(Bitch) Wedding-Shopping

  /  27.04.2015

Berlin steckt voller Möglichkeiten. Und voller unentdeckter Winkel, die es zu erkunden lohnt. Einen solchen präsentiert der „Store“ von Bitch Wedding. Er entpuppt sich als Showroom. Als Snack-Bar. Als Schönheits-Salon. Als Street Couture-Studio. Als extravaganter Shop. Ein Tipp von Lara Schotten...

Die Theorie: In Zeiten des E-Commerce-Vormarsches braucht der stationäre Handel Ideen, den Konsumenten mit innovativen Shop-Konzepten vom Produkt zu überzeugen. Das funktioniert am besten, wenn nicht nur tolle Ware präsentiert, sondern Lifestyle vermittelt wird. Im neuen Berliner In-Stadtteil Wedding – das, was früher einmal Kreuzberg und ganz früher einmal der Prenz’l Berg waren –, hinter einer unscheinbaren Hausfassade gibt es einen solchen Shop, der nicht nur durch eine recht ungewöhnlich stylishe Location, sondern durch ein wahrlich spleeniges Lifestyle-Konzept überzeugen will. 

Den Weg in das zweite Obergeschoss des Hauses in der Gerichtstraße 60 zeigen auf Stufen aufgestellte Kerzen, was auf den Besucher zunächst ein wenig befremdlich wirken könnte. Die eigentliche Location, die sich zugleich als Wohnung offenbart, gibt anschließend den Blick auf schwarz gestrichene Wände sowie ein ebenfalls mit Kerzen erhelltes Badezimmer frei. Im dunklen Flur beleuchten pinkfarbene Lampen den Weg zur Küche auf der linken Seite, in der Eigentümer, Veranstalter und Designer Yoerk Koerk selbst am Herd steht. Trotz der sichtbaren Affinität zum Farbton Schwarz soll die Atmosphäre weder düster noch höhlenartig oder gruselig anmuten, so erscheint auch das Interieur gewollt aufeinander abgestimmt: ein edel eingerichtetes Bad mit den XXL-Flacons bekannter Düfte, der dunkle Flur mit den hippen Lampen, die Küche mit dem Oldschool-Herd, die Betonwände mit Bitch Wedding-Logo zur Linken, dem per Beamer an die Wand projizierten Samurai-Film „Hero“ zur Rechten. Im Wohnzimmer, dem „eigentlichen“ Store, präsentieren sich Textilien der Marke Bitch Wedding auf einer puristischen Kleiderstange, während entlang der Holztische/regale teils vegane Bio-Beauty-Produkten aufgebart werden. Das Interior-Design erinnert an den minimalistischem Loft-Chic mit einem Hauch Rockabilly. 

Freitags von 19 bis 23 Uhr – tatsächlich meist bis open end – sowie „dank des großen Andrangs“ bald auch am Sonnabend ganztäglich kann in diesem etwas anderen Showroom geshoppt, gegessen und gestöbert werden. Neben Männer-Styles der Hausmarke Bitch Wedding, die im Frühjahr/Sommer 2015 auch Frauenherzen erobern will, präsentieren sich auf Kräutern und Ölen basierende, teils vegane, aber vor allem bezahlbare Pflegeprodukte von Sin Care und Beauty Fusion, die exklusiv über die Hoodzilla UG, die hinter dem Konzept steht, vertrieben werden. Für Unikats-Liebhaber hält der Veranstalter Vorführexemplare des Handschuh-Brands Trontie bereit: Die von einem befreundeten Künstler handgefertigten Gloves aus Rinder-, Hirsch- oder sogar Lachsleder präsentieren sich als extravagante und mondäne Accessoires. Bis zu 50 Maße werden für das individuell auf die eigene Handform zugeschnittene Paar veranschlagt, das Leder soll ausschließlich von in der Freiheit verstorbenen Tieren stammen – Aufwand, Qualität und Nachhaltigkeitsphilosophie regeln hier allerdings den nicht geringen Preis. 

Dazu gibt es selbst gemachte Süßkartoffel-Pommes, eine Getränkepalette von Gin Tonic und Jägermeister über Prosecco bis hin zu traditionellem Bier. Hinter dem Wedding rules-Konzept verbirgt sich mehr als das Stöbern in den in Berlin designten Kollektionen des zunächst aus einer Laune heraus geborenen Labels Bitch Wedding oder dem Schnuppern an Kosmetikprodukten. Hier gilt das Allround-Prinzip: Meet & Greet, Fashion, Beauty, Food Culture und Entertainment. In regelmäßigen Abständen finden in der Location seit nunmehr sechs Monaten Veranstaltungen unterschiedlichster Art statt. Der Hintergrund: „Es war einfach so, dass viele unserer Freunde immer noch komisch auf den Wedding reagierten. Es fielen Worte wie dreckig, kriminell, hässlich. Da haben wir uns überlegt, das ist doch keine ‚Bitch’ oder so was und kamen zu der Idee, den Wedding auf eigene Weise zu feiern“, erklärt der Initiator. Das zweite Obergeschoss in Nummer 60 mutiert dann zum Konzertraum, Styling-Salon oder eben Tattoo-Studio, in dem Künstler und Nachbar Francisco Javier Navarro Romeo „tiny“ Kunstwerke auf die Haut seiner (fast) Spontankunden sticht – da Francis ein beliebter Spross seiner Art ist, sollte man sich bereits einige Tage vor dem Event anmelden. Willkommen ist jeder, der Eintritt ist frei, denn es geht, so Koerk, „um Inspiration und Spaß an der Sache“. Wo seid ihr also am Freitag? In Wedding, Bitch!