„Frau Bauer, warum eine Online-Plattform?“

  /  29.04.2020

Melanie Bauer, Inhaberin der Modeagentur Melagence, hat gemeinsam mit Benjamin Höhner eine Onlineplattform gelauncht. Warum und wie die Start verlief, verrät sie im Interview…

Melanie Bauer

Die 2013 gegründete Modeagentur Melagence mit Showroom in Berlin erweitert ihren Service um eine eigene Online-Plattform, über die man ab sofort lokal shoppen kann. Hintergrund des Ausbaus, den Inhaberin Melanie Bauer gemeinsam mit ihrem Partner Benjamin Höhner bestreitet, ist die aktuelle Corona-Krise. Im Interview verrät Bauer, welche Alleinstellungsmerkmale der Webshop mitbringt, inwiefern die Plattform ein ergänzendes Tool sein kann und warum sich lokal und online nicht ausschließen.     

Frau Bauer, Sie haben Ihre Modeagentur Melagence um eine eigene Online-Plattform – Melagence Local – erweitert. Wie funktioniert das und wo liegen die Unterschiede zu einem regulären Multibrand-Webshop?

„Melagence Local ist eine Online-Plattform, die es lokalen Händlern, die noch keine oder nur eine begrenzte Online-Präsenz haben, ermöglicht, die Produkte aus dem Melagence Vertriebs-Portfolio zu verkaufen. Die Idee ist, den lokalen Charakter der oft inhabergeführten Stores herauszustellen. Wir zeigen, wer sich hinter der Geschäftsfassade verbirgt, welche Geschichte und Personen es kennenzulernen gilt. Als Kunde/In auf Local kann man gerade jetzt in der Krise durch einen Online-Kauf den Store in seiner Region ganz einfach und trotzdem effizient unterstützen. Jeder bewusste Konsum hilft, Existenzen zu retten. Diese Herangehensweise unterscheidet uns natürlich erheblich von einem Multibrand-Store – die Auswahl innerhalb der Kollektion spiegelt auch die persönliche Selektion der Stores wider, die Sie für ihren Kunden in der bestimmten Region kuratiert haben.“

Sie haben es gerade angesprochen – man soll auch die Personen hinter der Geschäftsfassade kennenlernen. Ist diese Nahbarkeit beim Onlineshopping wichtig oder eher ein ergänzendes „Goodie“?


„Wir glauben sehr daran, dass Nähe über eine digitale Plattform bei unserem Konzept ein USP darstellt. Der persönliche Kontakt, der Austausch und die Authentizität werden durch unsere ambitionierten und leidenschaftlichen Händler abgebildet. Im Übrigen arbeiten ja alle großen Online-Shops bereits seit Jahren daran, den gesichtslosen Online-Store nahbarer zu machen – Local ist einer dieser neuen Ansätze.“

Die E-Commerce-Plattform vernetzt Designer aus dem Agentur-Portfolio und lokale Stores in Deutschland, Österreich und Schweiz miteinander. Wie viele Designer und Shops sind zum Launch bereits dabei und soll das Portfolio künftig ausgebaut werden?

„Zum Launch sind bereits 15 Händler aus Deutschland mit dabei. Österreich folgt in den kommenden Wochen und an der Schweiz – das wird ein wenig komplizierter – arbeiten wir gerade, das Interesse ist aber schon sehr groß. Alle elf Brands aus unserem Melagence-Portfolio können geshoppt werden. Wir denken aber auch direkt mit in die Zukunft – in die Zeit nach Corona – und in welche Richtungen man Local ausbauen und vertiefen kann. Das Thema Digitalisierung hält viele tolle Chancen bereit und zeigt gerade jetzt, dass sich lokal und online nicht ausschließen.“

Mit welchen Schwierigkeiten hatten/haben Sie durch die Corona-Pandemie mit Ihrer Agentur zu kämpfen?

„Im Moment spüren wir die Auswirkungen an vielen Ecken, zum Beispiel durch die gekürzten Budgets schon für die Fall/Winter-Saison, durch Zahlungsschwierigkeiten bei unseren Partnern durch die Geschäftsschließungen und natürlich eine unsichere Planung für Spring/Summer 2021. Aber wir sind sehr privilegiert, da wir mit loyalen Partnern zusammenzuarbeiten und alle mit unserem Team volles Engagement einbringen. Ich hätte mir die Auswirkungen zu Beginn der Krise sogar noch etwas schwerwiegender vorgestellt – im Moment ist alles noch okay für uns.“

Was glauben Sie, welche langfristigen Auswirkungen die Pandemie auf die Modebranche hat?

„Es wird zu einer Entschleunigung kommen: Wir rechnen mit weniger Liefer- und Orderterminen, kleineren Kollektionen, weniger Reisen nach Paris und Mailand. Im Idealfall verkaufen wir wieder Sommerkollektionen im Sommer und Winterware im Winter. Dadurch werden die Lager nicht so voll sein und die Full Price-Verkaufsphase wird länger sein. Bewusster Konsum ist stärker denn je in den Vordergrund getreten, da deutlich wird, wieviel Macht in der Kaufentscheidung liegt. Eine große Anzahl der KäuferInnen will besser informiert werden und dann entscheiden, wo und was gekauft. Damit wird auch das Thema Nachhaltigkeit in allen Wortbedeutungen noch bedeutsamer werden.“

Als erste Reaktion auf die Krise riefen Sie Mitte März die Initiative #SupportEachOther ins Leben, über Social Media und Ihre Website, mit Tipps zur Unterstützung lokaler Händler. Jetzt, wo die Shops nach und nach wieder öffnen dürfen – glauben Sie, selbige behalten die ergänzende Onlinekomponente bei?

„Ich hoffe sehr, dass die Bedeutung von online stärker im Bewusstsein verankert ist und weitergeführt wird. Ich höre von denen, die jetzt erstmals einen Onlineshop aufgebaut haben, dass sie es auf jeden Fall beibehalten möchten. Bei vielen stand das Thema seit Jahren auf dem Zettel, wurde aber aus verschiedenen Faktoren immer wieder verschoben. Es ist schön zu sehen und macht auch ein wenig stolz zu sehen, wie viele, die voreingenommen waren, jetzt zunehmend die Scheu verlieren und sich zu richtigen Online-Superstars entwickeln! Es zeigt, dass online auch richtig Spaß machen kann und eine Plattform kann ein wunderbares neues und ergänzendes Tool bieten, ein Schaufenster nach außen, das man beliebig schmücken kann.“

Wie sind die ersten Tage mit wiedergeöffneten stationären Stores bei Ihren Marken angelaufen?


„Das Feedback, das uns erreicht, ist gemischt. Die meisten freuen sich natürlich wieder auf den direkten Kundenkontakt. Das ist das, wofür die meisten stehen und was sie lieben und als Belohnung haben sie ein tolles Stammkundennetz, das sie im Moment auffängt. Aber so richtige Shoppinglaune kommt nur bei den wenigsten auf. Es herrscht verständlicherweise noch ein wenig Verunsicherung, zudem fehlen die Anlässe für teure Designerkleidung – keine Restaurants, kein Theater, keine Party, keine Hochzeiten etc. Aber ich kann nur jedem raten, sich ein paar schöne Teile von individuellen Designern zu kaufen – man fühlt sich auch im Home Office und im Urlaub zu Hause einfach fabelhaft, wenn man ein schönes Stück trägt. Und bei unseren Designern, die so wenig trend- und hype-orientiert sind, kann man sicher sein, sich etwas zu leisten, das einem über viele Saisons hinaus Freude bereitet. Gönnt euch also etwas und tut dabei noch etwas Gutes!“

Vielen Dank für das Interview! 

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