„Frau Ganser, inwiefern ist die Corona-Krise auch eine Chance?“

  /  23.12.2020

Joana Ganser, Shipsheip-CEO und Head of Design, spricht über den neuen Slow Visions Store by Shipsheip, Solidarität und den Einfluss ihrer Zeit beim Theater auf das Label…

Joana Ganser

Joana Ganser, Shipsheip-CEO und Head of Design, spricht im Interview über die Idee hinter dem neuen Slow Visions Store by Shipsheip, berichtet, wie sich die Corona-Krise auf sie und ihre Marke auswirkt und verrät, was ihr bislang wichtigstes Learning war.

Im November fand das Soft Opening des neuen Slow Visions Store by Shipsheip statt. Wie liefen die ersten Wochen – zunächst ja noch im Corona-bedingten „Lockdown Light“?


„Unser zweites Konzept Slow Visions Store by Shipsheip liegt mitten in der Altstadt Nord bzw. in der Innenstadt von Köln. Das Friesenviertel ist eine der beliebtesten Ausgeh- und Shoppingmeilen für Touristen und erfreut sich normalerweise großer Belebtheit, da auch die Kölner abseits der bekanntesten Einkaufsstraßen wie zum Beispiel der Breite- und Ehrenstraße, in den kleinen feinen Seitensträßchen gerne bummeln gehen, einen guten Kaffee, Wein oder auch ein frisches Kölsch genießen. Die Apostelnstraße verbindet den Hauptverkehrsknotenpunkt Neumarkt mit der Ehrenstraße und besticht durch einen schönen Mix aus Einzelhandel, Fachgeschäften und Gastronomie. Wenn ich nun gefragt werde, wie unsere ersten Tage in dieser so herzlichen Straße waren, dann kann ich nur sagen, dass ich diese noch nie so ruhig und still erlebt habe.“

Im neuen Store liegt der Fokus auf Slow Fashion-Marken wie Shipsheip und Fejn sowie auf Slow Living-Brands wie #lavie und Studio Drei. Wie haben die Labels zusammengefunden?


„Die verschiedenen Brands habe ich auf ganz unterschiedliche Weise kennen gelernt: Die Inhaberin von fejn jewellery ist meine Nachbarin aus der Körnerstraße (Shipsheip studio). Wir sind 2019 innerhalb der Straße umgezogen und sie hat meinen allerersten Laden übernommen, ich kenne sie durch einen Freund aus der Nachbarschaft. Studio Drei habe ich auf einem B2C-Markt in Feldkirch kennen gelernt, es war Liebe auf den ersten Blick. Obwohl wir uns nicht oft sehen, da das Designer-Trio aus Pforzheim kommt und auch dort produziert, stehen wir im ständigen Austausch. Die Jungs von #lavie treffe ich hingegen normalerweise immer nur auf der B2B-Messe Neonyt in Berlin und ich kann mich nicht mehr ganz genau erinnern, ob wir uns dort oder in Köln das erste Mal begegnet sind.“

Gibt es Überlegungen, weitere ähnliche Stores zu eröffnen?

„Nein, bisher noch nicht. Für mich hängt eine solche Entscheidung maßgeblich mit dem Team zusammen und wenn dieses stimmt, kann es plötzlich ganz schnell gehen.“

Der Markenname, abgeleitet von der nautischen Phrase „It‘s all shipshape and Bristol fashion“, heißt, dass alles in bester Ordnung ist. Sind Sie generell ein positiver Mensch? Und welche positiven Erfahrungen oder Erkenntnisse hat die Corona-Krise mit sich gebracht?

„Ja, ich denke schon. Ich bin ein positiver Mensch und gerne in Bewegung. In Bezug auf die Pandemie-Situation bin ich wirklich überwältigt von der Solidarität, die wir in diesen Zeiten erfahren durften. Dies bezieht sich sowohl auf unsere Kunden, als auch auf unsere Partner. Durch die gemeinsamen Herausforderungen sowie Unsicherheiten und auch den Verzicht, sind wir zusammengerückt und konzentrieren uns mehr auf das Wesentliche. Für mich ist es eine beruhigende Erfahrung, dass in einem Ausnahmezustand so viel positive Energie steckt.

Natürlich macht mir die Zukunft gehörige Angst, da man gar nicht weiß, was einen erwartet, aber es werden doch auch ungeahnte Kräfte entwickelt und auch kreative Alternativen – die hoffentlich auch nach der Krise weiterleben. Die Krise lässt uns die Bedeutung unserer Umwelt, bezogen auf die Natur, aber auch unsere sozialen Kontakte neu ausloten. Plötzlich bemerkt man, wie sehr man die kleine Bar oder die kleine Boutique im Veedel liebt, als Ort der Begegnung und auch als etwas Einzigartiges, das nicht so leicht ersetzt werden kann. Außerdem vermisst man die Natur, dass Rausgehen und man denkt an seine Gesundheit, da diese plötzlich so sehr in den Vordergrund rückt… Aus diesen Gründen ist die Krise auch eine Chance, für unabhängige und nachhaltige Konzepte, mehr Rückhalt und Support aus der Gesellschaft zu erfahren.“

Nach Beendigung Ihres Modedesign-Studiums verließen Sie die Modebranche, um am Theater sowie in freien Projekten kreativer und spielerischer zu arbeiten. Wie kam es, dass Sie dann doch zurück in die Fashion-Branche kamen?

„Ich habe die Zeit am Theater geliebt. Irgendwann habe ich jedoch bemerkt, dass ich gerne angewandt arbeite. Es ist einfach etwas ganz anderes, für den Menschen im Leben, oder eben im Gegensatz dazu auf der Bühne/vor der Kamera zu entwerfen. Mode zu kreieren, erscheint mir direkter. Ich mag es, dass Kleidungstücke von verschiedenen Menschen getragen, sowie individuell kombiniert werden und dadurch immer wieder neu wirken.“

Welchen Einfluss hat(te) ihre Zeit u.a. am Theater auf Ihre Marke?

„Das Theater hat mich gelehrt, dass fast alles möglich ist und ich versuche möglichst unbeschwert an neue Entwürfe für Shipsheip heranzugehen. Innerhalb der Kulturbranche habe ich beim Entwurf nicht als erstes darüber nachgedacht, ob etwas zu teuer oder zu kompliziert in der Produktion wird, ob es um ein vielfaches reproduzierbar bzw. skalierbar ist. Der Gedanke, ob ein Design tragbar oder nicht ist und ob es möglichst vielen Menschen gefällt oder die Zielgruppe einfach zu klein ist, schränkt massiv ein… Solche Gedanken macht sich vor allem die Industrie. Durch meine Erfahrung am Theater weiß ich, was in kurzer Zeit mit dem richtigen Team schaffbar ist, auch wenn du deine Crew zum Teil überhaupt erstmal kennen lernen musst. Ich habe gelernt, Kreativ-Prozesse zu beschleunigen, um die Ecke zu denken, schnelle Entscheidungen zu treffen, hart und lange zu arbeiten und das Wichtigste: im Team zu funktionieren und mich selber nicht zu ernst zu nehmen.“

Shipsheip verwendet ausschließlich GOTS- und Fair Trade-zertifizierte Materialien. Die Accessoires werden in Indien hergestellt, die Kleidungsstücke in Portugal. So soll der faire Handel in Entwicklungs- und Schwellenländern gefördert und kleine, europäische Traditionsbetriebe unter-stützt werden. Wie wichtig war Ihnen Nachhaltigkeit von Beginn an?

„Nachhaltig zu produzieren war für mich keine Frage, sondern eine Selbstverständlichkeit. Ich habe Shipsheip gegründet, weil Ethik und Ästhetik für mich zusammen gehören. Anspruchsvolles Design schließt Nachhaltigkeit in der Produktion nicht aus.“ 

Shipsheip ist in zwei Segmente unterteilt: Ready-to-wear und Made-to-wear. Auf welchem Bereich liegt der Fokus?

„Unser Fokus liegt momentan auf dem RTW-Segment. Das MTW-Segment wollen wir auf lange Sicht jedoch ausbauen, da es viel Interesse weckt und großes Entwicklungspotential hat.“

Produkte, die nicht mehr getragen werden, können kostenlos an Shipsheip zurückgeschickt werden und werden je nach Zustand zu neuen Produkten verarbeitet, an eine Kleidersammlung gegeben oder recycelt. Wird dieses Angebot häufig genutzt? 

„Bisher haben wir nur wenige Teile zurückbekommen. Das liegt wohl zum einen daran, dass unsere Produkte in Bezug auf Design, Material und Verarbeitung langlebig sind. Außerdem kaufen unsere Kundinnen sehr bewusst und tragen ihre Kleidungsstücke über mehrere Saisons. Weiterhin haben wir mit alten Lieblingsteilen einen Upcycling-Workshop geplant, um unseren Kunden zusätzliche Möglichkeiten der Weiterverwertung zu zeigen. Grundsätzlich habe ich das Gefühl, dass Plattformen wie die Kleiderei den Umgang mit Kleidung stark beeinflussen und neue Impulse setzen. Unsere Teile werden bereits von innovativen Portalen, wie zum Beispiel die Kleiderei und Fairnica verliehen.“

Wie läuft das Weihnachtsgeschäft im Lockdown für Shipsheip?

„Wir haben unsere Umsätze trotz Covid-19 in einigen Bereichen steigern können. Die Innenstädte leiden jedoch enorm unter den momentanen Umständen und der Zustand für inhabergeführte, unabhängige Läden ist extrem kritisch. Wir haben es nur unserem Multichannel-Konzept und unserer Community zu verdanken, dass wir noch nicht in ernsthaften Schwierigkeiten sind.“

Vielen Dank für das Interview!

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