Mr. Lipstick

  /  05.09.2014

Der Visagist René Koch erzählt gern aus dem Nähkästchen, allen voran die Geschichte mit Filmdiva Hildegard Knef, die ihn zu seiner außergewöhnlichen Sammelleidenschaft inspirierte. Sie schenkte ihm seinen ersten Lippenstift, der noch heute einen Ehrenplatz in seinem Museum hat...

Rote und volle Lippen sind seit jeher ein Symbol für Sinnlichkeit und Verführung. Schon Kleopatra und Nofretete wussten diesen betörenden Effekt für sich zu nutzen und ließen sich, laut Überlieferungen, nach einem verjüngenden Milchbad, gerne von ihren Hausdamen in die Lippen beißen, damit diese dann voluminöser wirkten. Im Laufe der folgenden Epochen ging der Trend aber eher zurück - man biss nun selbst und kniff sich vor großen öffentlichen Auftritten auch mal ganz gern in die Wangen. Natürlich waren derartige Methoden zwar kostengünstig, aber nicht ganz schmerzfrei. So begab man sich auf die Suche nach Alternativen zu den gängigen masochistischen Beautymaßnahmen. Eine Zeit lang waren zerquetschte und getrocknete Läuse der letzte Schrei - nur die Konsistenz des Pulvers auf den Lippen galt als nicht sonderlich angenehm.

Ein paar wunderliche Innovationen und Jahrhunderte später war es dann soweit, 1883 stellten ein paar Pariser Parfumeure den ersten Lippenstift in Amsterdam vor.  Doch unglücklicherweise gehörten die rote Lippen mittlerweile nicht mehr zum guten Ton, sondern wurden nur noch von den leichten Damen aufgetragen. So fristete das Kosmetikprodukt sein Dasein als Ladenhüter und wurde sein verruchtes Image einfach nicht los. Bis Anfang der 20er die Bilder laufen lernten und die Filmdiven sich mit klein geschminkten Mündern in Brombeerrot in der Öffentlichkeit präsentierten. Ein Skandal, der sich schon bald zum absoluten Beauty-Trend entwickeln sollte...

Die darauf folgende Erfolgsgeschichte des kleinen Beauty-Wunders kann man in dem liebevoll gestalteten Lippenstift-Museum von René Koch bestaunen. Der exzentrische Visagist sammelt seit fast über dreißig Jahren alles rund um das Thema Lippenstifte, denn für ihn sind sie mehr als nur Farbe im Gesicht. Für ihn sind sie Zeitzeugen der Revolution, der Schönheit - Geschichten über Frauen. In seinen Führungen erzählt er von Rezepturen, zeigt Filmmaterial und gibt die eine oder andere Prominenten-Story zum Besten. Zu sehen gibt es außerdem über 150 Kussabdrücke populärer Diven wie Milva, Mireille Mathieu, Bonnie Tyler, Ute Lemper und Hildegard Knef. Mr. Lipstick, wie sich Koch gerne nennt, hatte sie alle vor der Puderquaste, denn er war Chefvisagist bei Yves Saint Laurent Beauté und Charles of the Ritz, arbeitete in New York, London und Paris. Er wurde mehrfach für seine Arbeit geehrt, etwa mit dem Cosmetic Oscar, der Goldenen Maske und dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland.

Die Ausstellung ist Samstags geöffnet und kann nur mit vorheriger Anmeldung besucht werden. Aber dann nimmt sich Koch auch persönlich Zeit für sein Lieblingsthema und lädt nach der Führung zu Plaudereien mit Champagner und Gebäck ein. Der Mann weiß eben, was Frauen wollen.

Lippenstiftmuseum:
Helmstedter Straße 16
10717 Berlin

Marie Keimel