„Herr Freitag, welchen Mehrwert generiert Freitag?“

  /  15.07.2013

„Dass wir inspirieren, ist gut.“ Im Interview erzählt der Gründer und Creative Director von Freitag, Markus Freitag, von Mehrwert, fairer Produktion und Nachahmung…

Markus Freitag

„Mehr als eine Tasche“ wollen die Gründer des Labels Freitag entwerfen und suchen so die Inspiration in verschiedenen Bereichen der Kreativwirtschaftsszene. Im Interview mit 1st-blue im Vorfeld der in Kooperation mit dem Reportagen Magazin lancierten Reihe ‚Freitag am Donnerstag’ berichtet einer der beiden Gründer und Kreativdirektor Markus Freitag von ‚The Other Messenger Bag’, Zukunftsmärkten und von Ideenraub, der in diesem Fall sogar einen positiven Aspekt hatte.“

Herr Freitag, die Reference Linie ist ein Schritt in eine andere Design-Richtung der Messenger-Bag. Wie kam es zu dem Design? Spielt auch hier der Bezug zum Journalismus eine entscheidende Rolle?

„Wenn wir den Entwicklungsprozess für eine Tasche beginnen, dann nehmen wir ein weißes Blatt Papier und orientieren uns an unseren eigenen Bedürfnissen. Für die Reference Linie haben wir uns jedoch das erste Mal Inspiration von bereits entstandenen Taschen geholt und eine Ledertasche aus dem 19. Jahrhundert gefunden, die eigentlich eine Pferdekuriertasche war. So entstand nicht die Bike-Messenger, sondern ‚The Other Messenger Bag’. Aus diesem Grund weist diese auch Elemente und Verarbeitungsmuster auf, die schon 200 Jahre alt sind.

Wir wollten die Idee hinter dem Produkt nochmals auf einen anderen Kurier übertragen, nämlich den Kurier der Botschaft, sprich der Journalist. So sind wir auch bei den Namen der Produkte gelandet, die immer nach einer Journalistin oder einem Journalisten benannt sind. Allerdings dürfen wir hierbei nicht jeden Namen nutzen, einige weltweit bekannte Journalisten haben den ihrigen so zu sagen als eingetragenes Warenregister urheberrechtlich schützen lassen. Laure Wyss war eine der ersten, nach der wir eine Tasche benannten. Sie ist die Gründerin des Tagesanzeiger Magazins.“

Die Marke gehört zu den letzten industriellen Betrieben, die noch in Zürich produzieren. Wie und wo findet die Produktion statt?

„Wir produzieren selber mit rund 130 Mitarbeitern in einer Fabrik in Zürich, es gibt keine andere Manufaktur vor Ort, die in dieser Größe produziert. Wir kaufen die Planen ein, zerlegen sie in kleinere Stücke und waschen sie in einer riesigen Waschanlage, deren Wasservorrat aus einem unterirdischen Container kommt, in dem wir das Regenwasser sammeln, das auf dem Fabrikdach aufgefangen wird. Im nächsten Schritt werden die einzelnen Planen je nach Modell zugeschnitten, farblich zusammengestellt und werden als komplettes Set pro Tasche an Nähereien in Frankreich, Portugal, Tschechien und Tunesien geschickt . Dies ist der einzige Produktionsvorgang, den wir nicht selbst machen. In der Branche existiert mittlerweile ein enormer Rückgang, zunehmend fehlt die Ausbildung und die Kapazität. Die zwei Schweizer Nähereien, mit denen wir noch zusammenarbeiten, sind seit knapp 20 Jahren dieselben. Viele Nähereibetriebe wollen nicht mehr in eine Infrastruktur investieren, weil die Angst besteht, dass die Marke nach steigender Nachfrage und vermehrtem Produktionsanspruch in Länder wie China geht, um den Prozess dort fortsetzen zu lassen. Wir legen Wert darauf, dass dieser wichtige Arbeitsschritt möglichst nah an der Schweiz stattfindet, um die Transportwege kurz zu halten.“

Die Taschen werden unter anderem auch in einem Behindertenheim in Auftrag gegeben. Neben dem ökologischen Argument also auch ein soziales...?

„Definitiv. Das Behindertenheim war unsere allererste Näherei, die Zusammenarbeit besteht seit 19 Jahren. Aber auch hier sind Bedenken vorhanden, denn sie wollten mit uns nicht ‚so groß’ werden, was das Auftragsvolumen angeht. Wenn sich Nähereien in der heutigen Lage auf nur einen Kunden stützen, dann fällt es zurecht schwer, Vertrauen zu investieren – das ist immer auch ein Risiko.“

Wie gehen Sie mit Kopien wie der «Donnerstag»-Tasche der Schweizer Supermarktkette Migros um? Halten Sie Nachahmung für ein Kompliment oder für eine Beleidigung?

„Dass wir inspirieren, ist gut. Viele Marken übertragen das Design ja mittlerweile auch auf ein anderes Material als LKW-Planen. Wenn man als Label kopiert wird, dann wird man zum Original, so gesehen ist das natürlich schon ein Kompliment. Als Migros die ‚Donnerstag’-Tasche lanciert hat – diese wurde in China gefertigt und kostete ungefähr ein Fünftel – wurden wir 1997 über Nacht zum Original und landesweit bekannt. Der 18 Mrd. CHF-Konzern Migros kopiert die damals Drei-Mann-Firma Freitag (lacht).

Was ich allerdings schade finde, ist, dass viele schlechte Kopien auf den Markt kommen. Meist wird einfach neues Material verwendet – was ökologisch wirklich nicht intelligent ist –, Schnittmuster werden vereinfacht, so etwas zieht die Idee der Planentasche schließlich auf ein liebloses Niveau, welches nicht das ist, was wir anstreben. Aber das ist ein Problem, das jede Marke kennt, von der Kopien hergestellt werden.“

Derzeit versuchen Sie, nach Südkorea zu expandieren, da die Internetverkäufe dort stark angezogen sind. Wie planen Sie die Wachstumsstrategie auf dem dortigen Markt?

„Wir kennen den asiatischen Raum ein wenig, denn bereits vor 16 Jahren haben wir begonnen, unsere Taschen in Japan zu verkaufen, und 2011 haben wir einen eigenen Freitag-Store in Tokyo eröffnet. In Korea haben wir nun Partner gefunden, die hauptberuflich Grafikdesigner sind, zudem eine Mischung aus Café und Laden betreiben und schon seit mehreren Jahren mit uns zusammenarbeiten wollten. In ihrem Ladenlokal haben sie eine komplette Etage mit Freitag-Taschen bestückt und innerhalb eines halben Jahres konnten sie den gleichen Umsatz generieren wie wir ihn über die gesamten Jahre in Japan erreicht haben. Uns ist wichtig, dass wir mit unseren Produkten nicht sämtliche Märkte überschwemmen, das war nie die Idee dahinter. Manchmal trifft man jedoch zufällig zum richtigen Zeitpunkt auf die richtigen Leute. Aufgrund der hohen Lohnkosten, des hohen Schweizer Franken und der Exportkosten sind wir zudem auf andere Währungsmärkte angewiesen. Dies ist auch ein Grund, warum wir noch ein Stück weit internationaler werden wollten, damit wir dieses Risiko verteilen können.“

Freitag war mit einer Limited Edition Fenedig an der Kunstausstellung La Biennale di Venezia präsent. Durch welchen Umstand kam es zu dieser Zusammenarbeit?

„Menschen, die Interesse an Freitag bekunden, kommen oftmals aus der Kreativwirtschaftsszene, ob nun aus der Kunst, der Kommunikation, der Mode, der Werbung oder Architektur, spielen bei der neuen Reference Line eine wichtige Rolle. Architektur- und Kunstausstellungen sind in Venedig wichtige Themen, für La Biennale di Venezia haben wir deshalb versucht, über eine Kooperation mit der Schweizer Kulturstiftung „pro helvetia“ unsere Limited Edition Fenedig als Büchertasche an Leute zu bringen, die in diesem Segment so genannte Meinungsmacher sind. Zudem haben wir in Venedig einen Pop-up-Store parallel zur Ausstellung eröffnet. Die Betreiberin führt seit 25 Jahren einen Concept-Store ein wenig außerhalb von Venedig, unter anderem mit ausgewählten Freitag-Taschen und Menschen von überall kommen dorthin. Wir verkaufen die Reference Linie nirgendwo so gut wie in diesem 40.000 Seelen-Ort (lacht).“

Als Firmeneigner ist man womöglich an maximalem Gewinn interessiert, als Kreativer steht das Produkt im Fokus. Wie schaffen Sie den Spagat zwischen diesen beiden Unternehmensbereichen?

„Wir haben diese Segmente aufgeteilt: Es gibt eine Geschäftsführung mit Fokus auf den Finanzen. Als Creative Director in der eigenen Firma interessiert uns das Geld eigentlich weniger, nicht, weil wir schon genug davon haben, sondern weil wir ein gutes Produkt entwerfen wollen. Unsere Geschäftsführerin befasst sich dann schon mit derlei Aspekten, ob die entworfene Tasche ‚verkaufbar’ ist. Unser Anspruch hinter den Produkten ist es, dass wir diese selber gut finden, wir versuchen nicht, uns in eine ganz bestimmte Zielgruppe hineinzudenken. Natürlich gibt es auch kommerzielle Punkte wie beispielsweise die Größe. Im Zuge der Entwicklung überlegen wir uns schon, dass eine große Tasche an den kleinen Menschen in Japan eventuell komisch aussehen würde und minimieren diese dann gegebenenfalls.“

Kommen Kooperationen mit anderen Marken in Frage?

„Wir haben viele Anfragen und überlegen pro aktiv, mit wem wir gerne kooperieren würden. Dies sollte allerdings auf regionaler Ebene sein, mit sehr großen globalen Brands tun wir uns noch ein wenig schwer, denn die Philosophie hinter der Marke, mit der wir letztendlich zusammenarbeiten, muss ja eine ähnliche sein. Wir finden auch die Idee schön, etwas für einen Ort machen, das man aber eben auch nur dort bekommst.“

Wie entwickelt sich Freitag im Hinblick auf den Umsatz?

„Wir wachsen immer zwischen 15 und 20%, manchmal auch ein wenig mehr und arbeiten mit einem agilen Budgetierungsprogramm, das sich ‚Beyond Budgeting’ nennt und sich flexibler an Trends sowie Währungsschwankungen innerhalb eines Jahres anpassen lässt.“

Derzeit sind Sie auf keinen Messen präsent. Wie stehen Sie generell zu derartigen Plattformen? Was halten Sie darüber hinaus von B2B-Webshops?

„Messen halte ich für sehr interessante Plattformen. Früher waren wir in Köln auf der Bread & Butter vertreten. Heute möchten wir unsere Energie aber darauf verwenden, unsere Kunden direkt vor Ort zu besuchen. Mit der Reference-Linie sind Messen zwar interessanter, weil wir ein anderes Segment an Retailern ansprechen wollten als bisher.

Grundsätzlich ist es aber so, dass sich der Kunde bei uns für eine Idee entscheidet, dann für die Modelle und wenn er merkt, dass es nicht die richtige Modellwahl war, wechselt er sie aus. Wir generieren ein Saisongeschäft mit dem Anspruch ‚never out of stock’ und eine Zusammenarbeit mit Kunden ist in den meisten Fällen langfristig angelegt.

Wir haben derzeit nur einen eigenen B2C-Shop, der von uns selber betrieben wird, da die Produktbilder der Unikate dementsprechend nach dem Kauf ausgewechselt werden müssen. Wir überlegen uns darüber hinaus auch Lösungen, die Richtung B2B gehen, hier ist aber noch nichts spruchreif.“

Gemeinsam mit dem Chefredakteur des Reportagen Magazins, Daniel Puntas Bernet, haben Sie die Vortragsreihe „Freitag am Donnerstag“ ins Leben gerufen, im Zuge derer sie Vertreter verschiedener Medien in ihren Store einladen, damit ein gemeinsamer Austausch stattfinden kann. Wie entstand diese Kooperation?

„Genau, die Idee entstand zusammen mit Daniel Puntas. Er selbst erlebt täglich, wie sich die Medienlandschaft verändert und der Qualitätsjournalismus leidet, da oftmals die Zeit für intensive Recherchen einzelner Reportagenbeiträge fehlt. Deshalb hat er uns als Partner angesprochen, weil er der Ansicht war, dass sowohl wir persönlich als auch unsere Kunden einen ähnlichen Qualitätsanspruch haben wie jene, die sein Magazin lesen sollten. Und wir haben uns gedacht, wir würden unseren Kunden gerne einen Mehrwert, sprich ‚mehr als eine Tasche’, bieten können, sei es beispielsweise in Form einer interessanten Veranstaltung.

Der einzige kleine Haken an dem Event ist die Tatsache, dass es sich um ein ausschließlich deutschsprachiges Magazin handelt und wir die Veranstaltung dementsprechend nur im deutschsprachigen Raum abhalten können. Eventuell finden wir im Ausland wie Frankreich oder Italien auch künftig noch Partner, mit denen wir ähnliche Projekte lancieren können.“

Welche Pläne gibt es konkret für die Zukunft?

„Wir arbeiten an neuen Produkten in beiden Kollektionen, ein weiterer Store wurde erst kürzlich in der Französischen Schweiz eröffnet. Die Erschließung weiterer Standorte ist in Planung, da kann ich aber noch nicht sagen, ob das Italien, Frankreich oder noch einmal Japan sein wird – die Location muss ja auch stimmen. Im Hinterkopf haben wir derzeit, wie man die Idee von Freitag auf andere Produktsegmente übertragen könnte. Da ist die Spanne allerdings extrem weit. Wir trauen es der Marke aber zu, dass sie auch auf andere Produkte mit denselben Werten übertragbar wäre. Auch über Materialien denken wir nach – was wäre, wenn es die Plane einmal nicht mehr gäbe und wir uns ein zweites Standbein überlegen wollen? Aber da sind wir an vielen Fronten unterwegs.“

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für die Zukunft!

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