Bye Bye Berlin

  /  08.12.2014

Die Bread & Butter setzt aus. Zurück bleiben Fragen, wie es so schnell so weit kommen konnte. Und ob eine Rückkehr möglich ist. Ein Kommentar von Dirk Stegemann…[Zum Weiterlesen bitte oben einloggen]

Der erste Messetag der Bread & Butter im vergangenen Sommer war anders: Statt Wowereit und Müller quasi Händchen haltend über die Messe flanieren zu sehen, blieb der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin und enger Verbündeter von Karl-Heinz Müller dem Treiben fern. War doch kurz zuvor zu ihm durchgesickert, dass die BBB zur nächsten Ausgabe nach Barcelona wechseln wolle. Da war wohl jemand sauer.

Aber noch etwas war anders: Ein paar Stunden später verkündete Müller vor großem Publikum sein Spanien-Vorhaben. An sich nichts Neues, die Bread & Butter ist schließlich immer für Überraschungen gut. Doch die Branche reagierte anders, ablehnend. Wieso jetzt bitteschön Barcelona? Weil die Bread & Butter in Berlin schwächelte, die Frequenz von Messe zu Messe nachließ und vor allem, weil die Internationalität rückläufig war. Die BBB drohte zu einer nationalen Veranstaltung zu verkommen. Dem wollte Müller entgegenwirken, den in Berlin vermissten Italienern, Spaniern und Franzosen entgegenkommen.

Müllers Weitblick ging den meisten zu weit. Wenn schon der deutsche Markt kränkelt, warum dann ins noch schwierigere Südeuropa gehen? Zudem hatten sich die meisten Global Player bereits von der Bread & Butter verabschiedet und konzentrierten sich auf die flächendeckende Erweiterung ihrer Monobrand-Stores, übrigens gerne auch in Südeuropa. Den verbliebenen Ausstellern genügte mehrheitlich eine nordeuropäische Ausrichtung, vielen sogar der deutsche Markt.
 
Was folgte, ist bekannt. Wurde die gecancelte Endverbraucher-Erweiterung in der Saison zuvor noch mit kritischem Blick hingenommen, hagelte es nun Absagen und eine Flucht hin zu Panorama, Seek oder Premium. Dies war auch nicht mehr aufzuhalten, als der Messechef daraufhin seine Barcelona-Pläne verwarf.

Müller hat Fehler gemacht. Und die begannen mit der Unterschrift unter den mit Wowereit ausgehandelten Mietvertrag für den Flughafen Tempelhof. 10 Jahre, plus Option auf weitere 10 Jahre, verkündete die BBB stolz. Stabilität und Kontinuität statt permanentem Wechsel, das sollte der Branche und der Bread & Butter Sicherheit geben.

Müller hat die Branche bewegt. Innerhalb von wenigen Saisons ging es von Köln nach Berlin, nach Barcelona und wieder zurück in die Hauptstadt. Immer war alles neu, alles anders. Immer war alles gut. Und nun 40 Messen im Flughafen? Wo doch klar ist, dass die Branche Veränderungen liebt?

Tempelhof ist Fluch und Segen zugleich. Playground für ein einzigartiges Messekonzept, das seinesgleichen sucht. Erst hier konnte die Bread & Butter die Strahlkraft entwickeln, die weltweit Aufmerksamkeit erregte und Einkäufer magisch anzog. Die Besucherzahlen explodierten.  Doch die gigantischen Ausmaße, ausgefüllt mit BBB-typischer Detailverliebtheit, vom Ambiente bis hin zum Gästemanagement, verpflichten. Weil sie kosten. In einem stets schwächer werdenden Markt musste dem Rechnung getragen werden. Zuerst schleichend. So wurde ganz nebenbei der Claim von „Tradeshow for selected Brands“ in „Tradeshow für successful Brands“ geändert. Dann der Tom Tailor-Auftritt. Dann der Bestseller-Hangar. Jetzt wurde jedem klar, dass sich die BBB Freiflächen nicht leisten kann.

Müller hat Fehler eingestanden. Gegenüber 1st-blue sagte der Messechef vor wenigen Saisons: „Ich bin zu demokratisch geworden.“ Was er damit meinte, waren wohl die Zugeständnisse an Aussteller, die eine Messeteilnahme nur bestätigen wollten, wenn bestimmte Brands ausgeschlossen würden. Dass dieselben Aussteller der Bread & Butter nur eine Saison später den Rücken kehrten, zeigt die besondere Verlässlichkeit der Branche.

Überhaupt hat das kollektive Schulterklopfen zu genau der Zeit abgenommen. Schimpfte sich fast die gesamte Branche „bester Freund“ von Karl-Heinz zu sein, wurde jetzt hinter vorgehaltener Hand über den Messeboss hergezogen. Unstet, unzuverlässig, wankelmütig sind noch die netteren Adjektive.

Müller selbst hat auf den „unlauteren und ruinösen“ Messewettbewerb in Berlin hingewiesen. Zu viele Veranstaltungen hätten im Windschatten der BBB in Berlin Fuß gefasst. Für ihn gipfelte das in der stadteigenen Messe Panorama, zu der seine Aussteller abwanderten.

Seit durchsickert, dass es im Januar keine Messe im Flughafen Tempelhof geben wird, fließen allerorts die Krokodilstränen. Müller wird wissen, wer sie weint. Und wohl nur er weiß, ob es im Sommer wieder eine Bread & Butter geben wird. In Berlin oder irgendwo anders. Es wäre zu wünschen, dass die „neue“ Bread & Butter kein Aufguss von ehemals Bewährtem ist. Es ist Müller und seinem Team aber zuzutrauen, dass ein revolutionäres Konzept die Messe wie Phönix aus der Asche aufsteigen lässt.

Der Januar in Berlin wird anders werden. Auch wenn alle Aussteller irgendwo unterkommen, auch wenn die verbliebenen Messen nun mit Superlativen aufwarten. Berlin wird an Power verlieren. An Besuchern. Und auch an Einkäufern. Denn Berlin hat seine Leitmesse verloren.

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