Gewissenbisse? Gewiss nicht!

  /  04.06.2015

„Nachhaltigkeit ist für uns sehr wichtig“ – ein beliebtes Firmen-Credo. Bekräftigt durch so genannte Sustainability Reports. Beschönigt, findet Lara Schotten…

Uns kann man lesen, wie ein offenes Buch: Frei nach diesem Motto wird den Konsumenten in der heutigen Zeit Transparenz auf ganzer Linie unter die Nase gerieben. Transparenz in Sachen textile Produktionsstätten, Lieferanten, Material. Jedes (Mode)Unternehmen, das etwas auf sich hält, protzt alljährlich mit einem so genannten Sustainability Report. Darin erhalten Kunden einen Einblick, wo ihr Mittelpreis-Shirt von – natürlich – sozial fair behandelten Näherinnen hergestellt wird, wie die Waren angeblich nach Deutschland kommen und wie grün, ambitioniert und nachhaltig das jeweilige Unternehmen agiert. Kunden-Sedierung sozusagen, denn als etwas komplexer denkender Mensch sollte man sich fragen: Für wen genau erstellen Firmen einen solchen Nachhaltigkeitsbericht? Für sich, im Sinne der eigenen Außendarstellung? Für die Konsumenten, die mit einem Quäntchen Transparenz augenblicklich ein reineres Gewissen erlangen? Oder für die Konkurrenz, die die Produktion hoffentlich erst später als im magischen Jahr 2020 auf schadstoff- und chemikalienfrei umstellen kann?

In diesen Nachhaltigkeitreports veröffentlichen die Verantwortlichen Namen, Adressen und Zulieferbetriebsinformationen. Man verweist darauf, dass „noch nicht alles möglich“ ist, rückt aber zeitgleich ins rechte Licht, was für deutliche Verbesserungen bereits stattgefunden haben. Die Konzerne schmeißen mit beeindruckenden Zahlen um sich – 50% der Baumwolle ist zertifiziert, bis 2020 wollen wir das gesamte Baumwollsortiment auf Bio umstellen. Mehrere Tausend Tonnen an CO2 konnten eingespart werden. Kaum ein Ottonormalverbraucher wird diesen Wert überhaupt auch nur in Relation setzen können. Klingt viel, klingt gut! Biobaumwolle – macht einen unbefleckten Eindruck, findet der Verbraucher, da Prädikat Bio. 

Bedeutungsschwangere Worte wie „Zero Waste“, „Re- und Upcycling“ hinterlassen buchstäblich einen nachhaltigen Eindruck. Warum die Preise trotz dieser veranschlagten Umweltmaßnahmen, sozialen Veränderungen und World-Improvement-Ansätze noch nicht gestiegen sind, das hinterfragt letzten Endes niemand. Grün ja, fair von mir aus auch, aber teurer? Kein Fan davon! Überzeugten die errechneten Zahlen weder Unternehmen noch Konsument, werden diese entweder ganz verschwiegen oder werden in ambitionierte Zukunftspläne transformiert. Bleiben wir fair; Es sollen nicht allein die Unternehmen und auch nicht die Konsumenten, die vordergründig nach Informationen lechzen, am Pranger stehen – die Politik in persona des Textilnachhaltigkeitsbeauftragten Gerd Müller (CSU) ist bei Weitem nicht unschuldig an der Sustainability-Misere. Herr Müller drängt illusorisch auf nicht realisierbare 100% Transparenz, auf ein blütenreines Gewissen der Textilmarken, auf faire Produktionsbedingungen und nachhaltig orientierte Firmenpolitik. Und da eben dies bei großen Konzernen (noch) nicht 100%ig klappt, geben selbige vielleicht lieber nur 10% von dem preis, was an der reinen Weste wirklich rein ist, oder eben nichts. Denen jedoch blüht der Nixon-Vorwurf. 

Noch reicht es vielen „unwissenden“ Konsumenten, von grünen Textilschildchen und hübsch illustrierten Nachhaltigkeitsberichten überzeugt zu werden. Noch ist nicht jeder darauf bedacht, die einzelnen Zertifikate auf Herz und Nieren zu prüfen. Noch genügen Worte wie „Conscious Collection“, um das Konsum-Gewissen zu erleichtern. Wenn jedoch eines Tages Absolventen des Studienganges Global Change Management ein textiles Wikileaks ins Leben rufen, so wird der eine oder andere ein weniger grünes Wunder erleben! Sustainability Reports sind bisher in den meisten Fällen nämlich vor allem eines: Opium fürs Volk! 

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