Der Philanthrop, dein Freund und Helfer!

  /  17.02.2014

Ver.di fordert, die Belegschaft leidet, Berggruen jammert – ist Karstadt ein Exempel für das Ende der Warenhaus-Ära? Ein Kommentar von Lara Schotten…

Monate sind bereits ins Land gezogen und noch mehr denn je schwebt das Damoklesschwert über den Köpfen der Karstadtianer. Rückkehr in die Tarifbindung, mehr Transparenz, Standort- und Beschäftigungssicherheit für die Angestellten – Inhalte, die in unzähligen Verhandlungen mit Ver.di seit August vergangenen Jahres bis dato zu nichts geführt haben. Die Gewerkschaft ist sauer, die Beschäftigten selbst gefangen in der Situation, da meldet sich der Karstadt-Chef Nicolas Berggruen plötzlich als so genannter Philanthrop in einem rührenden Interview zu Wort: Er sei als Geschäftsmann zu „weich“ gewesen, hatte weder Angestellte entlassen noch Häuser schließen wollen – jetzt fordert er Hilfe. Hilfe oder Dispens? Denn das, was er an Unterstützung von Ver.di postuliert, ist im Grunde genommen doch nichts weiter als Verständnis für sein eigenes Handeln, die Besänftigung der Belegschaft sowie die Garantie, dass diese auf rund 50 bis 100 Mio. Euro Lohn verzichtet. Zum Wohle Karstadts, versteht sich. Misanthropisches Wunschdenken!

Noch abstruser wird es an der Stelle, an der Berggruen sich als eine Art Märtyrer darzustellen versucht: Er habe die stärksten Teile Karstadts geopfert, um die schwierigsten zu stärken. Ein wahrlich sinnvolles Unterfangen und ein vortrefflicher Geschäftsgedanke, insbesondere der Part, bei dem Berggruen diese an Signa Holding-Gründer René Benko veräußerte. Ein normaler Investor hätte zuvor ganz anders gehandelt, glaubt der Karstadt-Chef. Wie genau? Hatte man, fernab der öffentlichen Kenntnis, etwa andere Interessenten wie einen Uli Hoeneß oder eine Alice Schwarzer in der Hinterhand? Seither haben rund 3.000 Mitarbeiter des Unternehmens ihren Posten verloren: womöglich, weil Anleihen der Warenhauskette bei einen Mann liegen, der selbst seine Manager-Fähigkeiten anzweifelt, bei einem weiteren, der wegen verbotener Steuerinterventionen zu zwölf Monaten bedingter Haft verurteilt wurde und bei einem dritten, der sich eigentlich nur mit Diamanten auskennt. So ist es kaum verwunderlich, dass alle Hoffnung auf der neuen Spitze, der ehemaligen Ikea-Managerin Eva-Lotta Sjøstedt, liegt. Sie will Karstadt umstrukturieren, neu positionieren, das Modell revolutionieren – die eine ackert, der andere jammert. Arbeiten beide wirklich für ein und dieselbe Firma?  

Während Karstadt nicht nur zunehmend in der Kritik, sondern ergo auch vor deutlich tiefer sitzenden Problemen steht, scheint sich Rivale Kaufhof an dessen Krise zu stärken – zumindest im Rahmen seiner Möglichkeiten. Die Tochter der Metro Group versucht aktuell, die fehlenden Umsätze im stationären Handel durch das wachsende Online-Geschäft wettzumachen. Auch bei Kaufhof musste man sich neu erfinden! „Würden Sie, Herr Mandrac, Karstadt übernehmen wollen?“, stellte man dem Kaufhof-Chef kürzlich die Frage. Die knappe Antwort: „Wenn überhaupt, dann nur geschenkt.“ Hat ein Warenhauskonzept, wie es Karstadt derzeit verfolgt, also überhaupt noch a) einen Wert und b) eine Zukunft? Oder kann es lediglich durch eine Fusion mit Konkurrent Kaufhof zu einer Deutschen Warenhaus AG gerettet werden? Der Marktanteil von derlei Warenhäusern am gesamten Einzelhandelsumsatz in Deutschland hat sich seit der Jahrtausendwende nach Schätzungen des Gfk auf aktuell 2,5% halbiert, spielt also, um es ganz deutlich zu sagen, eine zunehmend untergeordnete Rolle. Neigt die Ära Department-Store, so wie man sie aus Zeiten ihrer Geburtstunde kennt, sich dem Ende zu? Dabei ist die „einmal hin, alles drin“-Philosophie keine schlechte, von Nöten wäre allerdings eine Generalüberholung und das… asap! Es reicht bei weitem nicht, Herr Berggruen, einige Unternehmensteile abzustoßen, um die übrigen nicht verändern zu müssen. Tradition um der Tradition Willen erhalten zu wollen – dieser Ansatz gehört nicht in den Einzelhandel, er gehört in ein Museum.

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