieder stattfinden und welchen Einfluss hatte das zwischenzeitliche Verbot auf Ihr Unternehmen?

„Aktuell bieten wir keine Duftworkshops an, doch wir werden bis Mitte Juni ein Konzept entwickelt haben, das uns die Wiederaufnahme ermöglicht. Die Lust an einem individuellen Duft ist ungebrochen groß, unsere Kunden zeigen aber viel Verständnis, dass eine nahe, fast intime Beratung jetzt pausieren muss. Unsere Workshops sind von viel zwischenmenschlicher Nähe geprägt, von intensiven Gesprächen über Düfte und ihre Eigenschaften. Wer zu uns kommt, schlägt oftmals sein privates olfaktorisches Tagebuch vor uns auf. In der Tat beutet der Verzicht auf diese Workshops für uns, dass wir Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Jedoch steht hier außer Frage, dass die Gesundheit unserer Mitarbeiter und die unserer Kunden absolute Priorität hat.“

Sie haben gesagt, der Einzelhandel werde sich neu erfinden müssen; Unternehmen ohne eigenes Profil würden schrumpfen, Spezialisten wachsen. Sie sehen für sich und Ihr Unternehmen in der Krise also auch eine Chance? Inwiefern?

 
„Wir glauben, dass die Krise uns allen bewusst gemacht hat, dass wir mit weniger Konsum auskommen. Die Qualität wird ausschlaggebend für den Kunden sein. Für den Einzelhandel bedeutet das: Werde unverwechselbar, schärfe dein Profil! Genau das war die Maßgabe für unsere Marke Frau Tonis Parfum für das Jahr 2020. Wir haben unseren Store in Berlin zu einer modernen Manufaktur ausgebaut, haben noch hochwertigere Düfte entwickelt, die in Qualität und Struktur einzigartig sind. Deshalb glaube ich, dass wir aus dieser Krise als Gewinner hervorgehen werden.“

Sie glauben, die Konsumenten würden zurückhaltender und bedachter sein als vor der Pandemie. Statt „immer mehr“ werde es verstärkt „immer besser“ heißen. Glauben Sie, dieser Ansatz wird sich dauerhaft durchsetzen oder wird er wieder „verpuffen“?


„Weil ich ein optimistischer Mensch bin, glaube ich wirklich daran, dass diese Krise eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung bedeuten wird. Plötzlich wurden wir gezwungen, innezuhalten, uns zu reflektieren. Und das war gut so! Wann, wenn nicht jetzt, soll der Kreislauf von Verschwendung, Umweltzerstörung, Massentierhaltung und sinnentleertem Konsum durchbrochen werden. Begreifen wir diese Zeiten als Wendepunkt für uns selbst!“

Sie haben mal gesagt, Sie ärgert der „Sex sells“-Ansatz in der Beautybranche und dass Parfum viel mehr sein kann als verführerisch. Welche Eigenschaft(en) stehen denn für Sie im Fokus?

„Ich liebe es, wenn ein Duft mich in eine ganz bestimmte Stimmung versetzen kann. Ist es nicht großartig, dass ich den langen, grauen Berliner Winter durch ein Parfum wie ‚No. 41 Orange‘ wegzaubern kann? Das ist besser als jedes Antidepressivum. Oder dass mich unser Duft ‚No. 33 Vild‘ zu einer couragierteren Person macht und mein Selbstbewusstsein stärkt? Ein Duft ist fast so wichtig wie das perfekt sitzende Outfit. Man trägt ihn auf seiner Haut, er inspiriert, er motiviert uns. Und wie schön, wenn man zu einem Duft von Frau Tonis Parfum sagen kann: ‚Das bin ganz ich!‘. Wer glaubt denn wirklich, dass Düfte wirkliche Mittel zur Paarungshilfe sind? Mir ist dieser Gedanke viel zu eindimensional.“

Sie haben es schon angesprochen, Sie haben zu Beginn dieses Jahres den Berliner Flagship-Store ausgebaut. Was hat sich geändert?

„Ich kann es momentan kaum erwarten, unsere wunderschöne Manufaktur mit Duftliebhabern aus aller Welt zu teilen. Der Store ist offener, nahbarer. Wir sind nicht mehr so minimalistisch wie früher, geben jetzt Einblicke in handwerkliche Tätigkeiten. In Süddeutschland haben wir elegantes Mobiliar aus den 50er Jahren finden können, das unsere Werkstatt ziert. Und als ‚I-Tüpfelchen‘ konnten wir mit Victoria Gomez eine Künstlerin gewinnen, die eine phantastische Skulptur aus Pampasgras und Lunaria für uns kreiert hat. Mich macht es glücklich, morgens die Tür zu unserem Store zu öffnen, die Atmosphäre der gelungenen Veränderung zu genießen und mich an unserem Duftportfolio zu erfreuen. Das gibt extrem viel Kraft!“

Welche Pläne haben Sie aktuell und vielleicht auch für die Zeit nach der Corona-Krise?


„Ganz ehrlich: Ich wünsche mir wirklich, dass mein Team und ich gesund durch diese Zeit kommen. Alles andere ist nebensächlich. Vielleicht wird im Juli, August der Binnentourismus wieder anziehen, sodass unser Store allein dadurch mehr Frequenz erhalten wird. Online wollen wir zudem noch stärker werden, damit wir insgesamt noch besser für schwierige Situationen aufgestellt sind.“

Was nehmen Sie bislang Positives aus der Ausnahmesituation mit?

„Ich habe zum ersten Mal Zeit, die Stadt besser kennenzulernen, in der ich lebe. Dass Berlin so magische Orte hat, die in keinem Reiseführer stehen, hat mich unglaublich überrascht! Eigentlich liebe ich es, ins Theater, ins Kino, in Konzerte zu gehen. Nun gibt es diese ‚Ablenkung‘ nicht und ich picke mir Berliner Kieze heraus, die ich noch nicht kenne. Vielleicht schreibe ich einen Reiseführer über meine Entdeckungen? Ich jedenfalls fühle mich ausgeglichen, wach und offen für alles, was da kommt!“

Vielen Dank für das Interview!

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