Naiv kalkuliert?

  /  17.10.2014

Ein Hemd mit „Blitzmuster“ sorgt derzeit für Aufregung – und ist nicht das erste Shitstorm auslösende Kleidungsstück. Gerechtfertigt? Ein Kommentar von Kristina Arens…

„Dieser Schuh ist so heiß, dass du ihn an deine Knöchel fesseln musst“ – Mitte 2012 sorgte Adidas mit einem Sneaker mit Fußfesseln, designt von Jeremy Scott, für einen Aufschrei, erinnere dieser doch an die Unterdrückung der Schwarzen, so der Vorwurf der Internetgemeinde nach Veröffentlichung eines Fotos. Adidas entschuldigte sich und brachte das Modell nicht auf den Markt. Verständliche Kritik, verständliche Konsequenz.

Nun häufen sich in jüngster Vergangenheit immer öfter Shitstorms über diverse Modemarken und -ketten: Mango verkaufte 2013 in Frankreich Armreifen mit der Beschreibung „im Sklavenstil“ (ein „Übersetzungsfehler“), Zara empörte mit einem gestreiften Kinder-Shirt mit gelbem „Cowboystern“, das an die Haftkleidung von Juden in Konzentrationslagern erinnerte und tat sich mit einem Tee mit dem Slogan „White is the new Black“ ebenfalls keinen Gefallen. Urban Outfitters sorgte mit einem Sweatshirt der Kent State University als Teil einer „sonnengebleichten Retro-Linie“ für Aufsehen, das allerdings Assoziationen mit einem blutverschmierten Pullover nahe legte. Demnach wurden Erinnerungen an die 1970 auf dem Gelände der Universität stattgefundenen Schießerei geweckt, der vier Menschen zum Opfer fielen. Auch H&M trat, sagen wir mal, gehörig ins Fettnäpfchen – mit einer Werbung, die ein Model zeigte, dessen Kleidung den Uniformen kurdischer Kämpferinnen ähnelte. Natürlich unbeabsichtigt. Der Overall gehöre zu einer in der aktuell besonders angesagten Farbe Khaki gehaltenen Kollektion. Jüngstes Beispiel: eine Bluse mit „Blitzmuster“ von Mango. Während die einen an Harry Potters Narbe denken, lautet der Vorwurf der Kritiker: Die „Blitze“ erinnern an die hierzulande verbotene Siegrune, das Erkennungszeichen der Nationalsozialisten.

So weit, so gut, oder auch nicht. Die Frage, die man sich unumgänglich stellt: Kalkulierte Provokation frei nach dem Motto „Auch schlechte Presse ist gute Presse“, Naivität, Geschichtsvergessenheit? Weder das eine noch das andere wäre wünschenswert, will man sich die kreativen Köpfe der Unternehmen doch weder als derart gewissenlose, noch als dermaßen weltfremde Persönlichkeiten vorstellen. Oder muss man die Schuld gar bei den (überempfindlichen) Konsumenten suchen, die mittlerweile in jedem kreativen Erguss, jedem Print, jeder Form und Farbgebung gleich einen Skandal wittern? Und wer sind diese Menschen überhaupt? Bei den genannten Beispielen vermutlich in den allerwenigsten Fällen kurdische Kämpferinnen oder ehemalige KZ-Insassen.

Überinterpretation spielt also bei dem einen oder anderen Beispiel sicherlich eine Rolle – womit ich mich gerade als dermaßen gewissenlos outen könnte –, die Sorgfaltspflicht liegt aber dennoch bei den entsprechenden Unternehmen. Nur können sich diese wahrscheinlich denken, vorausgesetzt, sie tun eben dies, „Was soll’s?“. Wirklich geschadet scheinen die Ausfälle bislang keinem der in die Designfalle getappten Konzerne zu haben. Um noch ein letztes Beispiel anzuführen: Außer einer großen Diskussion haben schließlich selbst von vermeintlichen Textilarbeiterinnen aus Bangladesch eingenähte Hilferufe in Kleidungsstücke von Primark keine negativen Auswirkungen gehabt. Oder?

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