„Mein Look heißt Survival“

  /  22.04.2015

Designer werden zu Künstlern, Juroren, Autoren – kein ungewöhnlicher Werdegang eines Modeschöpfers in der heutigen Zeit, denn Kreative sind offenbar oftmals All-round-kreativ. So auch Wolfgang Joop, dessen Charakter-Quartett sich in seinem Buch „Dresscode“ diversen Stilikonen widmet…

Das Jurorendasein eines kleingeistigen TV-Formates wie „Germany’s Next Topmodel“ scheint Wolfgang Joop wahrlich nicht auszureichen, gleicht sein neuestes Werk „Dresscode“ vielmehr einem Meinungsrundumschlag zum Thema Kleiderordnung als einer reinen Unterhaltungslektüre. Zwölf, vielmehr dreizehn Stilikonen werden ungeachtet der Domains Alter, sozialer Status, Herkunft und Intellekt in Joops Ratgeber-Kolumne beurteilt, als welche sich das Buch nach nur wenigen Sätzen offenbart. In einzelnen Kapiteln nimmt Wolfy – wie er sich darin selbst betitelt – Moderedakteurinnen, Models, Schauspieler- und Sängerinnen, Erben und Entertainer unter die Lupe. Einer als Stilikone gehandelten Kate Moss widmet der humoristische Potsdamer kein Kapitel, kein Sterbenswörtchen fällt zudem über die Meisterin des (Stil)Unangepasstseins, Vivien Westwood, und auch ein Stil-Chamäleon wie Gwen Stefani sucht der Leser vergebens. Stattdessen treten BoBo-Pariserinnen (Bohemian Bourgeois) wie Carine Roitfeld dem New York Coolnes-Chic einer Caroline de Maigret oder Iris Apfel gegenüber; die leicht hysterische „Femme Fatale“ Diane Keaton ist in ihrer Rolle der Intelligenzbestie dem überirdischen „Alien“-Wesen Tilda Swinton nahezu ebenbürtig; Reichgeborene (die Courtin-Clarins-Schwestern Virginie und Claire), Reicheingeheiratete (Kate Middleton) und Reich-zur-Schau-Stellende (Rihanna) haben Stil oder eben nicht, während reich-lich fragliche Ikonen wie Lena Dunham und „grimassenlose“ It-Girls wie Alexa Chung noch um die Modewette eifern. 

Untermalt werden Wolfys Beurteilungen der jeweiligen „Fashion-Doyennes“ mit selbst gezeichneten Illustrationen, teilweise alarmierend ironisch und frappant. Im Anschluss an jedes Kapitel sammelt der Autor „Do’s und Don’ts“ für den entsprechenden Look, gefolgt von einer Überblickshilfe über die häufigen Anglizis- sowie Französismen – Wolfys Fashion Glossar. Dazwischen finden sich jede Menge Plattitüden wie „Mode ist keine Religion, sondern Entertainment“, psychoanalytische Ansätze à la „physisch und optisch braucht sie keinen Schutz“ oder idealistische Weisheiten wie „Wenn ich nicht die Schönste bin, bin ich eben die Versauteste“ – immer vor der Frage „Wer will ich sein?“

Und da beißt sich die Katze in den Schwanz: Der „Why don’t you“-Ansatz einer Diana Vreeland, dem Herr Joop selbst nachzueifern versucht, wird durch seine Feder zu einem: „Why don’t you dress like Carine, Chloë, Diane or Tilda?“ Kommt jemand jedoch auf die Idee, der Stillosigkeit einer Rihanna nachzueifern, so wird aus der „Anything goes“-Attitüde plötzlich ein zweischneidiges Schwert. Ja, Mode soll Spaß machen, sie soll selbstentschieden und experimentierfreudig sein, sich als chic, french, Bohème, cool und ikonographisch offenbaren – aber alles nur im Rahmen der gängigen Dresscodes, bitte! Schließlich ist Mode ausschließlich tragbar, wenn sie teuer ist. Und Ballerinas gehen gar nicht. Punkt. Die Frage, was Rihannas „Why don’t you“-Attitüde von der einer ebenso grotesk gekleideten Persönlichkeit wie Lena Dunham unterscheidet, bleibt unbeantwortet. Hier misst der Modeschöpfer eindeutig mit zweierlei Maß: Er kokettiert mit „Dicken-Grunge“, „Baby-Dior“ und „Duckface“, schreckt jedoch auch vor Ausdrücken wie „Bronx-Schlampe“ und „Euro-Trash-Göre“ nicht zurück. 

Alles in allem ist das Buch – die stetig wiederkehrenden Wortwiederholungen einmal außer Acht gelassen – eher als Hommage an einzelne Personen, weniger an die Mode selbst zu verstehen. Es wird kokettiert, hofiert, gelästert, was den Unterhaltsamkeitsfaktor durchaus steigen lässt. Auch die Darstellungsvielfalt überzeugt mit eindrucksvollen Zeichnungen und, so vermutet, ehrlichem Wolfy-Charme. Der Leser/die Leserin von „Dresscode“ sollte jemand sein, der sich und die Mode nicht allzu ernst nimmt und nicht nur die Frage nach dem „Wer will ich sein?“, sondern vielmehr nach dem „Wer könnte ich sein?“ stellt.

Das Buch „Dresscode“ von Wolfgang Joop erschien am 20. April 2015 im Verlag Gräfe und Unzer und ist für einen Preis von 17,99 Euro zu erwerben.

Lara Schotten

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