„Herr Uddin, was hat sich in der Bekleidungsindustrie in Bangladesch getan?“

  /  28.09.2017

Mostafiz Uddin, Veranstalter der Bangladesh Denim Expo und Gründer der Denim Expert Ltd., verrät im Interview, wie sich die Modeindustrie in Bangladesch in den letzten Jahren verändert hat…

Mostafiz Uddin

Herr Uddin, Sie haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die Textilindustrie in Bangladesch auf die Standards des 21sten Jahrhunderts zu bringen. Warum haben Sie sich dieses Ziel gesetzt?

„Meine Leidenschaft treibt mich an. Ich habe mich im Rahmen meiner Möglichkeiten und mit viel Unterstützung diesem Ziel verschrieben, nachdem ich realisiert hatte, was in meinem Land falsch läuft und was besser laufen kann. Der beste Weg, Veränderungen zu erreichen, ist es, als gutes Beispiel voranzugehen. Also versuche ich genau das, damit möglichst viele Menschen sehen und verstehen, dass es möglich ist, nachhaltige Wege einzuschlagen und gleichzeitig erfolgreich zu sein.“

Seit 2014 organisieren Sie die Bangladesh Denim Expo; eine Non-Profit-Messe, die den Austausch von Erfahrungen fördern soll und mit der Sie Unternehmern helfen wollen, die Umstände in ihren Firmen und den Umgang mit Angestellten zu optimieren. Was haben Sie bislang erreicht?

„Die Bangladesh Denim Expo geht am 8. und 9. November 2017 bereits in die siebte Runde; bei jeder Ausgabe fokussieren wir uns auf ein bestimmtes Thema, von Nachhaltigkeit bis Transparenz. Die Knowledge Sessions und Seminare konzentrieren sich dann ebenfalls darauf. Die Bangladesh Denim Expo hat bisher sehr erfolgreich dazu beigetragen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem das Bewusstsein geschärft und Lösungsansätze präsentiert werden. Außerdem versuchen wir, verschiedene Technologien, Prozesse und Wissensinhalte aufzuzeigen, die Nachhaltigkeit fördern. Die Rückmeldungen, die wir bislang von Besuchern und Teilnehmern erhalten haben, sind ermutigend und zeigen den Wissensdurst.“

Die nächste Ausgabe der Bangladesh Denim Expo legt den Fokus auf das Thema Transparenz. Laut dem aktuellsten Fashion Transparency Index veröffentlichen nur 32 der 100 Brands ihre Zuliefererlisten. Wie wollen Sie Marken davon überzeugen, transparenter zu werden?

„Transparenz bedeutet für uns, dass die Menschen wissen, woher ihre Produkte kommen, wer sie genäht hat, wer sie gefärbt hat und woher die Wolle stammt. Wenn Unternehmen transparent arbeiten, muss dies auch Offenheit, Kommunikation und Verantwortlichkeit für die gesamte Wertschöpfungskette bedeuten. Die Expo wird die Wichtigkeit von Transparenz in der kompletten Denim-Wertschöpfungskette hervorheben. Verschiedene lokale Denim Fabriken werden dazu entsprechende Events veranstalten. Es wird eine ‚Transparency Wall‘ geben, die konkret zeigt, welche Fortschritte die Denim-Industrie in Bangladesch bislang gemacht hat, Besucher können zudem Virtual Reality 3D-Touren durch verschiedene Fabriken und Wäschereien machen. Außerdem werden sich vier Seminare und Workshops mit Transparenz, Nachhaltigkeit, Innovation und neuen Entwicklungen beschäftigen.“

Sie haben 2007 das Unternehmen Denim Expert Ltd. in Bangladesch gegründet, mit dem Ziel, hochwertige Denim Styles zu produzieren. Mittlerweile beschäftigen Sie 1.800 Mitarbeiter und produzieren 320.000 Produkte im Monat. Was tun Sie in Bezug auf faire Arbeitsbedingungen, angemessene Gehälter und nachhaltige Produktion?

„Das Geschäftsmodell von Denim Expert ist nahezu einzigartig, weil wir uns von der Massenproduktion fernhalten – im Gegensatz zu vielen Fabriken in Bangladesch, die gerne mit hohen Ordervolumen und günstigen Preisen arbeiten. Wir sind komplett selbstständig, vom Design bis hin zum Versand. Wir entwickeln unsere eigenen Kollektionen und legen unsere eigenen Preise fest. Dies ermöglicht es uns, unseren Mitarbeitern mehr zu zahlen als die Fabriken es im Durchschnitt tun. Während der Mindestlohn in Bangladesch monatlich bei 67 US-Dollar [knapp 57 Euro] liegt, ist das Minimum bei uns bei 100 US-Dollar [knapp 85 Euro]. Jeder Angestellte muss sicher arbeiten können und bei guter Gesundheit sein, um sein Potenzial voll ausschöpfen zu können, das ist unsere Überzeugung, die allen Initiativen zugrunde liegt, um die Gesundheits- und Sicherheitsstandards immer wieder zu überprüfen und zu verbessern. Wir sind stolz darauf, dass Denim Expert Ltd. eine von wenigen Fabriken ist, die 100% der ursprünglichen ‚Corrective Active Plans‘ der Initiative ‚Accord on Fire and Building Safety‘ umgesetzt hat. Unsere Mitarbeiter können zudem in der gesamten Stadt kostenfrei mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren und gemeinsam mit dem Mamta Health Institute haben wir das HER Health Projekt ins Leben gerufen; 60% unserer Mitarbeiter sind Frauen. Denim Expert behandelt seine Angestellten wie eine große Familie. Unser Unternehmen ist auch bei wichtigen Events wie Hochzeiten, Geburtstage etc. involviert.“

Neben der Organisation der Bangladesh Denim Expo und dem Leiten der Denim Expert Ltd. haben Sie Ihr eigenes Label Blue X Only. Dessen Styles werden unter anderem auch bei Primark verkauft, ein Unternehmen, das nicht unbedingt einen guten Ruf in der Branche hat. Wie passt das zu ihrem Engagement?

„Blue X Only hat eine andere Brand Identity und hat ihre Nische auf den europäischen Märkten bereits gefunden, deshalb verkauft sie sich über ihren Wert als eigenständige Marke, die nichts mit Primark zu tun hat. Aber unabhängig davon will heutzutage jeder Konsument wissen, wo das Fleisch herkommt, wenn er Steak bestellt, wie die Hühner gezüchtet wurden, wo das Spielzeug produziert wurde, wo die Baumwolle gewachsen ist und wie die Konditionen waren, unter denen die Kleidung hergestellt wurde. Brands können also gar nicht länger unter schlechten Bedingungen produzieren. Primark ist da keine Ausnahme.“

Auch wenn bereits ein Umdenken begonnen hat, angestoßen durch die Rana Plaza-Katastrophe, gibt es immer noch viele Probleme. Beispielsweise ist im Juli in der Multifabs Ltd. Fabrik in Bangladesch ein Heizungskessel explodiert. Die Folge: Tote und Verletzte. Trotz Initiativen wie dem „Accord on fire“ und der „Alliance for Bangladesh Worker Safety“. Wie hilfreich sind solche Initiativen wirklich und wie realistisch ist eine Zukunft, in der Ereignisse wie diese nicht mehr passieren?

„Die Rana Plaza-Tragödie am 24. April 2013 wird leider auch in Zukunft immer mit unserem Land in Verbindung gebracht werden. Seitdem hat sich aber einiges getan; es hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden, was die Sicherheit am Arbeitsplatz und die Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie angeht. Drei Initiativen, Accord, Alliance und NAP, wurden ins Leben gerufen und die International Labor Organization und die Regierung wollen ebenfalls für Sicherheit sorgen. Mehr als 3.800 Bekleidungsfabriken wurden im Hinblick auf die Gebäude- und Feuersicherheit unter die Lupe genommen und Sicherheitsvorschriften festgelegt. Die entsprechenden Reports werden der Öffentlichkeit auf Websites zugänglich gemacht und sorgen für Transparenz. 79% der identifizierten Sicherheitsmängel in den von der Alliance untersuchten Fabriken wurden behoben, bei denen des Accord sind es derzeit 77%. Die Heizungskesselexplosion war der einzige Vorfall innerhalb der letzten vier Jahre. Mittlerweile ist die Inspektion von Heizungskesseln ebenfalls in die Sicherheitsüberprüfungen aufgenommen worden. Die Regierung hat außerdem 200 zusätzliche Safety Inspectors eingestellt und arbeitet an den Gebäudekapazitäten von wichtigen Regierungsunternehmen wie dem ‚Department of Inspection for Factories and Establishments‘ und dem ‚Fire Service and Civil Defense Department‘. Mit Unterstützung der International Labor Organization werden zudem Trainings und Weiterbildungen für das Sicherheitspersonal organisiert. Darüber hinaus hat die Regierung von Bangladesch den Remediation Coordination Council gegründet, der ebenfalls die Sicherheit in den Fabriken kontrolliert. Ich denke also, Bangladesch ist auf einem guten Weg!“

Wie aktuell ist das Thema Kinderarbeit in Bekleidungsfabriken in Bangladesch noch?

„Bangladesch hat diese in Zusammenarbeit mit der International Labor Organization erfolgreich unterbunden! Die ILO hat die Bekleidungsindustrie 1995 als frei von Kinderarbeit erklärt.“

In Zusammenarbeit mit dem develoPPP-Programm der Bundesregierung wollen Sie das Bewusstsein für soziale Verantwortung und nachhaltige Produktion stärken. Wie funktioniert das Programm?

„Das Programm wurde vor 15 Jahren vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ins Leben gerufen, um Unternehmen finanziell und beratend dabei zu unterstützen, neue Märkte anzugehen. Das Programm hat das Ziel, Nachhaltigkeit im Bereich Produktion zu verbessern, vor allem im Hinblick auf Umweltschutz, und hat so ein duales Trainingssystem initiiert. Grundvoraussetzung für die Teilnahme am Programm ist die Entwicklung und Implementierung von kostenreduzierenden Maßnahmen für beispielsweise Energie und Wasser sowie Maßnahmen zur Abfallreduzierung. Zusammen mit Spezialisten entwickelt das Denim Expert Ltd.-Team Richtlinien für Umweltschutz. Zudem analysieren unabhängige Experten die aktuelle Produktivität und die Prozesse bei der Denim Expert Ltd., um selbige stetig zu optimieren.“

Sie haben Ihr eigenes Qualifikationscenter aufgebaut, in dem bis zu 100 Trainees, ähnlich wie bei einem dualen Studium, ausgebildet werden. Welches Ziel verfolgen Sie damit?

„Genau, Denim Expert Limited hat ein eigenes Ausbildungszentrum für die Denim-Industrie geschaffen. Mindestens 50% der Trainees kommen aus anderen Unternehmen. Ziel ist ein ganzheitlicher Ansatz, der Bereiche wie soziale und Umweltstandards, Produktion und Qualitätsmanagement umfasst. Der Lehrplan entsteht zusammen mit Dozenten und Studierenden der verschiedenen Bildungseinrichtungen, mit denen wir zusammenarbeiten und ist auf die unterschiedlichen Zielgruppenbedürfnisse abgestimmt – Studenten, Berufseinsteiger, Azubis, Vorarbeiter, Management... Ich bin mitverantwortlich für die Zusammenstellung des Lehrmaterials und unterrichte auch selbst. Das Projekt vereint die theoretische, schulische Ausbildung mit praktischen Erfahrungen im Unternehmen. Die Kooperation zwischen der ‚Bangladesh Garment Manufacturers Association‘, der ‚Karnaphuli Export Processing Zone‘ und der Bangladesh Denim Expo stellt sicher, dass das neu erworbene Wissen an andere Denim-Produzenten weitergegeben wird.“

Im Mai 2017 fand erstmals das von Ihnen initiierte Sustainable Apparel Forum mit 32 Rednern und rund 1.000 Besuchern statt. Ist der Erfolg einer solchen Veranstaltung messbar?

„Die Teilnehmer, allesamt Beschäftigte aus der Bekleidungsindustrie, haben in vier Sessions etwas zu den Themen Wasser, Energie, Technologie und Finanzen gelernt. Es ging darum, wie man Nachhaltigkeitsthemen in den Betrieb integrieren kann. Das ist an sich schon ein Erfolg. Und aufgrund des positiven Feedbacks steht das Datum der zweiten Ausgabe bereits fest: Diese findet am 12. Juli 2018 statt.“

Um die Zusammenarbeit mit großen europäischen Denim Brands auszubauen, haben Sie diesen Monat einige Fachmessen wie die Munich Fabric Start besucht. Mit welchem Ergebnis?

„Genau, ich habe mit einem Stand in München angefangen, dann folgten Kopenhagen, Amsterdam, Italien und Paris. Ich hatte viele Termine und habe europäische Bekleidungsfirmen zur siebten Ausgabe der Bangladesh Denim Expo eingeladen. Wir arbeiten bereits mit führenden Unternehmen und Marken wie Celio, Zara, Sting, Review, Amsterdenim und Doctor Denim zusammen.“

Nennen Sie abschließend bitte noch drei Ziele für die Zukunft.

„Technologie wird in der Zukunft den wirklichen Unterschied machen. Dementsprechend ist eines meiner Ziele, der Bekleidungs- und Denim-Industrie in Bangladesch dabei zu helfen, sich mit moderner Technologie zu befassen und diese einzusetzen. Unter dem Dach der Plattform ‚Bangladesh Apparel Exchange‘ wird es am 12. Februar 2018 ein ‚Bangladesh Fashionology Summit‘ geben, das sich genau mit diesem Thema beschäftigt. Ich habe außerdem ein Denim Innovation Center gegründet, mit der Vision, Innovation zu fördern und diese zu verbreiten. Ich möchte außerdem das Bewusstsein für einen Kreislauf im Bereich Fashion schärfen – Reduce, Reuse und Recycle lauten hier die Keywords.“

Viel Erfolg weiterhin und besten Dank für das Interview!

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