Liebe Premium,
wir kennen uns schon lange, seit 2003 habe ich jede einzelne deiner Einladungen gerne angenommen. Unser erstes Treffen fand noch weit vor deiner ersten Veranstaltung im U-Bahn-Tunnel 2003 statt. Ich erinnere mich noch genau, wie idealistisch deine Macher aus Düsseldorf über ihr Vorhaben in Berlin sprachen. Neben der Bread & Butter, die im Januar 2003 zeitgleich in Berlin an den Start ging, solltest du einen breiteren Markt abdecken und als internationale Lifestyle-Plattform höher angesiedelt sein als die Parallelmesse, die sich damals vornehmlich auf Urbanwear konzentrierte.
Der Start im Januar war kalt und hart. 70 Aussteller zogen zwar neugierige Blicke auf sich, dass du eines Tages die angesehenste Messe Berlins wirst, wollte damals niemand voraussehen. Doch von da an ging es bergauf. Bis… ja, bis wann eigentlich?
Du wirst von dir behaupten, bis zum heutigen Tag. Natürlich, das musst du ja auch. Und wenn man nur die Ausstellerzahlen nimmt, mag das vielleicht auch stimmen. Ich sehe das trotzdem ein bisschen anders. Deine Flächen sind gut gefüllt, noch immer gibt es Marken, die auf eine Zuteilung warten. Du hast den Wegfall der Bread & Butter verkraftet, etwas, das dir viele nicht zugetraut haben. Dennoch bist du nicht mehr die Premium der erfolgreichen Jahre bis 2015.
Auch wenn du das nicht hören möchtest: Die Bread & Butter war das internationale Zugpferd der Branche. Weil dort viel Geld in die Hand genommen wurde, um in allen wichtigen Ländern für Berlin und die Branche zu werben.
Du hast davon profitiert und clever darauf gepocht, etwas Besseres, etwas Höherwertigeres zu sein als deine Mitbewerber. Eben Premium. Doch Premium warst du nur selten. Premium waren deine Aussteller, die dich zu dem gemacht haben, was aus dir geworden ist. Inszenierungen – die bekanntermaßen Geld kosten - hast du gerne anderen überlassen. Auf manchen Messen gab es Champagner für die Aussteller, du spendiertest Prosecco. Ich will nicht ungerecht sein, vielleicht hat dir deine „Bescheidenheit“ das Überleben gesichert.
Heute sind leider auch eine Vielzahl deiner Aussteller nicht mehr „Premium“. In den vergangenen Saisons habe ich Anrufe von Labels erhalten, die lachend ihr Glück nicht fassen konnten. Imotex-Jeanser erhielten plötzlich Zugang zur Haupthalle. Dabei hätte man früher nicht mal die Zulassung zur Bread & Butter bekommen.
Ok, der Markt verändert sich, Marken brechen weg, freie Flächen entstehen. Die Auswahl deiner „Füllmarken“ hat mich trotzdem verunsichert.
Aber lass uns jetzt nach vorne schauen, denn aktuell tun sich ganz neue Chancen auf. Panorama, Neonyt und Selvedge Run ziehen zum Flughafen Tempelhof. Und du, liebe Premium, willst so weitermachen wie bisher?
Gib dir einen Ruck! Schließ dich den anderen Messen an und zieh so schnell wie möglich auch in den Flughafen Tempelhof. Darauf wartet die Branche. Ein Megaevent an einer zentralen Location. Schnelle Wege, kein Zeitverlust durch endlose Shuttletransporte. Das ist es, was die Branche will. Rechts Premium, links Panorama – oder andersrum. Apropos Panorama. Auch wenn das Verhältnis angespannt ist, es geht doch hier um viel mehr. Da sollten zwischenmenschliche Befindlichkeiten beiseitegelegt werden. Es geht um Berlin. Es geht um die Branche. Und deshalb geht es auch um den kleinen stationären Händler in Bergisch-Bockenfels.
Deine Location ist bereits verkauft. Die Anzahl deiner Veranstaltungen ist also nicht endlich, nur du weißt, wie oft noch eine Messe am Standort Gleisdreieck stattfinden kann und hütest das Geheimnis. Ähnliche Objekte in dieser Größe gibt es nicht in Berlin. Erwägst du tatsächlich einen Umzug in die Messehallen, aus denen die Panorama gerade geflüchtet ist? Du bist ja für Überraschungen gut, aber das traue ich dir nicht zu.
Dein Argument, die Fläche im Flughafen sei zu gering, lasse ich nicht gelten. Kehre einfach zu deiner alten Stärke zurück und werde wieder selektiv. Werde wieder die Premium, die wir alle geschätzt haben. Sei Premium!
Herzlich
Dirk Stegemann